Kravanja im Kreuzfeuer Aussage im WDR erhitzt in Castrop-Rauxel die Gemüter

Kravanja im Kreuzfeuer: Aussage gegenüber dem WDR erhitzt Gemüter
Lesezeit

„Es war kein Problemviertel. Es ist kein Problemviertel. Wir haben auch kein Problemviertel in Castrop-Rauxel.“ Ein Kurzinterview mit unter anderem diesen drei Sätzen, gesprochen von Bürgermeister Rajko Kravanja am Freitagmittag (16.6.2023) gegenüber einem WDR-Kamerateam, sorgt seit Montagabend für heftige Diskussionen und viele lästernde Kommentare auf Facebook in der Gruppe „Du bist Castroper, wenn...“.

In den 19 Sekunden Video sagt Kravanja (SPD) weiter: „Es sind immer punktuelle Dinge, die uns da zu schaffen machen. Aber die haben Sie in jeder Stadt. Und insofern ist es eben eher ein bundesrepublikanisches Problem. Das müssen wir eben gesamtgesellschaftlich lösen, nicht nur in Castrop-Rauxel.“

Wie kann Kravanja das sagen? Meint er es ernst? Verschließt er die Augen vor der Realität? Die Kommentare, die sich darunter bis Dienstagabend versammeln (und es sind Stand 18 Uhr 157), fallen in der Tendenz inhaltlich so aus, wie die drei Fragen es beschreiben. Nur im Ton etwas aufgeregter, aggressiver, kritischer. Einige bezeichnen es als lustig, andere als realitätsfremd. „Erbärmlich“ schreiben einige, für „unglaublich“ halten diese Aussage andere.

Rajko Kravanja gab auch unserer Redaktion kurz nach dieser Aufzeichnung ein ausführliches Interview. Es war rund 18 Stunden nach den schlimmen Bildern von der Wartburgstraße. Zu der Zeit, als es dort eskalierte, war Kravanja noch als Sitzungsleiter im Stadtrat, der bis etwa 19.45 Uhr tagte. Dort war Raum für mehr Erläuterungen als diese 19 Sekunden.

Feiern, statt sich um Probleme zu kümmern

Aber unter dem Strich sagte er dort dasselbe: Die Wartburgstraße sei bisher nicht auffällig gewesen. Auch die Lange Straße oder die Wittener Straße / Harkortsiedlung, die in Castrop-Rauxel immer mal wieder als Angsträume oder Problembereiche bezeichnet werden, fallen damit für ihn nicht in diese Rubrik.

Kritisiert wird in der Facebook-Gruppe, dass Castrop-Rauxel, also auch der Bürgermeister, es nicht schaffe, die Probleme in den Griff zu bekommen. Stattdessen sei er Sonntag beim Freibadfest und Schützenfest gewesen, um sich zu vergnügen, statt sich um die wahren Sorgen der Menschen zu kümmern.

Darf man sich als Bürgermeister erlauben, in dieser besonderen Lage, in der halb Deutschland nach Castrop-Rauxel schaute, zu feiern? Das fragten wir ihn beim Schießen auf der Festwiese in Henrichenburg am Montagnachmittag. „Ja, man darf sich das erlauben“, so Kravanja. „Ganz im Gegenteil: Man muss sogar mitfeiern, vor allem auch kommunizieren.“ Er habe Samstag, Sonntag und Montag ganz viel geredet mit den Menschen. „Ja, so viel, wie ich hier erklären konnte, das kann man über Facebook gar nicht.“

Er bekomme viel Lack ab, auch wenn das eher an Land oder Bund zu adressieren sei. „Es ist aber nicht, nur bei Facebook mal drei Sätze zu schreiben, sondern hier können wir auch mal fünf Minuten miteinander reden: Denk doch mal darüber nach, hast du das schon mal überlegt? Das wird, glaube ich, auch honoriert von den Menschen, die am Ende des Tages sagen: ‚Ich bin vielleicht nicht deiner Meinung, aber ich habe verstanden, worum es dir geht und warum du das machst.‘ Das ist doch das Schöne daran.“

Schnelle und kurzfristige Lösungen gebe es nicht. „Das habe ich ordentlich erklärt. Wenn man ehrlich zu ihnen ist, klarmacht, dass das nur die Leute behaupten, die auf Stimmenfang am rechten Rand sind, und sagt, es gebe keine einfachen Lösungen, dann honorieren die Menschen das. Sie sagen: ‚Finde ich gut, du warst ehrlich zu mir.‘ Ich versuche zumindest, das zu erklären.“

Update am 22.6. um 11 Uhr:
Für Freitag (23.6., 16 Uhr) lädt die SPD zu einem Treffen auf dem Vorplatz (Berliner Platz) des Hauptbahnhofs ein. Der Ort liegt wenige Hundert Meter vom Schauplatz von Donnerstag entfernt. Dort will sich der Stadtverband den Sorgen der Menschen stellen.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 20. Juni 2023.

Liveblog zum Clan-Krieg in Castrop-Rauxel: Ruhe in Essen eingekehrt – Film zeigt „Friedensgipfel“

Massenschlägereien in Essen und Castrop-Rauxel: „Pulverfassmentalität“: Reul nimmt Syrer in den Foku