Thomas Frauendienst ist der Stadtverwaltung und der Politik kein Unbekannter: Der Castrop-Rauxeler ist bei vielen Ratssitzungen dabei und stellt am Anfang in der Bürgersprechstunde Fragen am Mikrofon. Er ist in manch einem Wahlkampf mit der und für die SPD aufgetreten. Er war aktiv im Haus der Begegnung. Er meldet sich auch bei unserer Redaktion zu Wort, wenn ihm etwas auffällt.
So wie jetzt wieder. Er fragt: „Was hat das Projekt Soziale Stadt Habinghorst gebracht? Ist die Lange Straße in Vergessenheit geraten? 6 Millionen Euro wurden ausgegeben für eine breitere Straße und ein bisschen Integration. Aber was ist wirklich daraus geworden?“
Schon wenn man die Fragen hört, ahnt man, was seine Antwort ist. Die kommt prompt hinterher: „Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Für das Geld, das da investiert wurde, ist das einfach zu wenig“, erklärt Frauendienst im Gespräch mit unserer Redaktion. „Es fehlt an Fachgeschäften, an Cafés, an allen Ecken und Enden. Es ist kein Bäcker vorhanden, wenn man sich hier mal umschaut: Wir vermissen das alles.“
Frauendienst kennt die Straße, denn er lebte zwölf Jahre dort im Norden der Stadt. Nun fahre er immerhin noch einmal in der Woche aus Castrop nach Habinghorst, in seine alte Nachbarschaft. Und spricht aus, was viele denken.
Was auch Optiker Ulrich Tönsmann bemängelte, als die Schließung des Geschäfts Optik Mues bekannt wurde: Ende Juni, nach 35 Jahren, war Schluss. Nicht allein wegen der Frage nach der Nachfolge im Brillenladen, sondern: „Die Entwicklung an der Langen Straße ist, vorsichtig ausgedrückt, schlecht.“
„Ist die Straße belebt?“
„Wir hatten ein Stadtteilbüro. Aber hat das wirklich zum Erfolg geführt?“, fragt Thomas Frauendienst. „Ist die Straße belebt? Meine Lebensgefährtin und ich haben acht Jahre aktiv mitgearbeitet, aber das hat alles nichts gebracht. Habinghorst und die Lange Straße dürfen nicht vergessen werden.“
Ja, er wisse, man tue „noch ein bisschen was für Integration. Aber mir blutet das Herz, wenn ich heute dort entlang gehe. Leerstände, die Häuser sehen teilweise katastrophal aus. Einige sind beschmiert, die Außenfassade heruntergekommen. Ich finde, nach so einem Projekt mit so vielen Geldern müsste es dort heute deutlich besser aussehen.“

Mit den Angeboten, die er mit seiner Lebensgefährtin gemacht habe, wie dem Bingo im HadeBe, sei er am Ende allein gewesen, und das mit seiner Behinderung. „Wir mussten selbst Tische schleppen und putzen. Das machen Sie mal, wenn Sie selber nicht so fit sind!“ Das Reinigungsunternehmen des HadeBe, das wollte er nicht mehr sein.
Die Leute bräuchten ein anderes Lebensgefühl als das, was sie dort geboten bekämen. Wie in Ickern oder in Castrop, wo es Geschäfte und Bäckereien und alles andere gebe. „Gerade jetzt, in den aktuellen und zukünftigen Krisen, brauchen die Leute gerade dort jemanden, der an die Menschen denkt.“ Thomas Frauendienst meint: „Vielleicht hätte man sich das Stadtteilbüro sparen sollen und stattdessen die Fassaden machen oder die Mieten senken sollen.“
Stadt: Das wäre wünschenswert
Die Stadt Castrop-Rauxel, der wir die Kritik vorlegten, geht darauf ausführlich ein. „Soziale Stadt“ sei ein Städtebauförderungsprogramm gewesen, erklärt Maresa Hilleringmann, „es kam also aus der Baufinanzierung. Vorrangig wurden/mussten die Fördergelder in bauliche Maßnahmen investiert werden. Wünschenswert wäre natürlich eine dauerhafte, nachhaltige Sozialfinanzierung, aber die kann die Kommune nicht aus eigenen Mitteln stemmen.“
Nichtsdestotrotz habe nicht nur der Umbau der Straße, sondern auch die sozial flankierenden Maßnahmen der Sozialen Stadt Habinghorst „Impulse im Stadtteil gesetzt, die verstetigt werden konnten“.

Maresa Hilleringmann zählt auf: der Seniorengarten, der Internationale Bürgergarten, der Runde Tisch mit lokalen Akteuren, der Fortbetrieb des HadeBe, die Stadtteilkümmerin, die CASKlimahelden, das Angebot der E-Rikscha von Awo und ADFC sowie das Caritas-Brückenprojekt. Auch das Projekt DigiQuartier, das mittlerweile abgeschlossen sei, gehöre dazu.
„Der Bürgerverein Habinghorst e.V. sowie die InWerb sind zudem weiter sehr aktiv im Quartier“, so Hilleringmann. „Und nicht zuletzt ist da noch die engagierte und kontinuierliche Arbeit des Bereichs Migration und Obdachlosenhilfe und dessen Präsenz.“ Hier liegt der Fokus auf den Bewohnern des Hauses Lange Straße 107, in dem viele Migranten leben und das seit Jahren umstritten ist.
Darüber hinaus bleibe jeder Einzelne in der Eigenverantwortung, meint Hilleringmann. „Das gilt insbesondere auch für die Immobilieneigentümer.“
Eigentümer: „Eigentlich gut“
Adil Tamouh und Yesser Falfoul sind nur zwei von vielen. Der eine, Tamouh, lebt mit seiner Familie hier und engagiert sich in diversen Gruppen, von Integrationsrat über InWerb und Stadtteilverein bis in die muslimischen Gemeinden.
Der andere, Falfoul, kommt aus Oer-Erkenschwick, investierte hier Geld in drei Gebäude, sanierte sie und vermietet sie bis heute. Mal mehr, mal weniger erfolgreich. Ein Ladenlokal steht leer. „Eigentlich ist das hier eine gute Lage“, sagte er im Sommer unserer Redaktion. Und stellte zugleich fest: „Aber die Leute investieren nicht in ihre Immobilien.“