Bei einer Abfahrt stand auf einmal eine „1“ auf seinem Tacho. „Ich habe eine Geschwindigkeit von 103 km/h erreicht. So schnell war ich noch nie auf dem Fahrrad unterwegs“, erzählt Christian Kühne, Chefarzt am Evangelischen Krankenhaus. „Ein Moment, der mich ein wenig schockierte, aber gleichzeitig meine Konzentration erhöhte.“ Der Castrop-Rauxeler war beim Ötztaler Radmarathon dabei. Jetzt erzählt er vom Regenrennen in den Alpen.
Auch wenn der Chirurg sein ehrgeiziges Ziel, in diesem Jahr unter neun Stunden zu bleiben, verfehlte: Seine Teilnahme am Ötztaler Radmarathon war wieder ein unvergessliches Erlebnis.
4231 Rennradfahrer hatten sich am Sonntag am Start in Sölden eingefunden, um den anspruchsvollsten Radmarathon in den Alpen zu absolvieren. Dabei geht es an einem Tag über vier Alpenpässe (Kühtaisattel, Brenner-, Jaufenpass und Timmelsjoch) nach Südtirol und wieder zurück. 5500 Höhenmeter meisterten die Teilnehmer. Die ersten vier Fahrer blieben unter sieben Stunden.

Regengüsse bei der Abfahrt
„Es herrschte wieder eine grandiose Stimmung in Sölden und auch an der Strecke“, erzählt Christian Kühne, der sich um 5.15 Uhr im Startbereich einfand. Um 6.30 Uhr ertönte dann der Startschuss. „1300 freiwillige Helfer sicherten die Straßen ab und versorgten uns Fahrer mit der nötigen Verpflegung“, berichtet der Mediziner.
Auch das Wetter spielte mit, zumindest bis zum Timmelsjoch: „Wir hatten großes Glück bis zur letzten Abfahrt. Da wollte ich nochmal richtig Zeit herausfahren. Leider schüttete es plötzlich wie aus Kübeln. Zudem ging die Temperatur von 30 Grad auf gefühlte 17 Grad drastisch herunter. Dann fährt man natürlich nur auf der Bremse, eine hohe Geschwindigkeit wäre lebensgefährlich.“
Im Ziel, sagt er, „war ich nur froh, nicht gestürzt zu sein“.
Gute Platzierung
Insgesamt zeigte sich der Chefarzt der Chirurgie im Evangelischen Krankenhaus Castrop-Rauxel mit seinem Abschneiden sehr zufrieden. Im Gesamtklassement belegte er unter 3868 Teilnehmern, die das Rennen beendeten, den 971. Platz. In seiner Altersklasse war Rang 147 unter 1002 Fahrern eine hervorragende Leistung.
Allerdings verfehlte der 55-Jährige sein persönliches Ziel, unter neun Stunden zu bleiben. „Immerhin bin ich eine Minute schneller gefahren als beim letzten Mal“, so Christian Kühne im Gespräch mit unserer Redaktion mit einem Lächeln. Um sofort wieder ernst zu werden: „Ich habe 17 Prozent mehr Leistung bringen müssen, um die gleiche Zeit zu erreichen.“
Kühne erklärt dazu: „Ich hatte vor sechs Wochen einen schweren Fahrradunfall, bei dem ich mein richtig gutes Rennrad zu Schrott gefahren habe. Daher musste ich auf mein Ersatzrad umsteigen, das deutlich schwerer und schlechter vom Set-up ist. Ich musste einfach mehr Watt treten, also körperlich mehr investieren.“
Der Arzt ist sich sicher, dass er die neun Stunden auf jeden Fall geschafft hätte, wenn er sein gewohntes Rad gehabt hätte. Sein Radhändler, ein erfahrener „Ötztaler“, habe ihm das bestätigt.
Ehefrau verfolgt das Rennen
Während des Rennens hielt sich Christian Kühne strikt an die Werte, die er für seine angepeilte Zeit geplant hatte. Auch seine Frau Inke sah ihren Ehemann auf einem guten Weg. Sie verfolgte das Rennen live auf ihrem Smartphone und war stets über den Verlauf und die Zwischenzeiten informiert.
Das geht tatsächlich: Jeder Teilnehmer ist per GPS live getrackt. Sensoren am Rad und an der Strecke ermitteln die jeweilige Zwischenzeit. Kühne verrät: „Auf diese Weise kann man ständig die Fahrzeit sehen und seine wahrscheinliche Ankunftszeit ermitteln.“ Seine Frau habe ihm immer Mut zugesprochen: „Du liegst super in der Zeit!“, habe sie gesagt. „Am Ende wunderten wir uns beide, dass es nicht ganz die angestrebte Zeit geworden ist.“

Abgesprungene Kette
Ein technisches Problem während der Fahrt wird ein weiterer Grund dafür sein, wie Kühne erläutert: „Mir ist die Kette abgesprungen und es dauerte einige Minuten, bis ich sie wieder aufs Rad gekriegt habe. Das kostet dich natürlich erheblich Zeit, vor allem wenn du in einer guten Gruppe fährst. Die musste ich leider fahren lassen.“
Trotzdem genoss der Castrop-Rauxeler auch in diesem Jahr wieder den Radmarathon und die überwältigende Atmosphäre: „Trotz der Konzentration während des Rennens konnte ich die wunderschöne Landschaft wahrnehmen. Und auch ein kurzer Plausch mit bekannten Weggefährten beim Anstieg war sehr angenehm.“
Für Christian Kühne steht fest: „Ich liebe den ‚Ötztaler‘ und werde im nächsten Jahr wieder dabei sein!“
