Rajko Kravanja: Verantwortungsträger sollten sich niemals auf den Stärken ausruhen

© Verena Hasken

Rajko Kravanja: Verantwortungsträger sollten sich niemals auf den Stärken ausruhen

rnLehren aus dem Stadtteil-Check

Der Stadtteil-Check: 1310 Castrop-Rauxeler sagten ihre Meinung zum Leben im Ortsteil. Wir analysierten die Ergebnisse. Auch der Bürgermeister hat sie interessiert verfolgt. Seine Lehren.

Castrop-Rauxel

, 24.04.2019, 16:45 Uhr / Lesedauer: 4 min

Was bleibt hängen vom Stadtteil-Check? Leiten Stadtverwaltung oder Politik Konsequenzen aus den Ergebnissen ab? Zumindest mit Interesse zur Kenntnis genommen wurden die Analysen und Geschichten, die Zahlen und Statistiken, die unsere Redaktion mit der Hilfe der Castrop-Rauxeler ermitteln konnte.

Unsere Redaktion stellte nach Abschluss der ersten Veröffentlichungswelle Anfragen an alle Ratsfraktionen, sprich die politischen Vertreter in unserer Stadt - und an Bürgermeister Rajko Kravanja als Chef der Stadtverwaltung. Während die Fraktionen noch nicht alle antworteten, sagt Kravanja: „Der Stadtteilcheck zeigt mir einmal mehr, dass Castrop-Rauxel sich durch seine vielfältigen Stadtteile auszeichnet, die jeweils sehr individuelle Blickwinkel und Bedürfnisse haben.“

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Wir bündeln seine schriftlich formulierten Aussagen hier:

Was bleibt bei Ihnen aus der Analyse der Stadtteilcheck-Umfrage hängen?

„Die Vielfalt ist ein Fakt, der den Charme der Stadt ausmacht, Verantwortungsträger jedoch auch vor ein Spannungsfeld stellt. Auf der einen Seite ist es unsere Aufgabe, den individuellen Bedürfnissen vor Ort gerecht zu werden - in der unmittelbaren Nachbarschaft entsteht das Gefühl des zu Hause seins. Auf der anderen Seite muss die Stadt in ihrer Gesamtheit betrachtet werden und die jeweiligen Angebote in ein gesamtstädtisches Konzept bündeln. Um diesem Spannungsfeld gerecht zu werden ist es wichtig, den permanenten Kontakt zu Bürgerinnen und Bürgern aller Stadtteile zu halten. Dies tue ich gerne - und aus Überzeugung - im Rahmen verschiedenster Dialogformate. Vom Kuchenbesuch über die Stadtteilspaziergänge bis hin zu klassischen Hausbesuchen. Natürlich sind aber auch die verschiedenen Stadtteilvereine sowie sonstige Vereine ein guter Multiplikator für die jeweiligen Stadtteile, die in ihrer Arbeit unterstützt werden müssen.“

Betrachtet man die Umfragewerte stadtweit, erkennt man vor allem im Bereich Jugendliche Nachholbedarf: Hier gaben die 1300 Teilnehmer im Mittel nur 5 von 10 Punkten, so wenig wie nirgendwo sonst. Muss die Stadt hier mehr tun?

Kravanja sagt: „Das bestehende Angebot der Jugendarbeit wird gut angenommen und die Anzahl der Jugendzentren innerhalb des Stadtgebiets ist für eine Stadt unserer Größe überdurchschnittlich. Nichtsdestotrotz sind auch die Bedürfnisse der Jugendlichen einem permanenten Wandel unterworfen - seit der Erstellung des letzten Kinder- und Jugendförderplans für den Zeitraum 2015 bis 2020 sind jedoch einige Jahre vergangen.
Um den Bedürfnissen der Jugendlichen unserer Stadt zeitgemäß gerecht zu werden, werden wir im Laufe des Sommers mit der Neuaufstellung unseres Jugendförderplans für den Zeitraum 2020 bis 2025 beginnen.
Bei der Erarbeitung und Aufstellung dieses Plans ist es uns besonders wichtig, die Zielgruppe selbst mit an den Tisch zu holen und gemeinsam mit Jugendlichen über die zielgruppenspezifischen Bedürfnisse zu reden. Niemand weiß besser, welche Anforderungen an Angebote für Jugendliche gestellt werden als die Jugendlichen selbst.“

Betrachtet man die Umfragewerte stadtweit, erkennt man auch bei Familien- und Seniorenfreundlichkeit Nachholbedarf (je 6 Punkte). Ist das für Sie ein Arbeitsauftrag?

„Generationenfreundlichkeit als Teil einer inklusiven Stadtgestaltung und -planung ist eine enorme Herausforderung für jede Stadt, bedeutet sie doch eben mehr als nur die Bereitstellung von ausreichend Betreuungsplätzen für Kinder und eine soziale Infrastruktur für Seniorinnen und Senioren. Auch wenn die Bevölkerungsgruppen allzu oft gegeneinander ausgebootet werden, so sind ihre Bedürfnisse oft identisch. Ein Kinderwagen benötigt ebenso wie ein Rollator möglichst barrierefreie und ausreichend breite Gehwege, junge Familienmütter und –väter möchten ebenso einen Ort des Austausches und der Information haben wie Seniorinnen und Senioren.

Es muss daher unsere Aufgabe sein, eine generationengerechte Stadtentwicklung voranzutreiben, die sowohl die soziale als auch die klassische Infrastruktur im Auge behält. Mit dem aktuell laufenden Ausbau an Kita-Plätzen, der Schulentwicklungsplanung, der Neuaufstellung des Kinder- und Jugendförderplans, dem Bau des Bildungscampus in der Altstadt, einem umfangreichen Straßen- und Gehwegsanierungsprogramm sowie den zahlreichen Förderprogrammen des Landes und des Bundes – die explizit auch barrierearmes Bauen fördern – sind wir in dieser Frage auch künftig gut aufgestellt, haben aber auch noch viel auf der Agenda.“

Betrachtet man die Umfragewerte stadtweit, erkennt man, dass die Castrop-Rauxeler vor allem die Grünflächen schätzen: Stadtweit gab es hier im Mittel 9 von 10 Punkten. Ist das eine Stärke der Stadt auch aus Ihrer Sicht? Kann man sich darauf ausruhen? Einen weiteren starken Wert von 8 von 10 bei der Frage nach der Lebensqualität gibt es stadtweit. Entspricht das Ihrem Empfinden? Warum?

Kravanja scheibt: „Verantwortungsträger sollten sich niemals der Versuchung hingeben, sich auf Stärken auszuruhen. Vielmehr sollten wir uns unserem Potenzial bewusst werden, das eben darin besteht, eine Kommune im grünen Gürtel des Ruhrgebiets zu sein. In Castrop-Rauxel hat man die volle Bandbreite der kulturellen, sozialen und kommerziellen Angebote in unmittelbarer Nähe, wohnt dennoch in einer überschaubaren Nachbarschaft, in funktionierenden Stadtteilstrukturen, umgeben von grünen Landzügen.

Durch diese Kombination wird eine Lebensqualität generiert, die von Alt und Jung geschätzt wird und die unsere Stadt auch zu einer begehrten Gegend für Zuziehende macht. Unsere Aufgabe ist es, den Zuziehenden die Grundlage für ein neues Zuhause zu bieten und verantwortungsvoll mit unseren Grünflächen umzugehen.“

Henrichenburg erreicht in Summe 132 Punkte, Merklinde in Summe 82 – Spitzen- und Minuswert in der Gesamtwertung, jeweils mit ordentlichem Abstand. Ist es Aufgabe der Politik, sich besonders auf das Schlusslicht zu fokussieren?
„Aufgabe eines Bürgermeisters muss es sein, alle Stadtteile im Auge zu haben und die bestehenden Kapazitäten passgenau und individuell auf die Stadtteile zu verteilen. Dies bedeutet explizit auch, Stadtteilen, die schwierige Entwicklungen erlebt haben, ein besonderes Augenmerk zu schenken – ohne jedoch die anderen Stadtteile aus dem Auge zu verlieren.

Merklinde hat in den letzten Monaten und Jahren eine beachtliche Entwicklung vollzogen. Seit Gründung des Stadtteilvereins „Wir in Merklinde e.V.“ hat sich ein breites bürgerschaftliches Engagement entwickelt, das auch das Stadtteilprojekt „Nachhaltigkeit nimmt Quartier“ getragen hat. Nun - nach Abschluss des Projekts - haben sich die Akteure des Stadtteils darauf verständigt, den Prozess in Kooperation mit der Stadtverwaltung fortzuführen und den Stadtteil so noch weiter voran zu bringen.

Der Fokus der Akteure des Stadtteils muss nun darauf liegen, die positiven Entwicklungen in die Tiefe des Stadtteils zu transportieren, die Menschen für den Entwicklungsprozess zu begeistern und so einen breit aufgestellten Beteiligungsprozess im weiteren Verfahren zu ermöglichen.“

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