Nach Kopftuch-Verbot in Herner Krankenhaus EvK-Träger vollzieht Kehrtwende

Herner Krankenhaus lehnt Kopftücher ab: Was machen EvK und Rochus?
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Beyzas hat einen Plan. Sie will Ärztin werden. Bei einem Schülerpraktikum am EvK in Herne, das zur Evangelischen Krankenhausgesellschaft Herne / Castrop-Rauxel gehört, wollte die 14-Jährige das erste Mal in ihren Traumberuf hineinschnuppern. Doch daraus wurde nichts. Das Bewerbungsgespräch war kurz, ernüchternd und diskriminierend.

Rassismus hatte Beyzas, deren Vater vor 22 Jahren aus der Türkei nach Deutschland kam, bis zum Tag des Bewerbungsgesprächs noch nie erlebt, so schildert es die WAZ, die zuerst über den Fall im November berichtete. Ob sie tatsächlich das Kopftuch während des Praktikums tragen wolle, habe die Sekretärin des EvK sie gefragt. „Ja“, habe die Antwort gelautet, und das Gespräch sei damit abrupt vorbei gewesen.

Gegenüber der WAZ wies EvK-Geschäftsführer Heinz-Werner Bitter die Rassismusvorwürfe zurück. Man erklärte die Praxis, Kopftücher unter den Beschäftigten zu verbieten, mit der kirchlichen Trägerschaft des Krankenhauses. Aus arbeitsrechtlicher Sicht darf das Krankenhaus tatsächlich so argumentieren.

Heinz-Werner Bitter im November: „Unsere Einrichtung definiert sich bewusst als christliches Haus. Das Tragen eines Kopftuchs im Dienst widerspricht der Pflicht der Arbeitnehmerinnen zur Neutralität und Loyalität gegenüber dem kirchlichen Träger.“

2014 hatte das Bundesarbeitsgericht entschieden, kirchliche Einrichtungen dürften das Tragen eines Kopftuches tatsächlich während der Berufsausübung verbieten. Mitarbeiterinnen kirchlicher Einrichtungen sind so zu neutralem Verhalten verpflichtet.

Rochus und EvK

In Castrop-Rauxel gibt es zwei Krankenhäuser, beide in kirchlicher Trägerschaft. Das EvK steht unter derselben Leitung wie das in Herne, an dem die 14-Jährige die diskriminierenden Erfahrungen beim Bewerbungsgespräch gemacht hatte.

Das Rochus Hospital indes steht unter katholischer Trägerschaft der St. Paulus GmbH. Wir fragen bei den Häusern nach, welche Regeln bezüglich religiöser Kopfbedeckungen gelten.

Heinz-Werner Bitter vom EvK macht eine überraschende Äußerung: „Für alle Standorte der Ev. Krankenhausgemeinschaft, also auch für das EvK Castrop-Rauxel, gilt, dass es jedem Mitarbeitenden gestattet ist, im Dienst eine Kopfbedeckung zu tragen.“ Das klang im November noch ganz anders. Das Vorgehen gelte ab sofort, ist somit offenbar neue Praxis in den EvK-Häusern.

Der theologische Direktor der Krankenhausgemeinschaft, Frank Obenlüneschloß, betont die grundsätzliche große Offenheit gegenüber muslimischen Mitarbeitern, weist auf den Gebetsraum neben der Kapelle in Herne hin. Das Kopftuch jedoch sehen er und Superintendentin und Mitglied im Aufsichtsrat, Claudia Reifenberger, kritisch: Sie weisen auf die Proteste im Iran hin, wo Frauen wegen des Nicht-Tragens eines Kopftuchs um ihr Leben fürchten müssen. „Für mich stellen sich da einige Fragen“, sagt Reifenberger. Dennoch: Dass man über das Thema spreche, sei gut.

Die neue Regelung sieht so aus: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnten nun einen Antrag auf Dienstkleidung stellen. Ihnen werde dann in fünffacher Ausführung eine personalisierte Kopfbedeckung (ein quadratisches weißes Stück Stoff) zur Verfügung gestellt, das zusammen mit der restlichen Dienstkleidung gewaschen werden solle.

„Mit diesem Schritt möchten wir als Arbeitgeber signalisieren, dass wir unseren Mitarbeitenden offen und tolerant gegenüberstehen. Die von uns vorgegebene Kopfbedeckung kann von jedem getragen werden, der dies möchte – auch unabhängig vom Geschlecht“, so Bitter auf Anfrage dieser Redaktion.

Geschäftsführer des EvK in Castrop-Rauxel, Heinz-Werner Bitter.
Heinz-Werner Bitter, Geschäftsführer der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft, äußert sich zur Situation am EvK Castrop-Rauxel. © Beushausen/von Wangenheim

Und das katholische Krankenhaus? Hier gelten bereits seit März 2022 ähnliche Regeln, wie die, die das EvK neuerdings anwendet. Der Aufsichtsrat habe im Frühjahr den Beschluss gefasst, dass „dass das Tragen religiöser Kopfbedeckungen in den Einrichtungen und Diensten der Paulus Gesellschaft“ möglich sein soll, heißt es auf Anfrage. „Damit werden die religiöse Selbstbestimmung der Mitarbeitenden und die religiöse Vielfalt in der Dienstgemeinschaft unterstrichen“, erklärt Unternehmenssprecherin und Assistentin der Geschäftsführung Bettina Sänger. Wer eine Kopfbedeckung tragen will, bekomme diese vom Haus gestellt.

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