Konkrete Tatvorwürfe gegen 32 Personen Ermittlungen zur Massenschlägerei in Castrop-Rauxel

Konkrete Tatvorwürfe gegen 32 Personen nach Massenschlägerei
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Die Massenschlägerei von Castrop-Rauxel vom 15.6.2023 und die Auseinandersetzungen zwei Tage zuvor werden rechtliche Folgen für einige der Beteiligten haben. Davon geht Innenminister Herbert Reul (CDU) aus, wie er jetzt gegenüber der Presse deutlich machte. WDR und WAZ+ berichten übereinstimmend von Ermittlungserfolgen.

Am Mittwoch (21.2.2024) habe Reul demnach in Düsseldorf gesagt: „Die jungen Männer, die sich im Sommer in Castrop-Rauxel die Köpfe einschlugen, haben gedacht, dass nach dem Tumult alles vorbei sei. Falsch gedacht.“ Es sei so, wie er „immer gesagt habe: Bei uns gilt das Recht des Staates. Das haben unsere Ermittler eindeutig bewiesen.“

Gleich am Freitag nach der Auseinandersetzung vom Donnerstagabend setzte sich eine 19-köpfige Mordkommission in Gang, um die Hintergründe und die Vorfälle zu ermitteln. Darin waren und sind bis heute Ermittler von Sicherheits- und Strafverfolgungs-Behörden wie Polizei und Staatsanwaltschaft vertreten. Unter dem Namen „Wartburg“ wurden seither Video- und Fotoaufnahmen gesichtet.

Schon am Abend selbst hatten Spezialeinheiten der Polizei wohl von 67 an der Schlägerei beteiligten Männern Personalien aufgenommen. Auf dem Parkplatz des K+K am Schwarzen Weg wurden damals über eine Stunde lang Fotos gemacht und Dokumente geprüft. Es sah so aus, als könne dem keiner entkommen.

NRW-Innenminister Herbert Reul schaut zurzeit relativ zufrieden nach Castrop-Rauxel.
NRW-Innenminister Herbert Reul schaut zurzeit relativ zufrieden nach Castrop-Rauxel. © Nora Varga (2023)

Zudem gab es reichlich Material von Zeugen: Videos aus den umliegenden Häusern der Wartburgstraße konnten als belastendes Material genutzt werden. Darin waren Schläge und Tritte sowie Hiebe mit Gegenständen zu erkennen. Auch Messer waren im Einsatz. Es gab sieben Verletzte, darunter ein 23-Jähriger, der wegen schwerster Stichverletzungen notoperiert werden musste.

Eskalation eines Kinderstreits

Auslöser der Massenschlägerei war ein Streit zwischen Kindern zweier Familien türkisch-libanesischer und syrischer Herkunft am Montag zuvor. Schon am Dienstag führte das zu einer ersten Eskalation im Innenhof und Haus der einen Familie an der Wartburgstraße. Auch da waren schon Kräfte der Polizei vor Ort. Die Großfamilien vernetzten sich daraufhin mit weiteren Angehörigen in anderen Städten und Regionen Deutschlands. Am Donnerstag sollte es eigentlich ein klärendes Gespräch geben. Das eskalierte dann aber erst Recht.

Tage später setzte sich die Auseinandersetzung vor und in einem syrischen Café in Essen fort. Da dort keiner der Beteiligten dingfest gemacht werden konnte, ist Reul nun umso glücklicher, dass es in Castrop-Rauxel anders aussieht. Es kann trotz überwiegend schweigender (beteiligter) Zeugen ganz konkret wegen versuchter Tötung, gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch ermittelt werden. Vor Gericht ist acht Monate nach dem Vorfall allerdings bislang noch keine der Einzeltaten gelandet. Anklagen erheben wird die Staatsanwaltschaft wohl in den kommenden Wochen und Monaten.

Bürgermeister Rajko Kravanja (v.l.) mit Thomas Thiel (Ordnungsamt), dem städtischen Beigeordneten Michael Eckhardt, Joachim Eschemann (Siko Ruhr) und Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen bei der Übergabe der Kooperationsvereinbarung.
Bürgermeister Rajko Kravanja (v.l.) mit Thomas Thiel (Ordnungsamt), Joachim Eschemann (Siko Ruhr), Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen und dem städtischen Beigeordneten Michael Eckhardt. © Stadt Castrop-Rauxel

Ob der weithin genutzt Begriff der Clankriminalität hier zutreffend ist, ist umstritten. Minister Reul nutzt ihn vermehrt seit 2017 immer wieder und ist bemüht darum, die Macht der arabischen Clans zu brechen. Dazu brauche es eine Politik dieser Nadelstiche, so Reul. Einzelne Nadelstiche könnten rechtskräftige Verurteilungen sein, sofern sie zustande kommen.

Auch in Castrop-Rauxel hat sich seither politisch etwas getan. Die Stadt ist der Siko Ruhr beigetreten, einer Sicherheitskommission, die sich insbesondere mit dem Phänomen der Clankriminalität auseinandersetzt. Sie vereint Experten aus den Behörden und Ministerien, auch von Zoll und Steuerfahndung, kommunalen Ordnungsdiensten und Stadtverwaltungen, um diese Nadelstiche effektiver setzen zu können. Vor einigen Wochen war der Leiter der Siko Ruhr, Joachim Eschemann, dazu in Gesprächen mit der Politik in Castrop-Rauxel vor Ort. Am 5.2.2024 war er zur Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung mit Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen, Bürgermeister Rajko Kravanja, dem Beigeordneten Michael Eckhardt und Ordnungsamtsleiter Thomas Thiel im Rathaus.

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