Radio Ruhrpott und das große Ziel „Wir streicheln das Ruhrgebiet ohne Rückwärts-Gejaller“

Radio Ruhrpott und das große Ziel: Aufführungen an jedem Wochenende
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Wenn an diesem Samstag die 58. Show von Radio Ruhrpott über die Bühne geht, dann steckt mehr Kamen in dem Musical, als manch einer vermuten würde. Bernd Böhne (58) und Michel Klossek (59), die beiden kreativen Köpfe des sogenannten Ruhricals, sind beides Kamener und spielten als Jungs schon zusammen Fußball in der Koppelteichhalle.

Seitdem das Ruhrpott-Musical im Mai 2019 gestartet ist, hat sich das aus Kohlenstaub gemachte Kulturprojekt in der Szene fest etabliert. Mit durchschnittlich 450 Zuschauern war die Europahalle Castrop-Rauxel, der feste Spielort, bei jeder Aufführung zu 80 Prozent ausgelastet – bis der Lockdown im März 2020 ein jähes, aber nur vorläufiges Ende bescherte.

Seit November vorigen Jahres röhrt auf der Bühne wieder der rastlose Pickhammer der Bergleute. „Wir wissen, dass das Musical funktioniert. Nur müssen wir jetzt die Leute maximal aktivieren“, sagt Geschäftsführer Michael Klossek über eine leichte Corona-Delle. Das Musical ist jetzt nicht nur mehr in Castrop-Rauxel zu sehen, sondern immer öfter auch auswärts: Wie aktuell (17. Dezember, 20 Uhr) im Saalbau Witten und bald in der Erich-Göpfert-Halle in Unna (31. März./1. April, jeweils 20 Uhr).

Michael Klossek mit einem historischen Abbauhammer, auch Pickhammer genannt, der viele Kilogramm schwer ist. Auch das Radio-Ruhrpott-Musical will ein Schwergewicht in der Kulturszene werden. "Wir wollen die Tradition wertschätzen, ohne Rückwärts-Gejaller, dafür mit dem Blick nach vorn."
Michael Klossek mit einem historischen Abbauhammer, auch Pickhammer genannt, der viele Kilogramm schwer ist. Auch das Radio-Ruhrpott-Musical will ein Schwergewicht in der Kulturszene werden. „Wir wollen die Bergbau-Tradition wertschätzen, ohne Rückwärts-Gejaller, dafür mit dem Blick nach vorn." © Carsten Janecke

Tiefe Liebe zum Ruhrgebiet, eine brennende Leidenschaft zum Pott

Die tiefe Liebe zum Ruhrgebiet, eine brennende Leidenschaft zum Pott, die habe Böhne, so erinnert sich Klossek, schon immer gehabt. „Die Idee, das Ruhrgebiet als Musical zu präsentieren, hat ihn stets beschäftigt. Und dass vorher noch niemand diese Idee hatte, ist fast schon verrückt“, sagt er lachend.

Dass in der Liebesgeschichte zwischen Ritchie und Petra auch einige autobiografische Züge sind, will Böhne nicht überbewerten. „In einer Szene heißt es: Marken-Nummer bitte! Ja, das ist meine von früher, die 3511.“ Böhne war als junger Mann Anfang der 80er-Jahre Berg- und Maschinenmann auf der Zeche Monopol, die kurze Zeit später geschlossen wurde. „Da war ich dann noch auf Neu-Monopol in Bergkamen. Klar, ich habe auch davon geträumt, ein Rockstar zu werden.“

Bernd Böhne ist der kreative Kopf hinter dem Musical „Radio Ruhrpott“, das seinen festen Platz in der Europahalle Castrop-Rauxel hat. Er hat sowohl viele Lieder komponiert als auch die Geschichte geschrieben.
Bernd Böhne ist der kreative Kopf hinter dem Musical „Radio Ruhrpott“, das seinen festen Platz in der Europahalle Castrop-Rauxel hat. Er hat sowohl viele Lieder komponiert als auch die Geschichte geschrieben. © Carsten Janecke

Zuschauer sollen möglichst nah an das Ruhrical heranrücken

Es ist auch kein Zufall, dass das Gartenfest in der Kleingartenanlage „Schöner Fleck“ stattfindet – also freilich auf der Europahallen-Bühne und nicht in der gleichnamigen Anlage in Südkamen. „Erst jetzt habe ich durch einen Zuschauer erfahren, dass die Anlage einst nach den Herren Fleck und Schön benannt wurde“, berichtet Klossek. Und auf der Bühnen-Telefonzelle ist eine Telefonnummer, die 74257, gekritzelt. „Die frühere Telefonnummer meiner Eltern“, schmunzelt Böhne.

Er legt großen Wert darauf, dass die Zuschauer möglichst nah an das Ruhrical heranrücken sollen. Mittendrin, statt nur dabei: „Wir wollen anfassbar und nahbar sein, Zuschauerin und Zuschauer sollen Teil vom Ganzen werden, wir leben den Pott auf und neben der Bühne“, sagt auch Klossek. Das beginne schon bei der Ticket-Vergabe. „Es gibt keine anonyme Hotline. Wir rufen jeden zurück – und es gibt immer eine Lösung, wenn irgendwas mal nicht klappt.“

Robin Lindemann, ebenso Kamener, der dem Musical eine künstlerische Note verleiht. Von dem 20-köpfigen Ensemble kommen fünf aus dem Kreis Unna.
Robin Lindemann, Kamener wie Böhne und Klossek, verleiht dem kohlenstaubigen Musical eine künstlerische Note. Von dem 20-köpfigen Ensemble kommen fünf aus dem Kreis Unna. © Stefan Milk

Am Samstag, 17. Dezember, ist das Musical Radio Ruhrpott im Saalbau Witten zu sehen. Beginn ist dort um 20 Uhr, Einlass ab 18 Uhr. Wer in Bergmanns-Kluft kommt, hat freien Eintritt. Eine Anmeldung für alle verkleideten Bergleute ist unter info@radioruhrpott.de erwünscht. Mehr über das Musical und weitere Termine gibt es unter www.radioruhrpott.de.

Unverwechselbarkeit als Markenkern für Radio Ruhrpott

Diese Flexibilität soll auch trotz angestrebten Wachstums eine feste Größe bleiben. Nicht nur beim Kartenverkauf, sondern, viel wichtiger, auch bei der künstlerischen Gestaltung. Böhne: „Wir haben die Freiheit, jederzeit eigene Ideen umsetzen – es ist unsere eigene Geschichte, das ist das Schöne. Und wir haben keine Vorgaben wie andere Musical-Häuser, wo Disney oder Andrew-Lloyd-Webber gespielt wird und die Choreografien nicht verändert werden dürfen.“

Das gelte auch für das Ensemble, in dem jeder seine Stärken ausspielen dürfe und eigene Ideen realisieren könne. Credo: „Ihr müsst nicht alle gleich aussehen, sodass es keinem auffällt, wenn der Darsteller einmal ausgewechselt wird.“ Unverwechselbarkeit als Markenkern. Oder wie es Klossek ausdrückt: Die Überführung der Wertschätzung der Ruhrgebietstradition in eine künstlerische Form. „Wir streicheln das Ruhrgebiet, aber nicht nur mit Rückwärts-Gejaller. Wir drehen uns auch um und sagen: Da ist die Sonne.“

Es geht jetzt volles Rohr in das neue Spielzeit-Jahr

Es geht also volles Rohr in das neue Spielzeit-Jahr, das in Castrop-Rauxel am 20. und 21. Januar beginnt. In der Regel wird das Musical einmal monatlich über ein Wochenende gespielt. Tickets gibt es unter www.radioruhrpott.de. Insgesamt 20 Termine sind dort fürs kommende Jahr schon gesetzt, zudem gibt es Auswärtsspiele im Kurhaus Hamm (3./4. März) und im Festspielhaus Recklinghausen (7. Oktober).

An den Sonntagen soll die Show noch mehr auf Familien zugeschnitten werden, wenn auch Kinder auf die Bühne kommen. Und in Zukunft wollen die Macher ihre Show im Westen von Nordrhein-Westfalen noch bekannter machen.

Ihre Vision, die vielleicht erst in einigen Jahren erreicht ist: „Wir wollen jede Woche spielen, von donnerstags bis sonntags.“

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