Frau (82) wäre fast Opfer von Stromanbieter-Betrug geworden So lief die Masche in Castrop-Rauxel

Henrichenburgerin (82) wäre fast Opfer von Stromanbieter-Betrug geworden
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Ihr Sohn Martin beschäftigt sich beruflich mit dem Wirtschaftsbetrug. Darum wendete er sich an unsere Redaktion. Er ist sensibilisiert für Betrügereien größerer Art. Aber es kommt ja auch im Kleinen immer wieder vor. Seine Mutter (82) aus Henrichenburg wäre jetzt möglicherweise fast Opfer eines Betrugs geworden. Es ging um ihren Stromvertrag. Ein mutmaßlicher Betrüger saß schon auf ihrem Sofa.

Die rüstige Castrop-Rauxelerin schildert den Vorfall so: Es schellte jemand. Ein Mann mit Laptop im Täschchen stand vor der Tür, vernünftig gekleidet, aber auch nicht hochgestochen wie ein Geschäftsmann. Er komme wegen des Stromverbrauchs und wolle ihr helfen, das ganze zu verbessern. So weit, so interessant. Sie fragte ihn, ob er den Zähler ablesen müsse. Nein, das wolle er nicht. Er wolle ihr ein Angebot unterbreiten, das sie kaum ablehnen könne: 40 Prozent billiger sei der Strom inzwischen. Sie könne sparen.

„Meine Söhne wechseln bei mir immer mal wieder den Stromanbieter zum aktuell günstigsten“, erzählt uns die Frau. Darum war sie skeptisch, ob sie das brauche, aber ließ den Mann doch ein. Er nahm ihr gegenüber auf dem Sofa im Wohnzimmer Platz und bat darum, ihren aktuellen Vertrag einsehen zu dürfen.

„Ich habe ihm gesagt, dass immer so komische Menschen kommen, die mir irgendetwas anbieten wollen“, so die Henrichenburgerin. „Bin ich auch komisch?“, habe er zurückgefragt. „Das weiß ich noch nicht“, sei ihre Antwort gewesen. Doch sie ließ sich ein wenig um den Finger wickeln: „Ich habe ihm den Vertrag gezeigt. Damit könnte er aber nichts anfangen. Er meinte, der sei abgelaufen. Ob ich denn keine Kontoauszüge hätte...“

Frau rief die Polizei an

Da sei ihr ein Licht aufgegangen. „Ich habe einfach meinen Sohn angerufen und dem Herrn das Telefon gereicht“, erzählt die Frau. Der Mann habe noch gesagt: „Ach nein, das brauchen wir nicht.“ Aber letztlich habe ihr Sohn Holger dann gesagt: „Danke, das mit den Stromanbietern regeln wir selbst.“ Daraufhin sei der Mann freiwillig gegangen. Er klingelte allerdings wohl wenig später beim Nachbarhaus, sah sie noch durch das große Wohnzimmerfenster.

Die beunruhigte Henrichenburgerin rief sofort den Bezirksbeamten Christian Scharf von der Polizei an. „Unseren Dorfsheriff“, sagt sie. „Der empfahl, sofort die 110 zu wählen.“ Gegenüber der Polizei habe sie den Mann beschrieben. „Und ich sage ehrlich: Ich hatte Angst, dass er mein Konto abräumt.“ 1,75 Meter groß, schlank, dunkelhaarig, graues T-Shirt, total höflich, baute sofort Vertrauen auf, etwa Ende 30.

Das waren nur fünf Minuten, die letztlich glimpflich abliefen. Aber sie könnten eine Masche gewesen sein, die bundesweit bekannt ist und vor der Polizei und Verbraucherzentralen warnen. Vermeintliche freie Energieberater schließen mit ahnungslosen Bürgern Haustürgeschäfte ab, indem sie ihre Daten abfragen: Zählernummern, Vertragsnummern und Kontoverbindungen können das sein. Auf einem Tablet oder Smartphone lassen sie sich vermeintlich unterschreiben, dass das Beratungsgespräch stattgefunden hat. Schon haben sie eine digitale Unterschrift, die sie problemlos vervielfältigen können.

Mit den Daten und der Unterschrift kündigen sie Lieferverträge des Verbrauchers und schließen neue Verträge mit anderen Anbietern ab. Der Kunde merkt es erst mit dem nächsten Abrechnungs-Turnus. Dann kommt es oft zu starken Kostensteigerungen, während der vermeintliche Berater längst eine Provision eingestrichen hat. Für Verbraucher ist es dann schwer, nachzuweisen, dass sie dem Deal eigentlich gar nicht zugestimmt haben. Ihre Unterschrift beweist vermeintlich das Gegenteil. Möglicherweise kommen die Kunden auch in ihren alten Energievertrag nicht mehr zurück.

Bekannte verlor 30.000 Euro

Die 82-Jährige ist erleichtert. Aber: Vor einigen Jahren, sagt sie noch am Ende unseres Gesprächs, sei eine Bekannte aus dem Ort durch einen Betrugsfall um 30.000 Euro gebracht worden.

Polizei und Verbraucherzentralen raten:

  • Lassen Sie unaufgefordert kommende „Vertreter“ oder „Verkäufer“ nicht in Ihre Wohnung.
  • Kaufen oder unterschreiben Sie nichts an der Haustür und unter Zeitdruck, lassen Sie sich nicht verwirren oder unter Druck setzen. Unterschriften sind nie „reine Formsache“.
  • Bitten Sie Nachbarn oder Bekannte als Zeugen dazu.
  • Achten Sie bei Haustürgeschäften auf das richtige Datum und die Unterschriften.
  • Fordern Sie eine Vertragsdurchschrift, auf der Name und Anschrift des Vertragspartners deutlich lesbar sind.
  • Wenn Sie es sich anders überlegen und von einem Geschäft zurücktreten möchten, dann schicken Sie einen schriftlichen Widerruf (Einschreiben mit Rückschein!) innerhalb von 14 Tagen an den Verkäufer.
  • Geben Sie niemals Ihre Zählernummer preis, wenn Sie nicht wirklich wechseln wollen. Für die Erstellung eines Angebots und andere Schritte benötigen Energieanbieter Ihre Zählernummer nicht.
  • Geben Sie niemals die Kontoverbindung preis.