Samstag, 6. Januar, Borghagener Straße kurz vor der Kreuzung Recklinghauser Straße: Eine Ratte hat sich in eine ziemlich missliche Lage gebracht. Sie steckt im Gully mitten auf der Straße fest. Einer Autofahrerin fällt das Tier auf. Sie kontaktiert die Tierrettung. Auch die Feuerwehr ist am Ende vor Ort.
Eine Seite der Straße ist während der Rettungsaktion gesperrt. Die Ratte kommt frei. Die Stadt Castrop-Rauxel bestätigt uns jetzt, dass es den Einsatz an der Borghagener Straße wirklich gab.
Soweit die Geschichte der Ratte. Beobachtet wurde die Aktion von mehreren Anwohnern der Borghagener Straße. Mit ihnen sitzen wir einige Tage später um einen Esstisch. Sie finden die Rettung der Ratte falsch. Ihren Namen möchten sie nicht in der Zeitung lesen, weil sie befürchten, von „rabiaten Tierfreunden“ bedroht zu werden.
Viel Aufwand für eine Ratte
Die Anwohner, mit denen wir gesprochen haben, finden, dass viel zu viel Aufwand betrieben wurde, um „nur“ eine Ratte zu retten. „Das muss im Verhältnis stehen, da könnte man ja auch Regenwürmer retten. Das kann ja wohl nicht sein“, sagen sie.
Sie berichten, wie sie immer wieder Ratten auf der Straße sehen, sogar schon welche in ihrem Hausflur hatten. „Und die werden da jetzt mit viel Aufwand gerettet?“ Was sie getan hätten, wenn sie die Ratte im Gully gefunden hätten? „Ja, wahrscheinlich nichts“, „Nen‘ Spaten hätte ich geholt“, erwidert ein anderer, halb im Scherz. Aber vielleicht nur halb.

Grundsätzlich hätten sie nichts gegen Tiere. Sie haben sogar selbst Haustiere gehabt. Aber Ratten seien doch eher eine Plage. In der Kanalisation legt der EUV Köder aus, und wenn sie rauskrabbeln werden sie von der Feuerwehr gerettet: Das passt doch nicht.
Feuerwehr muss Tiere retten
Aber wie sieht es eigentlich rechtlich aus? Wann die Feuerwehr in Aktion treten muss, wird im BHKG (Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz) geregelt. Darin heißt es sinngemäß: Sind Leben, Tiere, Gesundheit oder Gegenstände konkret in Gefahr, dann muss die Feuerwehr eingreifen. In diesem Fall schwebte die Ratte konkret in Gefahr, auf der Straße waren schließlich Autos unterwegs.
Man müsse keine Sorge haben, dass die Feuerwehr keine Zeit für einen Autounfall hat, weil sie Tiere rettet. Feuerwehr-Chef Ulrich Vogel erklärt: „Die Gefahrenabwehr erfolgt nach einsatztaktischen Grundsätzen stets in der Reihenfolge priorisiert für Menschen, Tiere und Sachwerte. Heißt, dass im Falle von Paralleleinsätzen selbstverständlich die Rettung von Menschen ohne Ausnahme die oberste Priorität genießt.“
Keine Meldung über Rattenbefall
Stadtsprecherin Maresa Hilleringmann ergänzt: „Das Gesetz macht bei Ratten keine Ausnahmen, die Feuerwehr rettet jedes Tier in Not.“ Es sei zwar richtig, dass der EUV Köder auslegt. Auch die Stadt beauftragt Schädlingsbekämpfer, wenn es an einer Stelle überhandnimmt. Das rechtfertige aber nicht, eine Ratte in Not einfach ihrem Schicksal zu überlassen. Der Stadt lägen für die Ecke Borghagener/Recklinghauser Straße keine Meldungen über Rattenbefall vor.
Die Anwohner werfen aber auch die Frage nach den Kosten auf. Wie viel Geld hat die Rettung der Ratte gekostet? Stadtsprecherin Maresa Hilleringmann: „Der Tierschutzverein erhält für diese Leistung [Tierrettung, Anm. d. Red.] eine Jahrespauschale. Somit hat die Art und der Umfang eines Einsatzes der Tierrettung keine finanziellen Auswirkungen für die Stadt Castrop-Rauxel.“ Das ist Teil einer Neuregelung, die erst vor wenigen Wochen beschlossen wurde.
Auch die Feuerwehr habe keine Mehrkosten durch so einen Einsatz. Sie ist im Grundschutz ohnehin im Dienst. Ob auf der Wache oder draußen, ist irrelevant.