Noch im vergangenen Jahr sah es so aus, als müsste die Linke um den Einzug in den Bundestag bangen. Als sei die Gründung des BSW ein schwerer Schlag für die Partei. Am Sonntag jubelte sie über 9 Prozentpunkte und eine kleine Wiederauferstehung. Über den deutschlandweiten Aufschwung der Linken wurde schon viel geschrieben. Dr. Ulrich Häpke, Castrop-Rauxeler Parteimitglied, schrieb hingegen am bundesweiten Wahlprogramm mit. Fünf Punkte gehen auf seine Initiative zurück, sagt er.

Häpkes Ideens fürs Wahlprogramm
Wie das kam? Nachdem die Partei ihren Mitgliedern einen Entwurf des Programms vorgestellt hatte, konnten diese selbst noch weitere Vorschläge machen. Häpke ergriff die Chance. Gleich eine Handvoll seiner Ideen landete über den Kreisvorstand beim Bundesvorstand und der Antragskommission. Alle fünf wurden, wenn auch nicht in Häpkes Ausführlichkeit, übernommen. „Kein Betrieb ohne Betriebsrat“ etwa steht im Wahlprogramm der Linkspartei. Das sei genauso ein Vorschlag des Castrop-Rauxelers gewesen wie „ein einklagbares ökologisches Menschenrecht“. Danach soll jeder Mensch – und nicht wie bisher nur Naturschutzverbände – die Interessen der Natur vor Gericht vertreten können. In Südamerika funktioniere diese Idee bereits.
Weitere Punkte, die unter anderem auf Häpke zurückgehen, betreffen die Stärkung von Bürgerräten und die Idee, Immobilienunternehmen mit mehr als zehn Wohnungen dazu zu verpflichten, Mieterbeiräte einzurichten. „Deshalb ist es auch wirklich mein Wahlprogramm“, sagt der Castrop-Rauxeler. So eine Teilhabe habe es zuvor in der Partei nicht gegeben und gehe auch auf den neuen Parteivorsitzenden Jan van Aken zurück.
Ob er deshalb den großen Erfolg bei der Bundestagswahl hat kommen sehen? „Nö, damit habe ich auch nicht gerechnet“, sagt Häpke. Die letzten Umfragen seien zwar schon gut gewesen, aber das waren sie bei Bundestagswahl davor auch. Die 8,77 Prozent seien eine „angenehme Überraschung“. In Castrop-Rauxel schnitt man mit 6,9 Prozent ähnlich gut ab wie bereits 2013 und 2017. Damit war man fast so stark wie die Grünen und hatte doppelt so viele Stimmen wie die FDP.
Das BSW, das in der Europastadt nur mit der Zweitstimme gewählt werden konnte, kam auf 4,5 Prozent. Von dort war am Wahlabend beim Zusammentreffen im Parteibüro im ehemaligen Zechencasino auf Schwerin auf unsere Frage, ob Uli Häpke am Abend auch da gewesen sei, nur etwas hämisch zu hören: „Nein, der feiert wohl alleine.“
Mitgliederzuwachs in Castrop-Rauxel
„Das war auf jeden Fall ein Glücksfall“, sagt Häpke nun über die Abspaltung des BSW aus der Linkspartei. Vor rund einem Jahr stand er damit in Castrop-Rauxel ziemlich alleine dar: „Da bin ich wohl der Einzige, der letzte Mohikaner, der nicht mitgeht. Ich habe keine Lust auf eine Kreuzung zwischen SPD und AfD“, sagte er im Januar 2024.
Damals blieben in Castrop-Rauxel nur 20 linke Parteimitglieder, von denen die allermeisten nicht aktiv waren. „Jetzt treffen ständig neue Leute ein“, sagt Häpke spürbar erfreut. Die Mitgliederzahl sei auf 50 gestiegen. Besonders junge, aber auch einige ältere, Menschen seien eingetreten. Mit Blick auf die Kommunalwahlen im September sagt er: „Wir geben uns Mühe, dass dieser Schwung bis dahin hält.“ Dann soll es wieder eine Linken-Fraktion im Stadtrat geben.
Eine BSW-Fraktion übrigens auch, wie Detlef Seel am Wahlabend gegenüber unserer Redaktion sagte. Er ist eines von bisher zwei Mitgliedern des Bündnisses in Castrop-Rauxel, das bisher sehr restriktiv vorging bei der Aufnahme. Das werde sich ändern, sagte Seel am Wahlabend voraus.
Detlef Seel (BSW) am Wahlabend gegen 21 Uhr, als das Ergebnis noch nicht feststand, im Interview mit unserem Reporter: