Drei Irrtümer zur Schließung der Kreißsäle im Rochus Geburtsort im Ausweis darf kein Argument sein

Drei Irrtümer zur Schließung der Geburtsstation im Rochus
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Luca Füllgraf

Das Rochus-Hospital in Castrop-Rauxel schließt seine Geburtenstation. In Castrop-Rauxel werden bald nur noch in Ausnahmefällen Kinder geboren. Das ist schade, aber nicht der Weltuntergang, den darin gerade viele sehen. Das war zu diesem Zeitpunkt alternativlos, aber hätte möglicherweise trotzdem verhindert werden können. Drei Irrtümer zur Schließung der einzigen Kreißsäle der Stadt.

1. Es wurde alles versucht

Gleich nach Bekanntwerden des besiegelten Aus betonte die Führung der St. Lukas Gesellschaft vor allem zwei Dinge: die Entscheidung sei leider alternativlos und man habe über Jahre alles versucht, sie zu verhindern. Aber stimmt das wirklich? Seit den drei neuen Kreißsälen 2014 wurde kaum renoviert. Eine Hebamme sagt: „Ständig gab es Ausreden, warum nicht renoviert werden konnte. Schranktüren brechen teilweise aus den Angeln, und das ist nur ein Beispiel.“

So sank die Zahl der Geburten im Rochus über die Jahre kontinuierlich von knapp 1000 auf zuletzt rund 600. Potenzielle Eltern wanderten bereits vor der Schließung etwa nach Datteln ab. So wurde die Entscheidung dann tatsächlich zu diesem Zeitpunkt alternativlos und dürfte deshalb auch gegen jede noch so beliebte Petition Bestand haben. Weil Unterschriften eben keine Rechnungen bezahlen.

Da Geburtshilfe in Deutschland nicht ausreichend finanziert ist, können nun hohe Geburtenzahlen das kompensieren. Wäre die Geburtenzahl durch frühere Investitionen bei 1000 gehalten worden, ginge es wohl im Rochus weiter. Möglicherweise ist man bei der St. Lukas Gesellschaft nun auch gar nicht so traurig, dass man die Entscheidung gegen die ständige Querfinanzierung jetzt mit der Krankenhausreform begründen kann.

2. „Das ist der absolute Untergang“

Nein, das ist er nicht. Die Reaktionen auf die Schließung fielen heftig aus. Emotional. Ich bin kein Vater und werde nie Mutter werden – und möchte weder Eltern noch Hebammen oder Ärztinnen und Ärzten ihre positiven Erfahrungen absprechen.

Für die Schließung einer Geburtsstation zu argumentieren, ist mehr als undankbar. Obwohl man dabei emotional nur verlieren kann, will ich es trotzdem zumindest ein Stück weit probieren – mit einer sachlichen Perspektive. Denn hätte man die Geburtenstation nun nicht geschlossen, wäre es vielleicht dem gesamten Rochus an den Kragen gegangen. Das nicht zu riskieren, ist richtig.

Auch in Zukunft werden Eltern aus der Europastadt weiter Kinder bekommen, wenn auch in den vielen Nachbarstädten. Hebammen-Chefin Bianca Lindermann fürchtet zwar, dass die Behandlungen an anderen Standorten schlechter und weniger persönlich sein werden, aber Zahlen aus anderen Ländern zeigen auch, dass der Weg der Zentrierung der Krankenhausreform auch bei Geburten funktionieren kann. Die Wege sind zudem zumutbar: Innerhalb von 15 Kilometern sind mehrere Krankenhäuser vom Rochus aus erreichbar.

3. Der Geburtsort ist wichtig

Welcher Geburtsort im Ausweis steht, sollte kein Argument in der Diskussion über die Zukunft der Geburtenstation im Rochus sein. Das ist zumindest meine Meinung, aber da gibt es auch innerhalb unserer Redaktion andere Sichtweisen. Mir ist es schlicht egal, welchen Geburtsort jemand in seinem Pass stehen hat. Kann man sich ja eh nicht selbst aussuchen. Oder um es besonders schwülstig mit den Worten der Stadt zu sagen: „Castrop-Rauxeler ist man im Herzen.“ Oder sind etwa die vielen Menschen, die hier seit Jahren leben und sich hier engagieren, aber eben nicht hier geboren sind, weniger Castrop-Rauxeler?