Zur Mittagszeit ruhen die Arbeiten auf der Großbaustelle auf der Bochumer Straße: Die Arbeiter von Gelsenwasser, die hier im Abschnitt zwischen Grüner Weg und Cottenburgstraße seit dem 13. März und voraussichtlich bis zum 5. Mai die Trinkwasserleitungen erneuern, machen Pause. Der Verkehr hingegen pausiert nicht. Hier anzuhalten, ist derzeit allerdings auch keine Option: Die Parkmöglichkeiten auf beiden Seiten der Hauptstraße in Obercastrop fallen für die Dauer der Arbeiten bekanntlich weg.
Dass das für die ansässigen Geschäftsleute problematisch ist, ist nicht neu: Sie befürchten sogar, dass es irgendwann zum Normalzustand werden könnte. Denn die Stadt möchte die Bochumer Straße sicherer gestalten, vor allem für Radfahrer. Eine Idee, die dazu im Maßnahmenkatalog des Nahmobilitätskonzeptes der Stadt festgehalten ist: ein neuer Schutzstreifen, bei dem Autofahrer die Radwege zeitweise befahren dürfen, aber nicht darauf parken können. Doch was halten die Castrop-Rauxeler und besonders direkte Anwohner davon? Wir haben uns umgehört.
„Wir brauchen mehr Parkplätze“
Kemal Tunc wohnt in einem der Häuser, die im Erdgeschoss ein Geschäft beherbergen. Er hat das Glück, einen festen Parkplatz zu haben, muss also nicht jedes Mal wieder einen suchen. Trotzdem findet er: „Man muss hier in der Ecke eigentlich mehr Parkplätze haben.“ Die Idee, dass die bereits vorhandenen zugunsten eines Radwegs wegfallen, missfällt ihm. „Ich finde es aber auch nicht gut, wenn die Radfahrer hier auf der Straße fahren, weil das schon sehr gefährlich ist.“ Womöglich sei das Ausweichen auf den Bürgersteig, ein gemeinsamer Geh- und Radweg also, eine Option, so überlegt er.
Andreas Krainer sieht das etwas anders, obwohl er und seine Familie zwei Autos haben. Und natürlich, gibt er unumwunden zu, wolle auch er am liebsten möglichst nah an der Wohnung parken. „Aber wenn ich an die Zukunft denke, an die Kinder, an die Jugendlichen - dann sind gut ausgebaute Radwege natürlich besser.“ Es sei wichtig, Städte dahingehend zu entwickeln, dass Alternativen zum Auto attraktiver werden, findet der Anwohner. „Und außerdem findet man hier, zumindest unter der Woche, schon immer einen Parkplatz, auch jetzt mit der Baustelle“, findet er.
Elmar von Agris wohnt zwar nicht in Obercastrop, aber hat heute der Fleischerei Kranefoer einen Besuch abgestattet, mit dem Rad. „Ich bin schon der Ansicht, dass der Radverkehr ganz grundsätzlich gestärkt werden muss“, sagt er. „Dennoch kann ich beide Seiten absolut verstehen und auch die Sorgen der Geschäftsleute.“
Einbuße von bis zu 80 Prozent
Dass die sich nicht ohne Grund sorgen, zeigt sich im Gespräch mit zwei Geschäftsleuten. Bettina Mirow von Blumenatelier Mirow beispielsweise schätzt, dass sie der Baustelle wegen im vergangenen Monat etwa 50 Prozent weniger Umsatz gemacht hat, als sonst zu dieser Zeit. „Wenn die Leute irgendwann vorne nicht mehr parken können, weil hier ein Radweg hinkommt, dann wäre das tödlich für die Geschäfte. Dann können wir alle zu machen“, warnt sie. Zwar sei die Situation für hiesige Geschäftsleute auch „ohne Baustelle schwierig“, aber nun sei sie „wirklich dramatisch“.

Diese Ansicht teilt Jotyar Alo. Er betreibt den Kiosk und Lottoladen gegenüber, klagt über „fast 80 Prozent weniger Umsatz als normalerweise. Heute zum Beispiel stehe ich seit 7 Uhr hier. Jetzt ist es Mittag und ich hatte insgesamt vielleicht so 15 Kunden. Ich hab wirklich keine Lust mehr.“ Dass derzeit weniger Leute bei ihm einkaufen, führt er gänzlich auf die Baustelle zurück: „Zigaretten und Lottoscheine gibt es eben auch woanders, die kann ich überall kaufen, dafür muss ich nicht hierherkommen und erstmal einen Parkplatz suchen.“ Er hofft, „einfach nur, dass die Bauarbeiten in zwei oder drei Wochen auch wirklich beendet sind.“
