Eine Hochzeit ist eins der größten Ereignisse im Leben eines Paares und soll voller Spaß, Spiel und Tanz mit vielen lieben Menschen gefeiert werden. Allerdings kommt es auf Hochzeitsfeiern nicht selten zu Momenten, in denen Gäste in einen seltsamen Wartezustand übergehen. Sie sitzen am zugewiesenen Tisch und fragen sich: Was sollen wir jetzt eigentlich machen? Was kommt als Nächstes?
Auf russischen Hochzeiten ist das jedoch sehr selten der Fall. Der Grund: Aus der georgischen Trinkkultur entwickelte sich der sogenannte Tamada, eine Art Zeremonienmeister, zu einem festen Bestandteil einer Hochzeit in vielen Ländern in Osteuropa oder Russland. Den modernen Tamada kann man vereinfacht als Hochzeitsmoderator beschreiben. Zum Beispiel über die Agentur Hochzeitsstern können Paare bundesweit einen Tamada für ihre Feier buchen: Unter den Künstlern ist Hochzeitsmoderatorin Lena Hrebtov aus Castrop-Rauxel.
Die 34-Jährige ist in Russland geboren und mit sechs Jahren nach Deutschland gekommen. „Wir wurden schon als Kind mit zu Hochzeiten genommen. Ich bin sozusagen mit dem Tamada aufgewachsen. Ich kenne es nicht anders“, erzählt Hrebtov. Schon immer hat sie gern organisiert und geplant, für Hochzeiten, Geburtstage oder Weihnachtsfeiern. „Ich war immer die, die irgendwelche Unterhaltungsprogramme gemacht hat.“
Als Hochzeitsmoderatorin führt sie durch die Hochzeitsfeier, sorgt für gute Laune und unterhält die Gäste. „Für diesen Job muss man schon eine Rampensau sein“, sagt Lena Hrebtov. „Ich bin keine, die sich immer in den Mittelpunkt drängen muss, aber ich habe kein Problem damit, wenn jemand sagt: Hier ist das Mikrofon, mach mal.“
Es muss menschlich passen
Hauptberuflich ist Hrebtov Kauffrau für Marketingkommunikation, doch das Thema Hochzeit fesselt sie. Vor vier Jahren machte sie eine Ausbildung als Hochzeitsplanerin. Eine Tamada zu sein, war jedoch immer ihr Traum, sagt Hrebtov. Als sie den langjährigen Tamada und Chef der Agentur Hochzeitsstern Leonid Bolonin kennenlernte, nahm er sie zu Hochzeiten mit und lernte sie an.
Mittlerweile arbeitet Lena Hrebtov nebenberuflich für die Agentur. Etwa 15 Hochzeiten hat sie bislang moderiert. Ihre Arbeit beginnt, wenn ein Paar eine Anfrage stellt.

Die 34-Jährige nimmt dann das erste Mal Kontakt zum Brautpaar auf: über Zoom oder einen anderen Videoanruf, schließlich ist sie bundesweit im Einsatz. „Im ersten Gespräch geht es darum, sich kennenzulernen und zu sehen, ob es menschlich passt“, erklärt Lena Hrebtov. „Manche Paare wollen jemanden, der aufgedreht ist und im Mittelpunkt steht, manche jemanden, der sich dezent im Hintergrund hält.“
Entscheidet sich das Paar, Hrebtov zu engagieren, werden in weiteren Videogesprächen Wünsche, Programmpunkte und Stil der Feier besprochen. Auch Beiträge von Trauzeugen oder Gästen finden ihren Platz im Programm. „Ich versuche, die Treffen auf drei Gespräche zu reduzieren, weil es sonst ausartet und die Planung kein Ende nimmt“, erzählt die Hochzeitsmoderatorin.
Am Tag der Hochzeit beginnt ihre Arbeit nach der Trauung, wenn die Gäste am Ort der Feierlichkeiten eintreffen. Aber was genau macht nun ein Tamada? Eine russische Hochzeit unterscheidet sich nicht grundlegend von einer deutschen Hochzeit: Es gibt einen Sektempfang, Geschenke, ein Büfett, Spiele und Musik. Auf welche Weise die Festlichkeit begangen wird, prägt jedoch Lena Hrebtov als Tamada.
Bevor das Brautpaar den Festsaal betritt, macht sie erste Ankündigungen, verteilt Kleinigkeiten wie Fächer und stellt erste witzige Fragen an die Gäste, um sie zum Lachen zu bringen. Als Tamada sorgt sie für gute Stimmung: „Ich heize die Leute ein bisschen auf und sage dann: ‚Wenn das Brautpaar in den Saal kommt, möchte ich, dass ihr alle ausrastet‘. Es geht darum, das Brautpaar richtig zu feiern und in den Mittelpunkt zu stellen.“
Tanzend zum Buffett
Anschließend beginnt die Hochzeitsmoderatorin mit einem Kennenlernspiel, bei dem das Brautpaar zum Beispiel Gemeinsamkeiten der Gäste erraten muss. Auch zur Eröffnung des Büfetts gibt es ein Spiel, etwa, dass die Gäste in Tischreihenfolge tanzend zum Büfett gehen.
„Alles wird ein bisschen zelebriert und groß gemacht und angekündigt“, erzählt Hrebtov. Bei seinem Programm arbeitet ein Tamada eng mit einem DJ zusammen, der im Programm involviert ist und zu jeder Zeit den passenden Song spielt.
Gleichzeitig soll die Feier aber auch nicht mit Spielen überladen sein. Daher achtet Lena Hrebtov auch darauf, dass die Gäste und sie selbst genug Pausen haben. Wie umfangreich das Programm ist, bestimmt das Brautpaar. „Manche Brautpaare wollen, dass jemand die ganze Zeit Rambazamba macht, andere wollen zwei Spiele, den Brautschuhklau und das war’s.“
Neben den Spielen, die auch auf deutschen Hochzeiten verbreitet sind, bietet die 34-Jährige auch die traditionellen, kulturell geprägten Spiele, die auf einer russischen Hochzeit nicht fehlen dürfen. Unverzichtbar ist der Brautschuhklau. Vier Gäste verkleiden sich – mal als Piraten, Bankräuber oder die russische Mafia – und stehlen den Schuh der Braut. Der Bräutigam muss daraufhin die Liebe zur Braut beweisen und den Schuh zurückbekommen. Entweder mit Geld oder durch Aufgaben. „Mal soll ein Bräutigam einen Catwalk machen oder allen Gästen auf die Glatze küssen. Das entscheiden die Diebe“, erzählt Hrebtov.
Drei Fragen an Lena Hrebtov
Auch der Schleiertanz ist für einige Paare ein Muss. Dafür halten zwei Gäste den Schleier der Braut nach oben und lassen das Hochzeitspaar sowie die Gäste abwechselnd unter dem Schleier tanzen. Dabei werfen die Gäste Geld auf den Schleier, das das Brautpaar am Ende erhält.
Seit Lena Hrebtov klein war, hat sich auf russischen Hochzeiten aber auch einiges geändert. „Früher ging es bei fast allen Spielen darum, Geld für das Paar einzusammeln. Heute wollen die Paare, dass die Gäste nicht mit Geld zur Feier kommen müssen.“ Außerdem war es einst üblich, sich für fast alle Spiele zu verkleiden. „Vor langer Zeit mussten sich zum Teil alte Männer als Babys verkleiden. Das ist schon gruselig. Das will man heute nicht mehr.“
Obwohl der Tamada einer Trinkkultur entspringt, ist Hrebtov aber nicht dafür zuständig, die Gäste betrunken zu machen. „Ich spreche schon ein Hoch zum Beispiel auf die Eltern und Großeltern aus, weil die Familie auf russischen Hochzeiten hochgeehrt wird“, erzählt die 34-Jährige. „Aber dass immer nur getrunken wird, davon will man eigentlich weg.“
„Von dem aufgedrehten Tamada im Mittelpunkt entwickelt es sich mehr und mehr zu einer Hochzeitsmoderation, die vor allem stilvoll sein soll“, sagt Lena Hrebtov. Dabei muss sie auch immer wieder improvisieren, spontane Programmänderungen von Gästen einbauen oder ablehnen oder auch kleine Konflikte lösen. Gleichzeitig kommt es aber auch immer wieder zu emotionalen Momenten, die Hrebtov besonders berühren. „Wenn die Eltern und Großeltern eine Rede halten, weint wirklich jeder. Das ist sehr, sehr emotional.“
„Für mich ist es Berufung“
Nach Vater-Tochter-Tanz, Tortenanschnitt, Brautstraußwurf und mehr wird es schnell Mitternacht. Spätestens um 1 Uhr verabschiedet sich die Hochzeitsmoderatorin und lässt den DJ zurück, der die Gäste noch weiter mit guter Musik zum Tanzen und Feiern versorgt. Das ist der Moment, in dem sie spürt, warum sie ihre Arbeit als Tamada so liebt.
„Ich bin dann immer richtig energiegeladen. Es macht mir einfach Spaß, wenn ich Menschen unterhalten und begeistern kann“, erzählt Lena Hrebtov. „Auch wenn Gäste mich ansprechen und mir gutes Feedback geben, spornt es mich an. Dann möchte ich direkt auf die nächste Hochzeit.“
In Deutschland sind Tamada weitgehend unbekannt. Trotzdem kann sich die 34-Jährige vorstellen, dass eine Hochzeitsmoderation auch für deutsche Paare interessant sein kann. Von den 2000 bis 5000 Euro, die Tamada mit langjähriger Erfahrung pro Hochzeit einnehmen, ist Hrebtov nach eigener Aussage weit entfernt. Am liebsten würde sie in Vollzeit als Hochzeitsmoderatorin arbeiten, aber die Saison gehe nun mal vor allem von März bis Oktober.
„Für mich ist es wirklich eine Berufung. Ich glaube ja ganz stark an das Universum, mache mir Gedanken und glaube, ich bin einfach dafür bestimmt worden, Menschen zu unterhalten und glücklich zu machen.“