Franz-Josef Eckert im Interview: „Heute zeigen sich die Gemeindefusionen als Segen“

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Franz-Josef Eckert im Interview: „Heute zeigen sich die Gemeindefusionen als Segen“

rnPriester seit 50 Jahren

Priestermangel, Zölibat, Frauen-Priesteramt: Pastor Franz-Josef Eckert feiert 50-Jähriges. Er blickt auf Zukunft und Probleme der Kirche und sagt: „Es hängt vom Engagement der Menschen ab.“

von Michael Fritsch

Castrop-Rauxel

, 14.06.2019, 11:55 Uhr / Lesedauer: 4 min

Am Sonntag, 16. Juni, begeht der langjährige Pfarrer von St. Elisabeth Obercastrop und letzte Dechant des Altdekanates Castrop-Rauxel, Franz-Josef Eckert, sein Goldenes Priesterjubiläum. Der katholischen Kirche stehen nach seiner Einschätzung weitreichende Reformschritte bevor. „Beim Zölibat besteht Handlungsbedarf“, erklärt er in einem großen Interview aus Anlass seines Goldenen Priesterjubiläums (15. Juni 2019).

Herr Pastor Eckert, wie unterscheidet sich der Katholizismus Ihres Weihejahres 1969 von der Situation heute?

Das Leben entwickelt sich weiter, auch die Situation in der Kirche hat sich verändert. Für mich war damals wie heute die Nähe zu den Menschen das Wichtigste. Die Kirche darf die Menschen nicht im Stich lassen, auch nicht in größeren und damit immer anonymeren Gemeinden. Es gibt durchaus gute Ansätze, das zu schaffen. Zum Beispiel, dass ein Verwaltungsfachmann in die Gemeinden kommt und die Bürokratie übernimmt, damit der Priester frei für die Seelsorge ist.

Ihre Entscheidung, Priester zu werden, ist schon früh in Ihnen gekeimt. Haben die vergangenen 50 Jahre Sie bestätigt?

Im Grunde schon. Ich habe es zu keinem Zeitpunkt bedauert, diesen Weg gegangen zu sein. Ich habe es immer gerne gemacht und bin auch heute noch glücklich in diesem Beruf. Heute eigentlich noch mehr, weil ich frei bin von der Verwaltung und von der Verantwortung für die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Gemeinden. Ich bin einfach da für die Menschen, die mich brauchen, die mich anrufen oder etwas wollen von mir.

Hätten Sie sich eine solche Situation früher auch schon gewünscht?

Man konnte das gar nicht so klar und deutlich trennen. Das ist vergleichbar mit einer Familie. Der Vater ist nicht nur für die Kinder da, sondern er muss auch für das Haus sorgen, dass es auf der Arbeit klappt, dass das Geld stimmt. So ähnlich habe ich früher meine Rolle auch gesehen, als Vater für die Gemeinde.

Zurück zur aktuellen Situation, Stichwort Maria 2.0: Man hat den Eindruck, dass in der Kirche ein Reformstau besteht wie zu Ihrer Weihezeit, als Papst Johannes XXIII. das Zweite Vatikanische Konzil einberufen hat.

Vor 50 Jahren herrschte große Aufbruchstimmung, Begeisterung und Hoffnung auf Veränderung. Ich glaube, man muss offen, ehrlich, aber auch sachlich über alles sprechen. Man darf keinem den Mund verbieten und sagen „Das Thema ist beendet“. Wir haben sehr viele Theologinnen und Theologen und gute Bischöfe, und die beraten heute offen und ehrlich über viele Dinge. Aber es braucht noch Zeit.

In der Antike bis in die Moderne gab es häufig Druck von Außen auf die katholische Kirche. Aktuell wird der Druck von innen stärker. Es sind gestandene Frauen mit katholischer Biografie, die nicht mehr bereit sind, die Zustände hinzunehmen. Halten Sie die Forderungen nach Zulassung zu allen Ämtern für berechtigt?

Ich kann die Frauen verstehen, man muss über ihre Forderungen offen und ehrlich diskutieren. Ob der Aufruf zum Gottesdienststreik der richtige ist, weiß ich nicht, schließlich ist die Eucharistie Quelle und Mitte unseres christlichen Lebens. Gleichwohl warne ich vor einem Redeverbot. Das wäre das Ende, denn dann fühlten sich die Frauen richtig frustriert und wendeten sich wahrscheinlich ab.

Wäre denn am Ende der Debatte das Weiheamt für Frauen für sie denkbar?

Daran glaube ich nicht, aber wer weiß, was in 100 Jahren sein wird? Macht in der Kirche ist nicht zwangsläufig mit der Weihe verbunden. In der Geschichte war das anders. Früher hatten Äbtissinnen die Jurisdiktion über ganze Gebiete und haben Pfarrer eingesetzt. Es sind verschiedene Wege denkbar, fest steht jedoch, dass Frauen stärker beteiligt werden müssen und nicht nur nicken und dienen dürfen. Derzeit wird untersucht, welche Qualität und welchen Wert die Entscheidung von Papst Johannes Paul II. hat, das Priesteramt für Frauen endgültig auszuschließen.

In dem Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“ vom 22. Mai 1994 hatte Papst Johannes Paul II. wörtlich formuliert: „Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken, dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.“

Wie stehen Sie persönlich dazu?
Ich habe das nicht zu entscheiden, aber vorstellen kann man sich vieles. Man hätte sich auch in der evangelischen Kirche nicht vorstellen können, dass Frauen Pastorinnen werden. Heute ist es selbstverständlich.

Eng verwandt mit diesem Thema ist der Zölibat. Auch dazu gibt es selbst in der Bischofskonferenz relativierende Äußerungen. Wie stehen Sie dazu?

Es besteht Handlungsbedarf. Die im Oktober bevorstehende Synode in Lateinamerika wird das diskutieren. Dort ist der Priestermangel noch gravierender als bei uns. Können wir die Christen ohne Eucharistie im Stich lassen, nur um den Zölibat zu erhalten? Ich glaube, man wird keine Lösung für die gesamte Kirche finden, sondern man wird unterschiedliche Wege gehen in Lateinamerika, Europa und Afrika.

Eine Studie zur demografischen Entwicklung sagt eine Halbierung der Mitglieder der Kirchen in Deutschland bis 2060 voraus. Sehen Sie mit dem Schwinden kirchlichen Einflusses Gefahren für die Gesellschaft?
Ja. Wir sind immer noch das christliche Abendland. Der Glaube schwindet jedoch und wir sind zu materialistisch geworden. Immer mehr Menschen glauben, dass sie keinen Gott brauchen. Wir haben Versicherungen für alle Fälle. Warum dann Gott und Religion?
Aber das kann sich ändern. Solche Phasen hat es immer in der Geschichte gegeben. Vergleichbar mit dem Mond. Er nimmt mal zu und mal ab. Ich glaube, wir sind nicht auf verlorenem Posten. Überzeugen tut einzig und allein das Leben der Christen, nicht die Dogmen, nicht die theologische Auseinandersetzung.

Sie haben 35 Ihrer 50 Priesterjahre als Pfarrer in Obercastrop verbracht...

Es war nicht nur die längste, sondern auch die schönste Zeit. Und sie ist vergangen wie an einem Tag. An die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, vor allem die Ferienfreizeiten, habe ich die besten Erinnerungen. Die Mitarbeit im Pfarrgemeinderat war gut, das Engagement der Lektoren und Kommunionhelfer, es war alles sehr erbaulich und ich war zu keiner Zeit frustriert oder enttäuscht. Dasselbe gilt für die baulichen Maßnahmen: Kirche, Pfarrhaus, Gemeindehaus, Kindergarten. Die Gemeinde hat mitgezogen, dass wir am Ende schuldenfrei dastanden.

Pfarrer Eckhardt feiert sein Goldenes Priesterjubiläum am Sonntag, 16. Juni, 11 Uhr, im Rahmen eines Festhochamtes in seiner langjährigen Pfarrkirche St. Elisabeth Obercastrop. Hauptzelebrant ist Dechant Norbert-Johannes Walter. Anschließend findet in und am Gemeindehaus eine offene Begegnung statt. Die Kollekte des Festgottesdienstes kommt pastoralen Projekten in den beiden Gemeinden St. Elisabeth und St. Marien zugute.

In Ihrer Dechantenzeit sind die neuen Strukturen grundgelegt worden, die Bildung von Pastoralverbünden, aus denen im Norden die Gesamtpfarrei Corpus Christi entstanden ist.

Wir wurden kritisiert, dass wir viel zu große Gebilde geschaffen hatten. Heute zeigt sich dieser Schritt als Segen. Die zwei Einheiten sind noch nicht zu groß, dass die Nähe zu den Menschen noch da ist.
Die Kirchen sind nicht weit voneinander entfernt. Die Trennung in Nord und Süd war richtig, eine Pfarrei für die gesamte Stadt nicht vorstellbar. Ich hoffe, wir werden im Süden auch eine gute Großpfarrei sein. Die bestehenden Gemeinden als Orte des Glaubens und Lebens sollten weiterbestehen. Das hängt aber vom Engagement der Menschen ab.