
© Tobias Weckenbrock
Lkw-Lärm auf Gerther Straße: Anwohner kämpft gegen Pläne eines Betriebs
Bodenaufbereitungs-Unternehmen
Die Castrop-Rauxeler Politik will das nicht. Ein Anwohner der Gerther Straße erst recht nicht. Siedelt sich an der Stadtgrenze ein womöglich staubender und lärmerzeugender neuer Betrieb an?
„Seit 45 Jahren setze ich mich für die Umgehungsstraße ein“, sagt Wilhelm Austermühle. Der 78-Jährige erzählt, dass er damals nur an die Gerther Straße zog und ein altes Zechenhaus kaufte, weil er wusste: Die Straße wird bald nicht mehr verkehrswichtig sein. Sie ist es bis heute - und künftig kann sie es noch mehr werden. Bis zu 300 Lastwagen-Bewegungen am Tag könnte ein neuer Betrieb hervorrufen, der sich in Bochum-Gerthe, gleich hinter der Stadtgrenze, ansiedeln will. Es gibt inzwischen schon einige Gegner. Aber haben die eine Chance?
„Wenn man uns nun so eine Ansiedlung antut, dann kommt der Protest wieder hoch“, sagt Wilhelm Austermühle. Die Umgehungsstraße L654n hätte die von Wohnhäusern eng gesäumte Gerther Straße entlastet. Sie war in der Planung als Spange von Bochum-Gerthe an Merklinde, Frohlinde und Schwerin vorbei bis zur Autobahn A45 und A42 schon recht weit. Eine nie genutzte Brücke als Überführung über die Dortmunder Straße steht heute da wie eine Bausünde und ein Mahnmal der Verschwendung öffentlicher Gelder.

Höfe, Pferdeweiden, viel Natur, Kornbrennerei Büchter, aber auch große Hallen, Bagger, Gewerbe: An der Stadtgrenze zwischen Bochum und Castrop-Rauxel will sich ein Bodenaufbereiter auf dem ehemaligen Philippine-Gelände ansiedeln. Die Politik in Castrop-Rauxel will das gern verhindern. Aber hat sie darauf genug Einfluss? © Tobias Weckenbrock
Die Gerther Straße sei heute aufgrund ihrer geringen Breite mit den breiten Geh- und Radwegen auf beiden Straßenseiten und den Querungshilfen gar nicht für Schwerlastverkehr ausgelegt, sagt Austermühle. Das habe auch schon bei der Ansiedlung des Entsorgungsbetriebs Remondis ums Jahr 2008 gegolten. Immerhin habe Austermühle den 2010/11 aufgekommenen Antrag, bis zu 50 Lkw-Nachtfahrten (also zwischen 22 und 6 Uhr) unter anderem über die Gerther Straße zuzulassen, verhindern können.
Philippine-Fortzug „war eine Erleichterung“
Seit das Dämmstoff-Unternehmen Philippine vor ein paar Jahren sein Gelände verließ, ist in den Hallen am Bövinghauser Hellweg Platz. Das Verwaltungsgebäude steht noch – und: „Die Philippine-Laster sind weg“, sagt Anwohner Austermühle. „Das war eine Erleichterung, wir haben hier aufgeatmet.“ Und jetzt das...
Schlimm sei es vor allem morgens von 6 bis 8 Uhr und nachmittags ab 15 bis 15.30 Uhr. „Das staut sich dann zurück bis zur Lindenstraße“, so Austermühle. Schallschutzfenster zur Straße, ein Vorgarten, der etwas abfängt: Das hilft schon. Aber zur B235 hin rückten die Häuser näher an die Straße.

Wilhelm Austermühle schaut in Richtung Gerthe: Ein paar Hundert Meter von seinem Standpunkt aus will sich ein Bodenaufbereitungsunternehmen ansiedeln. Das könnte bis zu 300 Lastwagen mehr pro Tag bedeuten. © Tobias Weckenbrock
Das Problem in diesem Fall: Die Stadt Castrop-Rauxel und Politiker können nichts tun, es ist eine reine Bochumer Angelegenheit. Castrop-Rauxels Bauamtsleiter Philipp Röhnert informierte die Bauausschuss-Mitglieder lediglich über das Ansiedlungsinteresse und verwies auf Gutachten zu Lärm- und Staubentwicklung: In beiden Fragen beträfe das die Castrop-Rauxeler Anwohner.
„Teil des Ortsteils wäre unbewohnbar“
Die Politik hat trotzdem schon signalisiert, dass sie die Ansiedlung verhindern möchte. Nach dem klaren Auftrag an die Stadtverwaltung, die Bochumer Verwaltung auf die Bedenken aus Castrop-Rauxel hinzuweisen, äußern sich nun die Grünen und die SPD Merklinde: Bei der SPD klingeln die Alarmglocken, heißt es: „Schon jetzt ist die Gerther Straße völlig überlastet“, meint Ratsmitglied Uwe Manthey. „Der enorme Verkehr und die zu erwartende Staubentwicklung würde einen Teil des Ortsteils unbewohnbar machen. Das darf nicht passieren.“
Bert Wagener, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat, nun öffentlich in Richtung der Bochumer Politik: „Dort sollte das Vorhaben ‚mal eben so durchgewunken‘ werden. Die Bezirksvertretung in Bochum Nord ist aber nun sensibilisiert.“ Der Stadtteilverein „Wir sind Merklinde“ wolle sich auf seiner Versammlung am 30. Juni darüber austauschen. Vielleicht setzt er sich gegen die Ansiedlung ein.
Dann könnte er mit Wilhelm Austermühle zusammen kämpfen. Der hat schon Vereins-Erfahrung: Er war Schriftführer des „Vereins für konstruktive Bürgerkritik“. Den gibt es heute nicht mehr. Eine Umgehungsstraße auch nicht.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
