Krisen-Zeiten sind immer auch Zeiten, in denen es windige Angebote gibt und in denen Nepper unterwegs sind, die daraus Profit ziehen wollen. Sven Fleischer aus Ickern hat den Eindruck, er sei an ein solches Unternehmen geraten. Er wohnt in einer Doppelhaushälfte und hat mit dem Düsseldorfer Unternehmen ganz schlechte Erfahrungen gemacht. Fleischer ist damit nicht der einzige. Die Verbraucherzentrale ist sensibilisiert.
„Zum 31.5. läuft mein Vertrag bei EWE aus“, so Fleischer im Gespräch mit unserer Redaktion. „Das Unternehmen hatte mich schon vor einigen Monaten angerufen und wollten mir am Telefon erzählen, dass ich meinen Vertrag verlängern kann, für 49 Cent pro Kilowattstunde.“ Daran habe er kein Interesse gehabt. Er sei einer, der jedes Jahr oder jedes zweite Jahr zu einem günstigeren Anbieter wechsle. Dabei nutze er das Portal Verivox. „Im Moment ist es auf dem Markt billiger als 49 Cent“, so Fleischer. „Dann bot der Mitarbeiter 43 Cent an, aber ich beendete das Gespräch.“
Zwei Wochen später erhielt Fleischer einen Anruf eines anderen Anbieters an und fragte, wo er gerade seinen Strom beziehe. „Ich sagte, ich sei bei Ewe habe kein Interesse zu wechseln. Dann habe ich das Gespräch beendet“, so der Castrop-Rauxeler.
Und dann das: Weitere zwei Wochen später holt er ein Schreiben von Ewe aus der Post. Es sei schade, dass er gekündigt habe. „Aber habe ich gar nicht“, so Fleischer. Er ließ das dann erst einmal so laufen und wunderte sich einige Zeit später noch mehr: Post von Windströöm! Das Unternehmen schreibt, es sei Fleischers neuer Anbieter. „Mit sämtlichen Daten, Kontonummer, Zählernummer und allem drum und dran“, sagt der Ickerner. „Ich weiß nicht, woher sie das haben, aber sie boten mir einen Preis von 97 Cent an, mit dem Hinweis, das sei ja aber kein Problem für mich, ich würde ja nur 40 Cent zahlen wegen der Strompreisbremse.“
Widerspruch gegen Ewe-Kündigung
Fleischer wurde das zu bunt. Er ging zur Verbraucherzentrale in der Castroper Altstadt, „weil ich nicht wusste, was ich tun soll“. Der Ratschlag, den er dort erhielt: Er solle schriftlich Widerspruch einlegen.
Elisabeth Wigger-Düsing arbeitet dort als Verbraucherschützerin und kümmert sich um die Energie-Themen der Menschen, die dorthin kommen. Sie erklärt: „Wenn der eigene Anbieter die Kündigung mitteilt, sollte man am besten mit dem Betreiber Kontakt aufnehmen. Eine wirksame Kündigung kann nur ausgesprochen sein, wenn er eine Vollmacht vom Stromkunden vorliegen hat.“ Bei den heutigen Anbieterwechselprozessen werde aber die Vollmacht nur stichprobenartig abgeprüft. „Wenn also ein Anbieter über die Verbraucherdaten verfügt, also Name, Adresse und Zählernummer, dann kann er eine Kündigung auf Verdacht auch ohne Vollmacht veranlassen“, sagt die Expertin. Sehr schnell, sehr einfach.

Man könne dem kündigenden Anbieter schreiben mit der Nachfrage, wer die Kündigung angestoßen hat und ob dafür eine Vollmacht vorliegt. „Kann der Anbieter keine Vollmacht vorlegen, kann ich verlangen, dass der Vertrag weiter geführt wird“, so Wigger-Düsing.
Anbieterwechselprozesse seien ein Massengeschäft. So wie bei Sven Fleischer sei das in einem liberalisierten Strommarkt auch gewünscht, um den Wettbewerb zu stärken und Wechsel zu vereinfachen. Hier aber sei eben auch die Schwachstelle: Die Bundesnetzagentur sieht die Prüfung der Vollmacht nicht als zwingend vor.
Profitierte Windströöm von Datenleck?
Woher Windströöm nun die Daten von Sven Fleischer und offensichtlich auch vielen anderen Kunden hatte: unklar. „Ein Datenleck“ vermutet die Verbraucherzentrale, die zuletzt viele solcher Fälle auf dem Tisch gehabt hätte. Mehrere telefonische Anfragen unserer Redaktion und ein kleiner Fragebogen via E-Mail bei Windströöm blieben bislang ohne Antwort. Auch die Frage nach der Herkunft der Verbraucher-Daten von Sven Fleischer.
Der hat jetzt zwar Arbeit damit und ärgert sich über dieses dreiste Vorgehen, aber sieht das ganz entspannt: „Nächste Woche suche ich über Verivox einen neuen Anbieter aus. Bis zum 31.5. habe ich dann einen neuen Vertrag.“
Eon erhöht die Strompreise in NRW deutlich: 45 Prozent mehr für die Grundversorgung
Gaspreisbremse: Energiekonzern E.ON mit Milliardengewinn: Dennoch kassiert er Geld vom Staat
Castrop-Rauxel wird ganz schön smart: Sieben Laternen sollen bald viel mehr können als bloß leuchten