Nach Herzstillstand und Koma: Svenja Zigard (29) kämpft um die Rückkehr ins Leben

© Kai Kassler

Nach Herzstillstand und Koma: Svenja Zigard (29) kämpft um die Rückkehr ins Leben

rnSchicksalsschlag

Svenja Zigard ist 29 Jahre alt, als ihr Herz plötzlich aufhört zu schlagen. Sie kämpft im Koma um ihr Leben, wacht auf und ist querschnittsgelähmt. Seitdem kämpft die junge Mutter weiter.

Castrop-Rauxel

, 24.12.2018, 05:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Es ist der 15. August 2018. Svenja Zigard (29) will im Garten die Holzhütte streichen. 2012 hatte sie mit ihrem Mann Nico (32) ein kleines Häuschen gekauft, es von da an nach ihren Wünschen umgebaut. Ein Traumhaus ist es geworden, im Garten soll es so weitergehen. Sie fühlt sich komisch, hat ein enges Gefühl im Hals, ein wenig Luftnot. Sie glaubt an eine allergische Reaktion.

Als ihr Mann von der Frühschicht kommt, holt er ihr ein Kühlpack. „Meine Arme tun so weh“, soll Svenja Zigard gesagt haben. Nico Zigard ruft den Krankenwagen. Noch immer glauben beide an eine allergische Reaktion.

Herzstillstand an der Anmeldung

Im Evangelischen Krankenhaus in Castrop angekommen, läuft sie selbst zur Anmeldung. Sie stellt sich vor und bricht zusammen. Herzstillstand. Ihr Mann Nico weiß noch nicht, was mit seiner Frau los ist. Er sieht nur Ärzte, Pfleger und Schwestern zu ihr eilen, die anderen Patienten werden weggeschickt. „Er hat mich zweimal angerufen, war beim zweiten Anruf total aufgelöst“, sagt seine Mutter Martina Dittrich.

Was dann folgt, sind Wochen voller Bangen und Hoffen - meist mehr Bangen als Hoffen. Die 29-Jährige wird reanimiert, 75 Minuten lang. Auch noch, als sie mit dem Rettungswagen in die Dortmunder Herzklinik verlegt wird, wird sie weiter reanimiert. Die Ärzte geben Svenja Zigard nicht auf.

Jetzt lesen

Die 29-Jährige fällt ins Koma. Niemand weiß, ob sie je wieder aufwachen wird und wenn, mit welchen gesundheitlichen Folgen. „Man hat uns zu verstehen gegeben, dass wir eher vom Schlimmsten ausgehen sollen“, sagt Martina Dittrich. Doch nicht nur die Ärzte kämpfen um Svenja Zigards Leben, auch sie selbst kämpft. Die junge Frau hat keine Vorerkrankungen, der Herzstillstand kam aus dem Nichts. Die Diagnose: Ein Riss am Herzkranzgefäß, der zu einem großen Hinterwandinfarkt geführt hat. „Warum das passiert ist, werden wir wohl nie erfahren“, sagt Martina Dittrich. „Das weiß nur der liebe Gott.“

Svenja Zigard sitzt im Rollstuhl, seit sie aus dem Koma erwacht ist. Den Alltag mit Söhnchen Luca (1) alleine bewältigen, kann sie momentan nicht.

Svenja Zigard sitzt im Rollstuhl, seit sie aus dem Koma erwacht ist. Den Alltag mit Söhnchen Luca (1) alleine bewältigen, kann sie momentan nicht. © Kai Kassler

Drei Tage nach dem Herzstillstand haben Svenja und Nico Hochzeitstag. Weitere zehn Tage später wird Söhnchen Luca ein Jahr alt. Der erste Geburtstag direkt ohne die Mama. „Wir haben lange überlegt, ob wir überhaupt feiern sollen. Svenja hatte schon alles dafür eingekauft“, sagt Cousine Nadine Kassler. Lucas Geburt war auch schon so ein Schicksalsschlag. Viel zu früh kommt der Kleine 2017 auf die Welt. Doch er ist genauso eine Kämpfernatur, wie die Mama.

Familie und Freunde besuchen Svenja Zigard jeden Tag im Krankenhaus. Es gibt morgens und abends Besuchszeiten. „Manchmal ging es ihr morgens gut und abends dachte man, sie übersteht die Nacht nicht, oder umgekehrt“, sagt Nadine Kassler. Zwei Aufwachphasen müssen die Ärzte abbrechen. Beim ersten Mal machen die Organe nicht mit, beim zweiten Mal hat Svenja Zigard eine schlimme Lungenentzündung. Dann gibt es den dritten Versuch. Die Ärzte ziehen ihr den Tubus, mit dem sie beatmet wird. Svenja Zigard wacht auf. „Fast einen Monat hat es gedauert, bis wir sagen konnten: Willkommen zurück im Leben Svenja“, so Martina Dittrich.

Spenden für den Rollstuhl-Lift

Freunde und Nachbarn haben ein Spendenkonto für Svenja Zigard eingerichtet: Sparkasse Vest Recklinghausen, IBAN DE 33426501501000159960, Empfänger Spendenkonto: Svenja Zigard, Verwendungszweck: Spende. Weitere Infos gibt es per E-Mail an kontakt@fuer-svenja.und-ihre-familie.de oder auf der Homepage www.fuer-svenja-und-ihre-familie.de

Im Krankenzimmer haben Freunde und Familie Fotos aufgestellt. Svenja Zigard erkennt ihre Liebsten. Sie muss ein paar Gedankengänge sortieren, einen Hirnschaden hat sie aber nicht. In den ersten Tagen kann sie ihre Arme nicht bewegen und nicht gut sprechen. Doch Gefühl in den Armen und Sprache kommen zurück. Dann fällt auf: Sie kann ihre Beine nicht bewegen. Die Ärzte glauben zunächst, das sei eine Folge des Komas und des langen Liegens. Etwa zwei Monate nach dem Herzstillstand ist klar: Sie ist querschnittsgelähmt. Ob sie jemals wieder laufen kann, weiß niemand.

Jetzt muss sie das Leben im Rollstuhl meistern lernen. Im Krankenhaus bekommt sie Krankengymnastik und Rollstuhltraining, damit sie so selbstbestimmt wie möglich leben kann. Sie gilt als austherapiert, wartet noch auf einen Reha-Platz. Nach Hause kommt sie momentan nur am Wochenende, denn das größte Problem, vor dem die kleine Familie steht: Ihr Haus muss dringend behindertengerecht umgebaut werden. Denn mit dem Rollstuhl hat Svenja Zigard keine Chance, vom Erdgeschoss in die erste Etage zu gelangen. „Wir brauchen dringend einen Treppenlift“, sagt Cousine Nadine Kassler.

Noch ist Svenja Zigard im Krankenhaus. Nur am Wochenende kommt sie zu Söhnchen Luca (1) und Mann Nico nach Hause.

Noch ist Svenja Zigard im Krankenhaus. Nur am Wochenende kommt sie zu Söhnchen Luca (1) und Mann Nico nach Hause. © Kai Kassler

Mit einem gängigen Modell ist es leider nicht getan. Ins erste Stockwerk führt noch eine enge Wendeltreppe. Es müsse ein schmaler Lift mit Plattform sein, auf den Svenja Zigard mit dem Rollstuhl rollen kann und nicht auf einen Sitz umsteigen muss. Denn der Rollstuhl muss schließlich mit die Etage wechseln. Etwa 26.000 Euro kostet solch ein Lift, gebrauchte Modelle seien schon für etwa 15.000 zu haben. „Aber alles was wir dazu wissen, haben wir uns auch nur ergoogelt“, sagt Nadine Kassler. Die Familie freue sich auch über Hilfe und Beratung von Fachfirmen oder Erfahrungsberichte von Kunden.

Doch mit dem Lift allein ist es nicht getan. Das Badezimmer im oberen Stockwerk muss an die Bedürfnisse einer Querschnittgelähmten angepasst werden. Niedrigeres Waschbecken, unter das auch ein Rollstuhl passt, behindertengerechte Badewanne oder Dusche und vor allem Platz, um sich mit dem Rolli zu drehen. Das geht in den vorhandenen Badezimmern aber nicht. Deswegen müssen Räume getauscht und ein komplett neues Badezimmer nur für Svenja Zigard eingerichtet werden. Irgendwann soll auch der Eingang barrierefrei werden. Priorität habe aber momentan der Lift. Denn nur so könne Svenja Zigard sich im Haus bewegen.

Papa Nico Zigard ist zurzeit von seinem Arbeitgeber, der Firma Geissler Wista GmbH in Witten, freigestellt. Er kann zurückkommen, wann immer er möchte - auch in Teilzeit. So kann er sich um Söhnchen Luca kümmern und alles für die Rückkehr seiner Frau vorbereiten. Denn alles, was Svenja Zigard gerade möchte, ist: endlich nach Hause kommen.