„Wir werden angespuckt und beleidigt“ Marian (27) ist Lokführer aus Leidenschaft – darum streikt er

Lokführer Marian (27) streikt: „Wir werden angespuckt und beleidigt“
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Marian aus Castrop-Rauxel war schon beim vergangenen Bahn-Streik am 16. November 2023 zu Hause geblieben. „Eigentlich hätte ich heute Nachtschicht gehabt“, sagte der 27-jährige Lokführer zuletzt im Gespräch. Wie viele Bahnmitarbeiter in Deutschland hatte er von Mittwochabend (15. November), 22 Uhr bis zum frühen Abend des folgenden Tages gestreikt. Zu dem Ausstand aufgerufen hatte die „Gewerkschaft Deutscher Lokführer“, kurz GDL. Auch Marian ist dort Mitglied. Er findet den Streikt gut: „Die Arbeitsbedingungen müssen einfach besser werden.“ Auch vom 7. bis zum 8. Dezember wird nun wieder gestreikt.

Der Beruf des Lokführers sei nun einmal kein Nine-to-five-Job. „Da muss man eben auch mal nachts oder am Wochenende arbeiten“, sagt Marian. „Wir sind 24/7 unterwegs, die Eisenbahn steht nicht still.“ Das erschwere die Suche nach Nachwuchs. „Uns fehlen Leute, wir haben einen Riesen-Fachkräftemangel.“

In der aktuellen Situation auf dem Arbeitsmarkt schaue die „Nachwuchs-Generation“ aber sehr genau darauf, welchen Job sie machen wolle, wo die Bedingungen am besten seien. Marian selbst ist seit vier Jahren Lokführer. Er fordert: Es muss einfach mehr passieren, damit der Job wieder attraktiver wird.“

GDL fordert 35-Stunden-Woche

Um genau das zu erreichen, will die GDL in den aktuell laufenden Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn unter anderem durchsetzen, dass Bahnmitarbeiter den steuerfreien Inflationsausgleich von 3.000 Euro bekommen. Außerdem sollen die Löhne um mindestens 555 Euro steigen, Beschäftigte im Schichtdienst sollen bei vollem Lohnausgleich nur noch 35 statt wie bisher 38,5 Stunden pro Woche arbeiten müssen.

Letzteres lehnt die Deutsche Bahn komplett ab, ist aber ansonsten zu 11 Prozent Lohnsteigerung und 2.850 Euro Inflationsausgleich bereit. GDL-Chef Weselsky polarisierte bereits in der Vergangenheit mit seinem forschen und unnachgiebigen Vorgehen. Das findet GDL-Mitglied Marian aber gerade gut: „Er ist einfach ehrlich und redet frei heraus. Gerade hier im Ruhrpott kommen wir doch mit so einer rabiaten Art gut klar.“

Claus Weselsky spricht bei einer Pressekonferenz ins Mikrofon. Im Hintergrund ist ein Logo der „Gewerkschaft Deutscher Lokführer“, kurz GDL, zu sehen.
Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, hat schon oft in seinem Leben zum Streik aufgerufen. Dieses Bild zeigt den 64-Jährigen bei einer Pressekonferenz im Juni. © picture alliance/dpa

Er sei auch deshalb in die Gewerkschaft eingetreten, weil sich die GDL besonders deutlich für mehr Ruhezeiten zwischen den Schichtdiensten einsetze. „Wenn du im Schichtdienst ständig von Spät- oder Nacht- zu Frühschichten wechselst, macht dich das echt fertig“, sagt Marian. Die GDL fordert im aktuellen Tarifstreit, die Zulagen für Schichtarbeit um 25 Prozent zu erhöhen. „Das wäre mir persönlich viel wichtiger als zum Beispiel die Vier-Tage-Woche mit 35 Stunden. Es geht doch darum, was am Ende des Monats auf dem Konto ist“, findet Marian.

Beleidigungen an der Tagesordnung

Sein Grundgehalt liege, ohne Zulagen und Sonderzahlungen, derzeit bei etwa 3.200 Euro brutto. „Wer mehr Dienstjahre hat, verdient auch mehr. Das ist nach Erfahrungsstufen gestaffelt“, erklärt Marian. Lokführer wollte er übrigens schon immer werden: „Das ist mein Kindheitstraum.“ Was seine Kollegen und er mittlerweile erleben, sei aber nicht Teil dieses Traums gewesen.

„Manche Fahrgäste reagieren sehr aggressiv, zum Beispiel bei Verspätung. Da bekommen die Zugbegleiter noch viel mehr ab – bis dahin, dass sie bespuckt werden. Als Lokführer haben wir immerhin noch eine Tür dazwischen.“ Dennoch sei es auch für ihn die Regel, bepöbelt zu werden – etwa, wenn er an der Endstelle das Führerhaus verlässt oder auf offener Strecke aussteigen muss, um eine Weiche händisch umzustellen. „Ich werde im Dienst wirklich täglich beleidigt“, sagt der 27-Jährige.

„Das nimmt man definitiv mit nach Hause.“ Doch es gebe auch freundliche Begegnungen mit Fahrgästen. „Es gibt auf bestimmten Linien immer ein paar Stammgäste, die bringen einem dann schonmal ein paar Kekse mit“, sagt Marian. Das sorge dann dafür, dass er seinen Traumberuf wieder mit mehr Freude mache. „Es gibt ja auch die schönen Momente. Wenn ich im Winter im Schnee durchs Ruhrgebiet fahre – dann weiß ich wieder, warum ich das mache.“

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