Michael Breilmann verteidigt Migrationsabstimmung „Es gibt zwischen Union und AfD keine Verabredung“

Michael Breilmann verteidigt Migrationsabstimmung
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Zum ersten Mal hat die CDU Stimmen der AfD in Kauf genommen, um eine Mehrheit im Bundestag zu bekommen. Es hagelt Kritik, sogar die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel geht auf Distanz zu Merz und dem Kurs ihrer Partei. Der Castrop-Rauxeler Bundestagsabgeordnete Michael Breilmann hat mit seiner Partei für den Antrag gestimmt. Im schriftlichen Interview nimmt er Stellung zu der Abstimmung von Mittwoch.

Im Podcast-Interview im Sommer 2023 haben Sie uns gesagt, man müsse die AfD isolieren. Wie passt das zu der Abstimmung am Mittwoch? Hat die CDU hier nicht bewusst die Zustimmung der AfD provoziert?

Wir haben keine Zustimmung der AfD zu unserem Antrag provoziert. Das zeigt sich schon daran, dass in unserem Antrag zum 5-Punkte-Plan eindeutig ausgeführt wird, dass die AfD-Probleme, Sorgen und Ängste der Menschen, die durch die massenhafte illegale Migration entstanden sind, nutzt, um Fremdenfeindlichkeit zu schüren und Verschwörungstheorien in Umlauf zu bringen. Deshalb ist diese Partei kein Partner, sondern unser politischer Gegner. Wir haben für unsere gestrigen Anträge nur bei der demokratischen Mitte im Bundestag geworben. Die FDP hat unserem 5-Punkte-Plan zugestimmt, SPD und Grüne hatten nicht die Kraft und nicht den Willen, die notwendigen Beschlüsse mitzutragen. Es gibt keine Zusammenarbeit der CDU/CSU mit der AfD. Wer die illegale Migration begrenzt, entzieht der AfD ihre politische Arbeitsgrundlage und isoliert sie. Deswegen haben wir unsere Anträge gestellt.

Michael Breilmann (l) hat sich im Podcast-Interview im Sommer 2023 stark gegen die Zusammenarbeit mit der AfD ausgesprochen.
Michael Breilmann (l) hat sich im Podcast-Interview im Sommer 2023 stark gegen die Zusammenarbeit mit der AfD ausgesprochen. © Julia Segantini

Im gleichen Interview haben Sie betont, dass es wichtig sei, gemeinsam zu arbeiten, um der AfD den Nährboden zu entziehen. Wieso reicht die CDU dann einen Antrag ein im vollen Wissen darum, dass sie nur mit der AfD eine Mehrheit bekommen kann? Warum wurde nicht versucht, ein Kompromiss mit SPD und Grünen zu finden? Wäre das nicht genau die Zusammenarbeit, die Sie sich gewünscht haben?

Wir suchen auch weiterhin eine Mehrheit in der demokratischen Mitte des Bundestages. SPD und Grüne müssen entscheiden, ob sie unseren Vorschlägen zustimmen. Wir sind und waren selbstverständlich zu Gesprächen bereit, auch nach 3 Jahren sehr unzureichender Entscheidungen der Ampel in der Migrationspolitik. Ich habe heute mit einer klaren Abgrenzung von der AfD in der Bundestagsdebatte zu AfD-Anträgen nochmals an SPD und Grüne appelliert, jetzt endlich Maßnahmen in der Innen- und Sicherheitspolitik gemeinsam umzusetzen. Es müssen jetzt konkrete, weitere Entscheidungen getroffen werden.

Sie haben betont, dass Sie im Sommer 2023 für Ihre klare Positionierung gegen die AfD viel Zustimmung von den CDU-Mitgliedern in Castrop-Rauxel erhalten haben. Hat sich daran etwas geändert? Wie stehen die Mitglieder in Castrop-Rauxel zu der gemeinsamen Abstimmung von AfD und CDU am Mittwoch?

Ich habe in den letzten Tagen Zustimmung der Mitglieder und auch von Bürgerinnen und Bürgern zu den eingebrachten Anträgen erhalten. An meiner Haltung zu einer Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der AfD hat sich auch nichts geändert. Ich hätte mir gewünscht, dass SPD und Grüne gestern unseren Anträgen zugestimmt hätten und es eine Mehrheit aus der demokratischen Mitte herausgegeben hätte. Die Ampelkoalition hat in den letzten Jahren Beschlüsse im Bundestag auch mit Stimmen der AfD gefasst. Auch im Landtag hat die SPD aus der Opposition heraus Anträge gestellt, die die Stimmen der AfD bekommen haben. Deswegen werfe ich der SPD aber doch keine Zusammenarbeit mit der AfD vor.

Ich erinnere an ein Interview mit der „Thüringer Allgemeinen“ von Bundeskanzler Olaf Scholz zum Umgang mit der AfD, in dem er betonte, dass niemand sich davon abhängig machen sollte, wie die AfD abstimmt. Da hat er Recht.

Mit der derzeitigen Debatte versuchen SPD und Grüne, der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag faktisch das Recht zu entziehen, Vorschläge zu machen, die nicht vorher eine Mehrheit mit Rot-Grün haben, oder wo nicht die AfD sich vorher klar ablehnend dazu verhalten hat. Den Gefallen, dann keine richtigen und wichtigen Anträge als CDU/CSU zu stellen, dürfen wir der AfD nicht tun.

Von vielen Seiten gibt es am Tag nach der Abstimmung Kritik an der CDU. Es entsteht der Eindruck, es handele sich nur um Wahlkampfgetöse. Was sagen Sie zu dem Vorwurf?

Sie werden sicher auch mitbekommen haben, dass es eine große Zustimmung zu unseren Anträgen in der Bevölkerung und auch von Kommentatoren in der Presse gibt. Die im Fünf-Punkte-Paket enthaltene Forderung nach ausnahmsloser Zurückweisung von Asylsuchenden ohne gültige Einreisedokumente an der Grenze beispielsweise wird von einer Mehrheit der Befragten (63 Prozent) nach einer aktuellen Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen unterstützt. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von mir und fordern dies auch in Gesprächen, dass wir Probleme im Bereich Migration lösen. Wir müssen irreguläre Migration beenden. Das schließt auch in Zukunft ein, Menschen, die vor Krieg und Vertreibung fliehen, zu helfen, aber wir müssen das auch können.

Wir sind es den Menschen in unserem Land und nicht zuletzt den Opfern der Gewalttaten der letzten Monate einfach schuldig, jetzt wirklich jeden Versuch zu unternehmen, die illegale Migration zu begrenzen. Diese Anträge wären auch eingebracht worden, wenn keine Neuwahlen anstehen würden

Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender, nach der Abstimmung. Die Union hat ihren Antrag zur Migration mit Hilfe der AfD durchgesetzt.
Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender, nach der Abstimmung. Die Union hat ihren Antrag zur Migration mit Hilfe der AfD durchgesetzt. © Kay Nietfeld/dpa

Sie schreiben in Ihrem Statement: „Wir treiben eine inhaltliche Politik zum Zurückdrängen der AfD durch das Lösen von Problemen voran.“ Die CDU rechtfertigt Ihre mit dem europäischen Recht nicht zu vereinbarenden Forderungen mit einer Notlage in Deutschland. Experten gehen nicht davon aus, dass die Pläne vor dem EuGH halten würden. Warum wirbt die CDU mit Forderungen, die nicht umgesetzt werden können? Ist das nicht das Gegenteil von dem, was Sie fordern?

Unser wichtigster Vorschlag besteht darin, Grenzkontrollen dauerhaft durchzuführen und Zurückweisungen zu ermöglichen. Das ist ein Vorschlag, der schon nach einfachem europäischen Recht zulässig ist. Dänemark, Schweden, die Niederlande, viele andere Länder in der Europäischen Union machen das derzeit nicht anders. Wir brauchen Zurückweisungen. Genau das steht auch im Grundgesetz. Artikel 16 Absatz 2 besagt: Wer aus einem EU-Staat oder einem anderen sicheren Staat nach Deutschland einreisen will, hat kein Anrecht auf Asyl.

Auch der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier hat schon seit geraumer Zeit die Ansicht vertreten, dass solche Zurückweisungen an den deutschen Binnengrenzen ohne weiteres zulässig sind. Er vertritt sogar die Auffassung, dass die Anwendung des Artikels 72 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union hierbei nicht nur möglich, sondern sogar geboten ist.

Wird die CDU in Zukunft weitere politische Vorhaben mit der AfD umsetzen? Handelt es sich dann nicht irgendwann um eine de-facto-Koalition von CDU und AfD, wenn die CDU immer wieder die Zustimmung der AfD wissentlich in Kauf nimmt?

Eine Koalition oder auch nur eine von Ihnen angeführte de-facto Koalition mit der AfD und CDU/CSU gab es nie und wird es auch nie geben. Es gibt zwischen Union und AfD keine Verabredung, keine Vereinbarungen, keine Gespräche, und dabei bleibt es. Wir müssen als Demokraten jetzt in dieser Bundestagswahl dafür werben, dass die Menschen demokratische Parteien und gerade nicht die AfD wählen. Dann muss es uns gelingen, eine stabile Koalition im Bundestag zu bilden, natürlich ohne die AfD, Linke oder das BSW.

Steht Ihrer Meinung nach die Brandmauer noch?

Diese „Brandmauer“ wird derzeit noch stärker parteipolitisch diskutiert. Ich bleibe dabei, eine Zusammenarbeit mit der AfD wird es nicht geben. Alle demokratischen Parteien müssen jetzt gemeinsam eine konstruktive, lösungsorientierte Politik zum Zurückdrängen der AfD durch ein Lösen von Problemen durchführen. Darum geht es.

Könnten Sie sich vorstellen, in einem neu gewählten Stadtrat in Castrop-Rauxel Vorhaben zusammen mit den Stimmen der AfD umzusetzen?

Wir sollten vielmehr alle Kraft darauf verwenden, dass die AfD erst gar nicht in den Rat einzieht. Mein Ziel ist es, den Einzug dieser Partei in den Rat zu verhindern. Mit dieser Partei werden wir nie, auch nicht auf kommunaler Ebene als CDU zusammenarbeiten. Mit Sicherheit.