
© Lydia Heuser
Ersatzteile und Fahrräder: „Gestern bestellt, morgen da, das ist nicht mehr“
Lieferengpass Fahrrad
Die Pandemie hat Lieferketten zusammenbrechen lassen. Ersatzteile für Fahrräder waren in den vergangenen zwei Jahren Mangelware. Wie sieht es nun aus? Wir haben in Castrop-Rauxel gefragt.
Im Hof an der Emscherstraße von Zweirad Anderl stehen Unmengen von Fahrrädern in Reihen aufgeteilt. Die eine Reihe besteht aus Rädern, die fertig sind, die die Besitzer nur noch abholen müssen. Dann gibt es eine Reihe mit Rädern, die auf ihre Inspektion warten und eine Reihe mit denen, die auf Ersatzteile warten. Ein leidiges Thema, das die gesamte Fahrradbranche seit der Corona-Pandemie im besonderen Maße betrifft.
Lockdowns in den asiatischen Ländern, wo viele Fahrräder produziert werden, oder auch die geschlossenen Häfen haben zu den starken Lieferschwierigkeiten geführt. Seit dem 24.2. gibt es eine neue Krise, die auch die Weltwirtschaft beeinflusst: der Krieg Russlands gegen die Ukraine. „Wir hoffen, dass der Krieg die Situation nicht verschärft“, sagt Gertrud Schmitz, Inhaberin von Fahrrad Schmitz. Bislang spüre man davon aber nichts.
Volker Anderl zeigt im Geschäft an der Emscherstraße auf seinen Computer-Bildschirm. Er hat die Bestellliste einer seiner Händler aufgerufen. Er scrollt und scrollt nach unten, die Tabelle mit Namen und Bestellungen für Fahrräder und Ersatzteile will einfach nicht enden. Ganz rechts die Bestelldaten, die bis 2020 zurückreichen.
Lieferengpass: Händler haben ihre eigenen Lehren gezogen
Die Händler in Castrop-Rauxel haben sich inzwischen so gut es geht mit der Situation arrangiert. „Unsere Lager sind zum Bersten gefüllt“, sagt Gertrud Schmitz. Dafür musste sie aber neue Händler suchen, ihr Portfolio an Fahrrad-Marken erweitern. Das, was sie jetzt noch an Lieferschwierigkeiten erlebe, nennt sie die „Nachwehen der Pandemie.“

Die Lager sind gut gefüllt: In diesem Regal liegen Kassetten für unterschiedliche Fahrräder und Einsatzgebiete. © Lydia Heuser
Auch Volker Anderl hat seine Lehren aus den Lieferengpässen gezogen. Er hat sein Geschäft quasi erweitert, nur um möglichst viele Ersatzteile unterzubringen. „Wir bemühen uns, alles einzulagern, was geht.“ In einem Raum lagern ausschließlich Reifenmäntel, in einem Regal Ritzelpakete, woanders Bremsen. Ketten hat er inzwischen als Meterware vorrätig. Seine Mitarbeiter haben dafür extra eine Art Spule gebaut, auf der die unterschiedlichen Ketten aufgedreht sind. „Das ist aus der Not geboren, aber eigentlich viel nachhaltiger als einzeln verpackte, fertig gelenkte Ketten“, sagt er.
Obwohl Anderl viele Teile auf Halde legt, manchmal kann auch er nicht sofort ein Fahrrad reparieren. Deshalb sagt er: „Die Problematik hat sich verschärft.“ Neulich habe er ein Schaltwerk für das Rad seines Sohnes bestellen wollen, Liefertermin: Ende 2024. „Gestern bestellt, morgen da, das ist nicht mehr.“
Manchmal rate er seinen Kunden dazu, auch selbst nach den nötigen Teilen zu suchen.
An der Radstation am Hauptbahnhof begegnet man den Lieferschwierigkeiten von Ersatzteilen auf andere Weise. „Wir schlachten alte Fahrräder aus“, sagt Anleiter Roland Randermann. „Die Leute sind manchmal ganz überrascht, was wir da noch herausholen.“ Teilweise gebe es für ältere Fahrräder auch gar nicht mehr die passenden Teile als Neuware.
Geboren und aufgewachsen im Bergischen Land, fürs Studium ins Rheinland gezogen und schließlich das Ruhrgebiet lieben gelernt. Meine ersten journalistischen Schritte ging ich beim Remscheider General-Anzeiger als junge Studentin. Meine Wahlheimat Ruhrgebiet habe ich als freie Mitarbeiterin der WAZ schätzen gelernt. Das Ruhrgebiet erkunde ich am liebsten mit dem Rennrad oder als Reporterin.
