Deutschlandweit sorgte Dr. Mirsad Freiberg für Aufsehen. Er schrieb Schlagzeilen als Turbo-Student, kurz darauf als Turbo-Doktor. Im Alter von 41 Jahren promovierte er 2009 an der Universität Jena. Der Titel seiner Dissertation: „Die Vereinigten Staaten von Amerika und Montenegro im Balkankonflikt“. In nur zehn Monaten schaffte er damit das, wofür andere Jahre brauchen: Er wurde Doktor.
Ein Muster bei Freiberg; schon seine Diplomarbeit in den Sozialwissenschaften an der Ruhr Universität Bochum beendete er in drei Semestern statt in 12. Damals behauptete er, sein Geheimnis seien spezielle Lerntechniken und eine mentale Stärke, die der Shaolin-Meister aus der chinesischen Kampfkunst zöge.
Mehr als 700 Plagiate
Ein detailliertes Gutachten zu seiner Dissertation zeichnet nun ein anderes Bild vom ehemaligen Castrop-Rauxeler Immobilienmogul. Fast 400 Seiten umfasst die Untersuchung von Werner Schrittesser aus dem Team von Dr. Stefan Weber, dem wohl bekanntesten Plagiatsgutachter im deutschsprachigen Raum.
Schrittessers Befund: „Bis zu 60-mal wurden Textpassagen, nach Sätzen gerechnet, aus Wikipedia übernommen. In der Chronologie wurden ca. 700 Plagiatsfragmente unterschiedlicher Länge gefunden.“ Mirsad Freiberg habe massiv gegen die eidesstattliche Erklärung verstoßen. Darin versichern Verfasser einer wissenschaftlichen Arbeit unter anderem, jegliche Zitate und Textverweise kenntlich zu machen. Ein Verstoß ist in Deutschland strafbar.

Stefan Weber bezeichnet das Gutachten als „großen deutschen Testfall“. „Es ist das umfangreichste Gutachten, das in der Geschichte des Teams Weber entstanden ist“, so der österreichische Plagiatsgutachter. Und das will was heißen. Er ließ unter anderem Außenministerin Annalena Baerbock und den österreichischen Bahn-Chef Matthä auffliegen.
Bei beiden hatte die Affäre um abgekupferte Passagen in ihren Werken erhebliche Auswirkungen auf ihre Arbeit und ihr öffentliches Image. Das könnte nun auch Mirsad Freiberg blühen. Ohnehin sind viele Castrop-Rauxeler schlecht auf ihn zu sprechen, nachdem er das Dehner-Gelände an der Siemensstraße gekauft hatte, sich aber all seine Versprechen für die Nutzung in Luft auflösten.
So reagieren die Universitäten
Vor rund 15 Jahren wurde der Castrop-Rauxeler noch als der „Turbo-Student“ gefeiert. Die Ruhr Universität Bochum war von ihrem Absolventen sogar so begeistert, dass sie damals ein Projekt plante, um seine Lernmethoden zu erforschen. Das Projekt sei aber nie umgesetzt worden, heißt es auf Anfrage der Redaktion von der Pressestelle der Bochumer Universität

Dort wisse man seit Anfang August von einem Plagiatsverdacht gegen Freiberg. Sollte sich dieser bestätigen, müsse man sich die Frage stellen, ob er in seinem ebenfalls extrem schnellen Diplomstudium in Bochum überhaupt sauber gearbeitet habe. „Daher hat die Fakultät für Sozialwissenschaft im August umgehend eine interne Untersuchung eingeleitet und zu den Betreuern der Diplomarbeit Kontakt aufgenommen. Die Fakultät bedauert, dass aufgrund gesetzlicher Fristen die von Herrn Freiberg verfasste Diplomarbeit nicht mehr archiviert ist“, so Pressereferent Jens Wylkop. Als Freiberg 2008 nach seinem Diplom seine Doktorarbeit anfangen wollte, hätten alle fachlich in Betracht kommende Hochschullehrende der Fakultät die Betreuung seiner Doktorarbeit abgelehnt.

Geschrieben hat der Castrop-Rauxeler die Dissertation schließlich an der Universität Jena. Dort sei das Gutachten am 11. September eingegangen, so Pressesprecherin Katja Bär auf Anfrage der Redaktion. „Der Plagiatsvorwurf begründet die Einleitung eines akademischen Verfahrens“, heißt es weiter. Am Ende des Verfahrens könnte Freiberg seinen Doktor-Titel verlieren. Die Entscheidung darüber liegt beim Fakultätsrat, der Freiberg zuvor befragen muss.
Mirsad Freiberg bleibt cool
Und der Beschuldigte selbst? Der wirkt am Telefon wenig überrascht, als wir ihn konfrontieren. Er meint zu wissen, wer das Gutachten in Auftrag gegeben und an die Redaktion geleitet hat. Ehemalige Kollegen würden dahinterstecken, mit ihnen führe er schon seit zwei Jahren eine private Fehde. „Sie wollen mir auf jede erdenkliche Art schaden“; ist er sich sicher. Es ginge dabei um mehrere laufende Gerichtsverfahren wegen verschiedener Immobiliengeschäfte in Castrop-Rauxel aus seiner Zeit als Geschäftsführer vom Immowest und um den Kauf des Dehner-Geländes.
„Diese Leute haben nichts zu tun und sind so vergiftet. Die waren nur auf der Hauptschule und haben keine Ahnung vom wissenschaftlichen Schreiben. Sie sind neidisch, dass bei mir alles so gut gelaufen ist“, glaubt er. Dass das Gutachten beweist, dass ganze Passagen aus Wikipedia übernommen wurden, beeindruckt ihn nicht. Er versichert: „Da ist alles absolut zu 10.000 Prozent in Ordnung. Das wird sich im Laufe der Zeit klären.“ Ihn freut sogar, dass die Universität Jena seinen Fall prüft. Dabei könne ja nur herauskommen, dass an seiner Arbeit alles korrekt sei.
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