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Pro7-Projekt in JVA Castrop-Rauxel: Häftlinge stellen sich Vergangenheit
Fernsehshow
Die JVA Castrop-Rauxel wurde zum Drehort eines ungewöhnlichen TV-Experiments. Die Haftanstalt erklärt, wie es dazu kam und warum das Projekt so wichtig war.
Rund 600 Gefangene sitzen in der JVA Castrop-Rauxel ein. Diebstahl, Drogenhandel oder Körperverletzung: Die Insassen sind wegen verschiedenster Delikte hier gelandet. Doch wie kam es dazu? Dieser Frage stellten sich nun einige von ihnen in einem spannenden TV-Experiment.
Ausgestrahlt wurde es am Montag (18.10.) in der Pro7-Show „Zervakis & Opdenhövel. Live.“ Der Ablauf war simpel: Die Gefangenen stellten sich zunächst in einem Kreis auf und wurden mit verschiedenen Situationen konfrontiert. Wer diese Situation in seiner Kindheit oder Jugend erfahren musste, ging einen Schritt näher in Richtung Mitte.
Die Herausforderung: Es ging um Erlebnisse, auf die wohl kein Häftling gerne zurückblickt. Habe ich Liebe und Zuneigung in meiner Kindheit vermisst? Wurde ich von meinen Eltern geschlagen? Diesen Fragen mussten sich die Straftäter aus dem Offenen Vollzug stellen.
Das hatte jedoch einen guten Grund: „Viele Gefangene denken gar nicht über die Faktoren nach, die zu ihrer kriminellen Karriere geführt haben“, sagt Julius Wandelt, Leiter der JVA Castrop-Rauxel auf Anfrage.

Die Tore des offenen Vollzugs wurden für ein Kamerateam von Pro7 geöffnet. © Kersting
Dem TV-Projekt stand er daher auch von Beginn an positiv gegenüber: „Als uns die Produktionsfirma kontaktiert hat, wollten wir es einfach mal probieren“, so Wandelt. Und so standen dem Kamerateam die Tore der Anstalt für das Experiment offen.
Durchgeführt wurde es von Maximilian Pollux. Er selbst verbrachte knapp zehn Jahre hinter Gittern und betreibt heute Präventionsarbeit. „Die Gefangenen hören ganz anders hin, wenn jemand mit dieser Vorgeschichte zu ihnen spricht“, sagt der JVA-Leiter.
Keine Belohnungen für Teilnehmer
Natürlich sei es aber nicht einfach gewesen, die Inhaftierten für den Versuch zu begeistern: „Es wurde niemand gezwungen und es gab auch keine Belohnungen für die Teilnehmer, alles sollte aus eigenem Interesse erfolgen“, erklärt Wandelt.
Wie in dem Beitrag zu sehen ist, musste Maximilian Pollux im Hof zunächst nach Freiwilligen suchen. „Er sollte die Leute einfach ansprechen und fragen, ob sie nicht Lust hätten“, so der Chef der Haftanstalt. Knapp 20 Häftlinge konnten so für das Experiment gewonnen werden.

Julius Wandelt, Leiter der JVA Castrop-Rauxel, war begeistert von dem Projekt. © Torben Kassler
Tobias war einer von ihnen. Der 27-Jährige verbüßt derzeit eine vierjährige Haftstrafe. Sein Vater hat ihn früher mit auf Einbruchstour genommen, danach begann er selbst eine kriminelle Karriere. Für Julius Wandelt kein ungewöhnlicher Fall.
Weg in Kriminalität nicht nur freie Entscheidung
„In der Gesellschaft wird immer so getan, als ob der Weg in die Kriminalität ausschließlich eine freie Entscheidung ist“, sagt der JVA-Leiter. Dies sei aber nur ein Teil der Wahrheit. Vieles hänge eben auch mit den „frühen Sozialisationsbedingungen der Häftlinge“ zusammen.
Welche Faktoren dazu geführt haben, vom geraden Weg abzukommen, „diese Frage muss sich jeder selbst einmal gestellt und auch selbst eine Antwort gefunden haben“, sagt Wandelt. Aus diesem Grund sei das Projekt für ihn enorm wichtig gewesen.
Strafvollzug im Fernsehen oft unrealistisch
Auch mit dem fertigen Beitrag in der Show sei er zufrieden: „Im Fernsehen sehe ich teilweise fürchterliche Sachen, die mit der Realität des Strafvollzugs nichts zu tun haben“, sagt der JVA-Leiter. Daher sei es ein Anliegen für ihn gewesen, kein falsches Bild zu zeigen.
Julius Wandelt hoffe nun auch, dass das ausgestrahlte Experiment zum Nachdenken anregen kann. Ein Erfolg sei es aber ohnehin, denn jeder Teilnehmer habe sich endlich mit den Wurzeln seiner kriminellen Karriere auseinandergesetzt.
Studiert Economics und Journalismus in Dortmund, schreibt über die Menschen und ihre Geschichten in Castrop-Rauxel, schätzt die Vielfalt und Mentalität im Ruhrgebiet. Arbeitet sich gerne in verschiedenste Themen ein und fühlt sich daher im Lokaljournalismus richtig aufgehoben.
