Mit Luftbildern durch 100 Jahre Castrop-Rauxel Spezielle Siedlung zwischen Fluss und Autobahn

Die Aapwiesen auf Luftbildern im Wandel der Zeit
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Wer auf das älteste Luftbild schaut, dass der Regionalverband Ruhr (RVR) in seiner Sammlung hat, sieht einen Flickenteppich von Feldern, Wäldern und vereinzelter Bebauung, dort wo sich heute Castrop-Rauxel erstreckt. Dabei lebten in der gerade neu gegründeten Stadt schon damals rund 53.000 Menschen. Die Industrialisierung hatte längst begonnen. Wo heute die Aapwiesen sind, war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aber nur freies Land.

Ickern gehörte bis 1926 zum Amt Mengede und wurde am 1. April 1926 mit neun anderen Gemeinden und der Stadt Castrop zur neuen Stadt Castrop-Rauxel. Henrichenburg gehörte damals noch nicht dazu. Bebauung in Ickern zeigt sich zu dieser Zeit vor allem südlich der Emscher.

Die Siedlung „Aapwiesen“ entstand erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Es wurde viel gebaut damals. Wohnraum war knapp. Meistens sind es Reihenhäuser, die Wohnflächen sind nicht sehr groß, aber es gibt Gärten. Es entstehen aber auch Mehrfamilienhäuser. Das Wohnen im Grünen war ein Ziel in dieser Alternative zum Geschosswohnungsbau. Das Gelände unweit der Emscher war als Sumpf bekannt. Das sollte sich später noch als problematisch herausstellen.

Die Emscher als Trennung: Südlich sieht man im Luftbild, datiert mit 1925 bis 1930, schon Wohnbebauung, im Norden beherrschen Felder und Wiesen das Bild.
Die Emscher als Trennung: Südlich sieht man im Luftbild, datiert mit 1925 bis 1930, schon Wohnbebauung, im Norden beherrschen Felder und Wiesen das Bild. © RVR

Die beiden frühesten Aufnahmen in der RVR-Sammlung sind von 1925 bis 1930 und von 1934 bis 1939 datiert. Sie zeigen für die spätere Aapwiesen-Siedlung noch keine großen Veränderungen: Felder und in der rechten Bildhälfte zu erkennen der Hof Heidbauer, einer der ältesten Höfe in der Bauernschaft Ickern. Einen Hofladen wie heute wird er damals noch nicht gehabt haben.

Die späteren Begrenzung der Siedlung ist allerdings im zweiten Bild zu sehen. Für die Autobahn A2 als wichtige Ost-West-Verbindung gab es schon Pläne in den 1920er-Jahren. Unter den Nationalsozialisten wurde sie dann ab 1934 gebaut. Ab 1938 lief der Verkehr auf der Reichsautobahn durch Castrop-Rauxel.

Zwischen 1934 und 1939 entstand diese Luftaufnahme. Die Autobahn ist hier schon zu sehen, im Süden der Emscher ist bereits ein Sportplatz markiert.
Zwischen 1934 und 1939 entstand diese Luftaufnahme. Die Autobahn ist hier schon zu sehen, im Süden der Emscher ist bereits ein Sportplatz markiert. © RVR

Die Aufnahme aus der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre zeigt weitere Entwicklungen. Südlich der Emscher ist ein Grüngebiet zu sehen. Und auch ein Sportplatz ist markiert. Hier steht heute noch die Glückauf-Kampfbahn, wenn auch nicht so, wie sie damals gebaut wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die zerbombte Anlage um 90 Grad gedreht. Grund war Platzmangel: Denn nebenan sollte das Parkbad Nord entstehen. 1963 wurde es eröffnet.

Zwischen 1957 und 1980 ist diese Luftaufnahme datiert. Es dürfte sich um einen späteren Zeitraum in dieser Zeitspanne handeln.
Zwischen 1957 und 1980 ist diese Luftaufnahme datiert. Es dürfte sich um einen späteren Zeitraum in dieser Zeitspanne handeln. © RVR

Erst auf der Luftaufnahme, die zwischen 1951 und 1980 entstand, ist die neue Siedlung zu sehen. Das Foto stammt offensichtlich aus der Entstehungszeit. Das Foto von 1957 bis 1980 dagegen wurde eher in der zweiten Hälfte dieser Zeitspanne gemacht. Hier kann man sehen, wie sich die Siedlung nach Westen und Osten ausbreitet.

Stettiner, Danziger, Breslauer, Trakehner, Insterburger oder Königsberger Straße – benannt wurden die Straßen der neuen Siedlung nach „deutschen Ostgebieten“, wie es in einer historischen Schrift aus den 1960er-Jahren zu lesen ist. Eigentümer waren die Klöckner-Werke AG, die die Häuser für ihre Mitarbeiter baute. Viele von ihnen arbeiteten in der Abteilung Bergbau Victor-Ickern.

Die Aufnahme entstand zwischen 1983 und 1990: Von Nordwesten rückt neue Bebauung näher an die Aapwiesen.
Die Aufnahme entstand zwischen 1983 und 1990: Von Nordwesten rückt neue Bebauung näher an die Aapwiesen. © RVR

Ein Sprung in die 80er- bis 90er-Jahre: Die Siedlung verändert sich nicht mehr groß in ihrer Struktur. Im Nordwesten schwindet die Freifläche, die Bebauung rückt näher mit Wienkensfeld und den dazugehörigen Stichstraßen an die Aapwiesen-Siedlung heran.

Ein ähnliches Bild auch in der Luftaufnahme aus den Jahren 1999 bis 2006. Im linken Teil des Bildes ist die neue Anlage des Kleingartenvereins Henrichenburg zu sehen. „Die bisher erhaltene, zusammenhängende Einheit der Siedlung mit ihren der Straße zugewandten Vorgärten, Fassaden- und Dachflächen-Gliederung ist der langen Zeit zu verdanken, in der Bauherr und Eigentümer identisch waren“, heißt es in einem Beitrag des LWL-Amtes für Landschafts- und Baukultur 2008.

Doch natürlich gehen mit der Zeit immer mehr Häuser in Privatbesitz über. Die Stadt reagiert darauf mit einem Bebauungsplan und einem Gestaltungshandbuch. Der einheitliche Charakter der Siedlung soll erhalten bleiben.

In Luftbildern ab 2015 fällt dann das rote Dach des Schulzentrums an der Waldenburger Straße auf. 1990 wurde die Janusz-Korczak-Gesamtschule am Rande der ehemaligen Zechensiedlung gegründet. Nach ihrer Schließung dauerte es nicht lange, bis feststand, dass Castrop-Rauxel eine zweite Gesamtschule braucht. Seit 2021 ist hier die Neue Gesamtschule Ickern zuhause.

Das Luftbild aus den Jahren 1999 bis 2006 zeigt, dass sich das Gesamtbild der Siedlung erhält.
Das Luftbild aus den Jahren 1999 bis 2006 zeigt, dass sich das Gesamtbild der Siedlung erhält. © RVR

Zwei Besonderheiten gibt es noch in Verbindung mit den Aapwiesen. Das eine ist die Lage am Rande der Emscher in einem Niederungsgebiet des Flusses und früher als Sumpf bekannt. Die Häuser wurden deshalb auf Pfählen begründet. Deshalb entwickelten sich dort wie auch in einer nahen Zechensiedlung (Sonnenschein) in Habinghorst Risse in den Häusern. Manche sind nicht mehr bewohnbar, andere wurden 2015/16 sogar abgerissen. An vielen sind die Spuren der geflickten Risse zu sehen.

Anfällig ist die Siedlung wegen der Lage auch bei extremen Wetter Das Grundwasser steht höher, es gibt keine natürlichen Sickerflächen. Deshalb laufen auch bei Unwettern schnell Keller voll.

Die Feuerwehr war noch aus einem anderen Grund in den Aapwiesen im Einsatz. Gleich dreimal gab es im vergangenen Jahr bei Bauarbeiten Bombenfunde. Der Kampfmittelräumdienst entschärfte sie jedes Mal, einige hundert Menschen mussten evakuiert werden.

Die neueste Aufnahme des RVR aus dem Jahr 2022 zeigt die Aapwiesen in einem Zustand der Trockenheit.
Die neueste Aufnahme des RVR aus dem Jahr 2022 zeigt die Aapwiesen in einem Zustand der Trockenheit. © RVR

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