„Die Zündschnur ist kurz“ Körperverletzung und Raub haben in Castrop-Rauxel zugenommen

Kriminalitätsbericht zeigt Zunahme von Körperverletzung und Raub
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Die gute Nachricht vorab: Die Gesamtkriminalität lag im Jahr 2022 in Castrop-Rauxel mit einem marginalen Anstieg von 0,3 Prozent auf Vorjahresniveau. Insgesamt kam es im vergangenen Jahr zu 5564 Straftaten (2021: 5548). Das geht aus dem jährlichen Kriminalitätsbericht hervor, den die Kreispolizei Recklinghausen am Dienstag (21.2.) veröffentlicht hat.

Die Entwicklung in der Europastadt entwickelt sich damit gegen den Trend auf Landesebene (+13,7 Prozent) und im Bereich der Kreispolizeibehörde Recklinghausen (+15,4 Prozent). Etwas mehr als die Hälfte aller Fälle (51,4 Prozent) klärte die Polizei in Castrop-Rauxel auf.

Deutliche Zunahmen gab es 2022 bei der Gewaltkriminalität. Die Zahl der Körperverletzungen stieg um 40 Prozent auf 665 Fälle, der gefährlichen und schweren Körperverletzung gar um 50 Prozent auf 159 Fälle. In 30 Fällen (+57,9 Prozent) gab es einen Raub.

Statistik ohne Dunkelziffern

Der Leiter der Direktion Kriminalität im Polizeipräsidium Recklinghausen erkennt zunehmende Gewaltbereitschaft. „Die Zündschnur ist sehr, sehr kurz geworden“, erklärt Jürgen Häusler im Gespräch mit unserer Redaktion. „In diesen Fällen haben wir oft Gewaltexzesse, bei denen es nicht bei verbalen Streitigkeiten bleibt.“ Immerhin bleibt die Aufklärungsquote mit 80,5 Prozent (2021: 84,9 Prozent) recht hoch.

Bei vielen dieser Fälle handele es sich um Beziehungsdelikte, die aus „gruppendynamischen Prozessen oder exzessivem gemeinsamen Trinken“ herrühren. „Als Polizei sehen wir aber immer nur das Hellfeld“, erklärt der Leitende Kriminaldirektor. Heißt: Die Dunkelziffer der Gewalttaten taucht in der Kriminalstatistik nicht auf.

Im Bereich der Gewaltkriminalität sieht Häusler für Castrop-Rauxel die größte Herausforderung. „Wir müssen sehen, wo die Täter zu welchen Zeiten sind, um dann am Ort des Geschehens zu sein“, sagt er. Der Kriminaldirektor verweist auf das „Präsenzkonzept öffentliche Ordnung und Sicherheit“, das monatlich an Entwicklungen und Probleme angepasst werde.

Im Bereich der häuslichen Gewalt nahm die Zahl der Opfer in Castrop-Rauxel von 202 im Jahr 2021 auf 226 zu. Dabei habe es zum Teil auch mehrere Opfer gegeben. Häusler verweist aber darauf, dass die Zahlen nur die bekannten Fälle widerspiegeln. „Die Dunkelziffer ist viel, viel höher“, erklärt er. Wie schon 2021 lasse sich „nicht unbedingt ein Corona-Effekt“ feststellen. „Das können wir so nicht belegen.“

Bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ging die Fallzahl im Vergleich zu 2021 (131 Fälle) um 7,6 Prozent auf 121 Fälle zurück. Insbesondere im Bereich der Kinder-Pornografie würden die Zahlen ständig steigen. Hinweise auf Fälle kämen in der Regel durch eine US-amerikanische Plattform, die Funde im Internet an das Bundeskriminalamt melde. „Wir sind froh über jeden Fall, den wir aufdecken“, sagt Häusler.

Auffällig in der Statistik ist der Rückgang bei den Vermögens- und Fälschungsdelikten um 29,3 Prozent. 2022 gab es 1006 Fälle, 1423 Fälle im Vorjahr. Dieser hohe Wert 2021 sei mit einem Ermittlungserfolg in einem Komplex von rund 400 Betrugsfällen zu erklären. Allerdings sei das Gesamtniveau der Betrugs- und Cyberkriminalität insgesamt gestiegen.

Im Bereich der Straßenkriminalität ging die Gesamtzahl der Delikte um zwei Prozent auf 1235 zurück. Mehr als dreimal am Tag kommt es statistisch zu diesen Straffällen. Auffällig ist auch hier die Zahl gefährlicher und schwerer Körperverletzungen, die von 34 auf 47 (plus 38,2 Prozent) stieg, also fast einer pro Woche.

Die Jugendkriminalität stieg nach Corona wieder leicht. Bei 98 Delikten waren Kinder von bis 13 Jahren tatverdächtig, in 176 Fällen Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren. Die Bandbreite der Vergehen reicht vom Straßenraub bis zur Körperverletzung.