Kontaktanzeigen
Lange vor Tinder: So suchten Singles früher ihr Glück
Wer heiraten wollte, hat früher eine Zeitungsannonce geschaltet. Heute wirken die Anzeigen befremdlich. Wir haben unser Archiv nach Castrop-Rauxeler Kontaktanzeigen von 1952 bis 1972 durchforstet.
Wer heutzutage daten will, der meldet sich auf einer der bekannten Dating-Plattformen an. Wischt, wie bei Tinder, nach links oder rechts über seinen Bildschirm, um zu selektieren, hat, mit etwas Glück, ein „Match“ und schließlich ein Date.
Vor Tinder, Elitepartner, Parship und anderen Online-Angeboten inserierten Singles in der Zeitung. Über die Jahrzehnte hat sich der Anspruch und die Ansprache stark gewandelt. Ein Blick ins Archiv unserer Zeitung von 1952, 1962 und 1972 zeigt, wie stark sich die Wünsche an das andere Geschlecht gewandelt haben und was sich wohl nie ändern wird.
1952: Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ist Heiraten ein rationaler Schritt
Wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und zu Beginn der Wirtschaftswunderjahre sind die Kontaktanzeigen von einem Duktus geprägt, der heutzutage mehr als fremd wirkt.
Relevant ist den Suchenden vor allem die Konfession: evangelisch oder katholisch? Diese Frage wird in jeder Annonce beantwortet. Und dieses Detail war damals durchaus wichtig. Ehen zwischen Protestanten oder Nicht-Getauften und Katholiken waren erst ab März 1970 durch Papst Paul VI. erlaubt worden.
Eine „berufstätige Dame“ suchte im Juli 1952 über eine Kontaktanzeige einen „herzensfrohen, kath. Kameraden zwecks späterer Heirat“. Ein „Fräulein, 36/1,76, kath.“ suchte in derselben Ausgabe einen „Herrn in gesicherter Position“.
1952 suchten noch nicht so viele Menschen nach einem neuen Ehepartner. Die Gründe bei denen, die es taten, waren wohl oft rein rational. © Lydia Heuser
Heirat, das wird beim Lesen der Anzeigen deutlich, war zu der Zeit keine emotionsgeleitete Entscheidung, sondern vor allem ein wirtschaftlicher Schritt. So sucht ein ehemals selbstständiger Metzgermeister über eine Kontaktanzeige in eine „Metzgerei oder ein Lebensmittelgeschäft“ einzuheiraten – klingt nicht sehr romantisch.
Der Zusatz, er sei „schuldlos geschieden“, würde Singles heutzutage auch nicht von dem Metzgermeister überzeugen. In den 1950er-Jahren wurden Ehen aber noch nach dem Schuldprinzip geschieden. In der BRD galt diese Rechtsprechung bis 1977. Der Partner, der vom Gericht als schuldig für das Aus der Ehe angesehen wurde, hatte Nachteile bei Unterhalt und Sorgerecht.
Eine heiratswillige Frau versucht umgekehrt durch eine gute Mitgift von sich zu überzeugen und schreibt: „Möbel- und Wäscheaussteuer vorhanden.“ Was heute der Bausparvertrag oder das Fondsdepot sind, waren vor 70 Jahren die ersten Güter, um einen eigenen Hausstand aufzubauen.
Die Auswirkungen des 1945 beendeten Zweiten Weltkriegs spiegeln sich in den Annoncen von 1952 wider. Auffällig viele junge Witwen suchen neue Partner und umgekehrt sogenannte „Kriegsinvaliden“, also Männer, die an der Front verletzt wurden und seitdem mit Prothesen oder anderen körperlichen Beeinträchtigungen leben müssen.
„Junggeselle, linker Arm amputiert, 46 Jahre alt, 1,65 groß, kath., sichere Stellung, wünscht die Bekanntschaft ein. ehrlichen, braven Mädchens, Alter 38-45 Jahre“, heißt es in einer knappen Annonce. Gleich darüber die Anzeige eines, und das ist die Selbstbezeichnung, 100 Prozent kriegsgeschädigten Mannes.
Die 1960er-Jahre: Der Beruf ist entscheidend
In den 1960er-Jahren werden die Wünsche an das andere Geschlecht konkreter, was den Charakter angeht. „Herzensgüte“ oder „Herzensbildung“ wünschen sich zwei Frauen von den Herren. Sie werben mit sich, ihrer Gesundheit, dem Aussehen, ihrer schlanken Figur und ihrem Vermögen, sofern vorhanden.
Die Männer werben vor allem mit ihrer beruflichen Position: Kaufmännischer Angestellter, Bundesangestellter, Schleifer, Bergmann, Ingenieur, Friseurmeister – die Leserinnen sollen gleich wissen, in welche „Klasse“ sie einheiraten würden.
1972: Die Ehe ist nicht mehr Antrieb, um einen Partner zu suchen
Weitere zehn Jahre später suchen Frauen nicht mehr zwingend nach einem Ehemann. Stattdessen geht es ums Kennenlernen. Witwen wollen so ihren „Lebensabend verschönern“ oder „dem Leben wieder einen Sinn geben“.
Das Attribut „sportlich“ ist 1972 offenbar eines, das Attraktivität ausstrahlt. Eine „sportlich-elegante“ Akademikerin sucht 1972 nach einer Bekanntschaft, ein „alleinschwimmender Wassermann“ (hier ist wohl das Sternzeichen gemeint) gibt an, dass er gerne Tennis spielt.
Traniger Dortmunder sucht liebenswertes Mädchen
Andere Anzeigen waren wohl selbst damals nicht ganz ohne Ironie verfasst worden. So wie diese hier: „Dortmunder, 20/1,86, tranig, langweilig, unmodisch, kein Erfolgsmensch, möchte einfaches, liebenswertes Mädchen kennenlernen.“
Was aber immer gleich geblieben ist, über all die Jahrzehnte hinweg, das Aussehen spielt wohl eine große Rolle. Ein Bild der oder des potenziellen neuen Lebenspartners wollen fast alle sehen.
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