„Aufgrund der letzten warmen und trockenen Wochen haben wir in diesem Jahr eine verspätete Laichwanderung“, erklärt Dr. Thomas Krämerkämper. „Aber wenn es jetzt nachts wärmer und feucht wird, sind die Tiere im ganzen Stadtgebiet unterwegs.“ Der Henrichenburger ist stellvertretender Landesvorsitzender des BUND NRW und engagiert sich in der Arbeitsgemeinschaft Amphibien- und Reptilienschutz Dortmund.
Warum machen sich die Amphibien jedes Jahr zwischen Februar und April auf die Wanderung? Den größten Teil des Jahres verbringen die Tiere in ihrem Landlebensraum. Im Frühjahr legen sie ihren Laich in Gewässern ab, meistens in kleinen Teichen, in denen die Jungtiere heranwachsen. Bis zu zwei Kilometer legen, zum Beispiel, Erdkröten schon mal zu diesem Zweck zurück. Dabei laufen sie auch kreuz und quer über die Straße, was sie oft aufgrund des Autoverkehrs nicht überleben.

Generell ist laut Dr. Krämerkämper das Verschwinden von Lebensräumen die größte Gefahr für die Amphibien. „Die Landwirtschaft spielt dabei eine große Rolle. Die meisten Ackerflächen sind ökologisch tot. Wir haben zwar einige Biolandwirte, aber der größte Teil arbeitet in der industriellen Landwirtschaft. Man hat ermittelt, dass durch den Einsatz von Glyphosat in 48 Stunden 98 Prozent der Amphibien auf der Fläche absterben.“
Auch Gullys oder Kellerfensterschächte sind Gefahren für die Tiere. Dr. Krämerkämper erinnert sich an einen extremen Fall, als an einer Schule in Merklinde die Kellerschächte gesäubert wurden und dabei um die 200 tote Amphibien herausgeholt wurden.
Der Schutz der Tiere liegt dem promovierten Physiker bereits seit seiner Kindheit am Herzen. Schon in jungen Jahren begann er, Teiche zu optimieren und neue Teiche anzulegen. „Ich fand es als Jugendlicher verwunderlich, dass viele Menschen in meiner Umgebung die bedrohliche Situation der Amphibien bedauerten, aber keiner etwas dagegen getan hat. Daher habe ich früh die Initiative ergriffen, zusammen mit anderen Menschen, die aktiv werden wollten, den Schutz der Tiere zu verstärken.“
Und er fügt hinzu: „Wir haben zwar in der Fläche noch viele Amphibien, die Vorkommen insgesamt sind allerdings erheblich kleiner als noch vor 30 oder 50 Jahren. Die Gelbbauchunke haben wir komplett verloren und bei Feuersalamandern und Kammmolchen besteht die Gefahr, dass sie bald vollständig aus dem Stadtgebiet verschwinden.“
WDR-Moderatorin im Einsatz
Umso wichtiger ist der Schutz der Tiere, für den sich zahlreiche Amphibienhelfer in den Wochen der Laichwanderungen einsetzen. Ich treffe an der Stadtgrenze zu Waltrop Carina Vogt mit ihrer Tochter Nele und Freundin Julia. Die WDR 4-Moderatorin packt oft in der Hochsaison der Laichwanderungen mit an: „Ich komme gerne hierhin, um die Kröten zu schützen. Und auch für die Kinder ist das ein aufregendes Erlebnis.“

Nele (8) und Julia (9) sind mit Eifer dabei, die Erdkröten vor dem Zaum einzusammeln und in einen großen Eimer zu legen. „Die Kröten sind ganz süß und quaken so schön. Manchmal finden wir auch Molche“, erklärt Nele voller Begeisterung.
Wie sieht die Arbeit von Carina Vogt und den anderen Amphibienhelfern aus? Die Amphibien werden entlang der Zäune zu Eimern geleitet, in die sie dann hineinfallen und auch nicht so schnell wieder herauskommen. Die Eimer werden mehrfach in der Nacht kontrolliert. Denn an starken Wandertagen kann es auch sein, dass sich die Tiere gegenseitig im Eimer erdrücken.

Die Helfer bringen dann die Tiere über die Straße zu dem Laichgewässer. Ein Blick in die Eimer bestätigt, dass hier hauptsächlich Erdkröten auf Wanderschaft sind. „Aber nicht alle Tiere wollen zum Laichgewässer“, weiß Dr. Krämerkämper. „Die Männchen der Erdkröten setzen sich gerne auf die offene Straße, weil sie dort besser sehen und die heranwandernden Weibchen identifizieren und abfangen können. Außerdem bewegen sie sich aufgrund der niedrigen Temperaturen im Frühjahr recht langsam über die Straße, zum Teil auch um sich aufzuwärmen. Daher sind die Tiere hier besonders gefährdet.“
Schutzmaßnahmen
Dieser Gefahr kann man am besten begegnen, wenn Straßen, die eine Zerschneidungswirkung zwischen den Laichgewässern und dem Landlebensraum haben, komplett zurückgebaut werden, wie der Physiker erläutert. „Das ist in Castrop-Rauxel noch nicht geschehen, aber wir haben immerhin erreicht, dass mehrere Straßen im Stadtgebiet nachts gesperrt werden, wie zum Beispiel der Finkenbrink in Becklem oder die Waltroper Straße und die Eschstraße in Henrichenburg. Die Straßensperren werden in Kooperation mit dem EUV errichtet. Die Poller werden abends um 18.30 Uhr aufgebaut und morgens um 7.30 Uhr wieder abgebaut. In der Wandersaison erfolgt diese Maßnahme täglich und reduziert den verkehrsbedingten Verlust von Amphibien erheblich.“

Mobile Zäune wie an der Leveringhauser Straße sind laut Dr. Krämerkämper eine weitere Möglichkeit, die Tiere zu schützen. Sie haben allerdings den Haken, dass viele Amphibienarten durch diese Zäune nicht aufgehalten werden. So können zum Beispiel Grasfrösche darüber springen oder andere Amphibienarten können über die Hindernisse klettern.
Aktuell sind Amphibienschutzzäune im Baugebiet an der Brücke über den Rhein-Herne-Kanal am Westring eingerichtet worden. Die Zäune auf beiden Seiten des Westrings sollen die Baufläche ausgrenzen, damit keine Amphibien einwandern und eventuell zu Schaden kommen können.

In einigen Städten sind Tunnel unter stark befahrenen Straßen angelegt worden, was aus baulichen Gründen nicht an jeder Straße möglich ist. Dr. Krämerkämper sieht die folgenden Schwierigkeiten: „Die Tunnel dürfen nicht unter Wasser stehen, müssen ausreichend belichtet sein und sollten nicht zu trocken aber auch nicht zu nass sein. Eine Gefahr für die Amphibien entsteht durch Beutegreifer, die an der Engstelle warten und die Kröten abfangen. In Castrop-Rauxel gab es eine Anlage am Deininghauser Weg, die aber unter anderem wegen zu hoher Wasserstände ein Fehlschlag war.“

Viele Menschen stellen sich die Frage, warum teilweise ein großer Aufwand zum Schutz der Amphibien betrieben wird. Abgesehen davon, dass jeder Teil der Natur geschützt werden muss, erinnert Neles Aussage am Schutzzaun, die Tiere seien „einfach süß“, zusätzlich an den ästhetischen Wert der Amphibien, sei es der Feuersalamander mit seinen leuchtend gelben Flecken, die Erdkröte mit ihren goldenen Augen oder die Gelbbauchunke mit ihren herzförmigen Pupillen.