Rund 80 Prozent der Menschen, die zurzeit in der Notunterkunft in Castrop-Rauxel untergebracht sind, kommen aus fünf Herkunftsländern. Zwar hat sich die Situation der Flucht in die Europäische Union in diesem Jahr wieder stark verschärft. Aber wenn man auf die Nationen schaut, aus denen die Menschen nach dem Asylrecht nach Deutschland flüchten, ist doch wenig anders als noch 2015: Syrien ist und bleibt das Herkunftsland Nummer 1.
Das belegen Zahlen aus der Notunterkunft Castrop-Rauxel, die die Bezirksregierung Münster jetzt auf Anfrage unserer Redaktion mit Stand 23.8.2023 herausgab. Die Daten zeigen auch, dass allein 130 Kinder am Berichtstag in der Zeltstadt mit insgesamt 1020 Betten untergebracht waren. Sie war zu dem Zeitpunkt mit 916 Personen zu rund 90 Prozent belegt. So stark also wie in diesem Jahr noch nie.
Bei der Frage nach der Gesamtlage hilft auch eine Statistik des Bundes weiter: Bis einschließlich August wurden im Berichtsjahr 2023 204.461 Erstanträge auf Asyl vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entgegengenommen. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 115.402 Erstanträge. Das bedeutet eine Zunahme der Antragszahlen um 77,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Darunter „leiden“ auch die Unterkünfte: Während Städte und Gemeinden schon seit Monaten darauf hinweisen, dass sie kaum noch Kapazitäten haben, versucht das Land NRW, neue Notunterkünfte und zentrale Unterbringungseinrichtungen zu schaffen. Doch da stellen sich manche Städte quer, wie jüngste Beispiele aus der Region zeigten.

Und woher kommen die Menschen genau? Und wer sind die Geflüchteten? Drei Grafiken bezüglich der Notunterkunft Castrop-Rauxel geben genauere Aufschlüsse. In einer Grafik haben wir nur die sechs häufigsten der insgesamt 33 Herkunftsländer herausgegriffen. Hier wird deutlich, dass die Mehrzahl zwar Erwachsene sind, und da vor allem Männer. Aber immerhin mehr als zehn Prozent der Bewohner sind Kinder.
Wer die Gesamtliste der Herkunftsländer auswertet, erkennt: Syrien liegt vor Afghanistan und der Türkei. Während man von Syrien (Bürgerkrieg und Zerstörung / Unrechtsregime) und Afghanistan (Gewalt, Krieg und das Leben in ständiger Unsicherheit und Angst) seit Jahren nichts anderes kennt, wirkt die Türkei eher ungewöhnlich, deutlich vor Iran und Irak bei den Zahlen für Castrop-Rauxel. Das Leben in der Türkei sei für viele von Repression und Willkür geprägt. Das sagt Türkei-Expertin Ulrike Flader von der Universität Bremen. Die Demokratie dort existiere nur noch als Fassade, Menschen- und Freiheitsrechte seien extrem eingeschränkt.
Im ostafrikanischen Burundi gibt es seit Jahrzehnten schon gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den ethnischen Gruppen Hutu und Tutsi.
Die Castrop-Rauxeler Notunterkunft wurde 2022 neu errichtet und eröffnet. Sie hatte bei der Planung das Ziel, als Unterkunft für ukrainische Kriegsflüchtlinge zu dienen. Doch schon vor der Inbetriebnahme stellte sich heraus, dass es für diese Menschen, die unter den 2022 nach Deutschland geflüchteten Menschen den Hauptanteil ausmachte, keine Großunterkünfte brauchte. Die überwiegend Frauen mit Kindern kamen weithin in Wohnungen oder bei aufnehmenden Familien unter.
„Die Umstellung auf eine Notunterkunft mit Mischbelegung verlangte eine Anpassung der Arbeitsabläufe und eine Erhöhung der Personalausstattung in der Verwaltung sowie bei den Dienstleistern“, sagt Ulrich Tückmantel, Sprecher der Bezirksregierung. Es sei eine große Herausforderung gewesen.
In der Notunterkunft arbeiten rund 25 Menschen im Sicherheitsdienst, rund 20 Personen im Betreuungsdienst und weitere Mitarbeiter in der Verpflegung und dem Reinigungsdienst. Es gibt ein kleines Freizeitangebot (Tischtennisplatte, Billardtisch, Kicker, Fernseher), Gymnastikangebote, Deutschkurse, ein Beachvolley- und -fußballfeld und eine Spielecke für Kinder.