Die Kirche St. Franziskus auf Schwerin: Sie wird abgerissen, wenn die Friedhofskirche fertig ist.

© Tobias Weckenbrock

Kirche soll abgerissen werden: Platz für Neues mitten im Wohngebiet

rnQuartiersentwicklung

Die Kirche abzureißen und an einem anderen Ort eine neu zu weihen: Das passiert nicht alle Tage. In Castrop-Rauxel ist es geplant. Es könnte einen ganzen Ortsteil prägen. Denn es hängt mehr daran.

Castrop-Rauxel

, 16.04.2021, 11:55 Uhr / Lesedauer: 3 min

Er geht im Herbst, wird beim Baustart wohl nicht mehr dabei sein. Aber Pfarrer Winfried Grohsmann sagt: „Wenn man die Dinge zu lange abwartet, wird man Zukunft nicht gestalten können. Dann fehlt es an Möglichkeiten für die nachwachsende Generation. Die Menschen 50 plus bekommen auf Schwerin etwas, das noch nicht da ist. Die jüngere Generation bekommt Kitaplätze. Und das, ohne dass man monetäre Lasten an die Jüngeren gibt. Wir haben das Projekt ausfinanziert.“

Er meint das größte Generationenprojekt, das der Stadtteil Schwerin je gesehen hat: Die Kirche St. Franziskus wird abgerissen, macht Platz für zunächst 26 Seniorenwohnungen und Räume, in denen sich die Gemeinde treffen kann. Die Zahl der Kita-Plätze ein paar Häuser weiter, ebenfalls mitten im Wohngebiet, wird fast verdoppelt. Und es gibt eine neue Pfarrkirche an anderem Ort: auf dem Friedhof.

Das Architekturbüro Leder-Nimz hat die Franziskushöfe geplant. In diesem Gebäudekomplex sollen 26 Wohneinheiten, Sozialräume und ein Café entstehen. Der Kirchturm soll als einziges Bauteil erhalten bleiben.

Das Architekturbüro Leder-Nimz hat die Franziskushöfe geplant. In diesem Gebäudekomplex sollen 26 Wohneinheiten, Sozialräume und ein Café entstehen. Der Kirchturm soll als einziges Bauteil erhalten bleiben. © Reinhard Nimz

Jürgen Focke aus der Kirchenverwaltung in Dortmund ist praktisch Außenstehender: „Etwas Vergleichbares habe ich noch nicht gesehen“, sagt er, der bei der Planung hilft. „Beeindruckend, wie eine Gemeinde sich hier aufstellt, den Mut hat, Strukturen aufzubrechen, Gewohntes aufzugeben, um für die Zukunft etwas Besseres zu gestalten.“

Idee von Grohsmann ist anderthalb Jahre alt

Die Idee kam von Grohsmann – vor anderthalb Jahren. Es ging um die Frage, wie man die Kita vergrößern kann, um die Situation für Eltern auf Schwerin zu entlasten.

Das hätte bedeutet, dass das soziale Gemeindeleben keinen Platz mehr in dem Haus gehabt hätte, in dem auch das Jugendheim untergebracht ist. Das ist zudem nicht ebenerdig zu erreichen.

Wohin also mit den Gemeinderäumen? Erst war die Idee, die Alltagskapelle in der Kirche für Gemeinderäume zu nutzen. Pastorat, Vikarie und Kirche zu einem Forum umbauen? Mit Glasdach, für Treffen und Gottesdienste. Man landete bei hohen Kosten und dem Ergebnis: Das ist nicht das, was wir brauchen in diesem Stadtteil.

Es kam zudem die Idee auf, dass es neben dem Kitaplatz-Bedarf auf Schwerin auch Bedarfe gebe für bezahlbares Seniorenwohnen außerhalb vom Pflegeheim am Ginsterweg.

Café, Sozialräume, Wohnungen – und Kirchturm

Das elegante Ergebnis dieses langen Prozesses von Denk- und Planungsarbeit: Der Investor, der Verein für katholische Altenhilfe-Einrichtungen (VKA), übernimmt, baut Wohnungen an die Stelle der Kirche.

Der Kirchturm mit dem Hahn, den die Gemeinde selbst schuf, bleibt als stadtteil-historische Landmarke erhalten.

Der Investor baut ein Café und Sozialräume für Treffen der Bewohner und der Gemeinde, und gehe dabei weit über das branchenübliche Maß. Er refinanziert es dadurch, dass er das Grundstück nicht von der Kirche abkaufen muss – es wird ihm überlassen. 26 Wohneinheiten für alleinstehende und Paare, schick, aber bezahlbar.

Die Kapelle auf dem Friedhof auf Schwerin wird zur neuen Pfarrkirche von St. Franziskus. Für Hans-Theo Müller (Kirchenvorstand) wird das die vierte Kirche sein.

Die Kapelle auf dem Friedhof auf Schwerin wird zur neuen Pfarrkirche von St. Franziskus. Für Hans-Theo Müller (Kirchenvorstand) wird das die vierte Kirche sein. © Tobias Weckenbrock

Im ersten Schritt wird aber woanders gebaut: Die Friedhofskapelle an einem der belebtesten Fußgängerwege des Ortsteils (Grohsmann: „Das ist der belebteste Friedhof der Stadt, ein Kommunikationspunkt“) zwischen Cottenburg- und Westhofenstraße wird zur Pfarrkirche mit 60 bis 80 Sitzplätzen auf Stühlen statt Bänken, mit kunstvoller Farbverglasung, neuem Lichtkonzept und einem Gemeinderaum.

Die benachbarte Evangelische Gemeinde habe schon angefragt, ob sie die Räume auch nutzen könne. Kein Problem, sagt Grohsmann – im Gegenteil.

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Projekt Franziskushöfe: Das plant die Gemeinde

Das Projekt heißt "Franziskushöfe": Die Kirche auf Schwerin wird bis auf den Kirchturm abgerissen. Dort entstehen erst 26, später eventuell 14 weitere Seniorenwohnungen und Gemeinderäume. Die Kita wird ausgebaut. Die Friedhofskapelle wird zur neuen Pfarrkirche. Wir zeigen Bilder.
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Es kommt eine kleine Küchenzeile herein, sodass man hier direkt ein Beerdigungscafé veranstalten kann, ehrenamtlich betrieben mit einer Terrasse nach hinten raus zu den schönen Platanen. Umbaukosten: 380.000 Euro. Bau-Fertigstellung: Sommer 2022.

Dann folgt die Entweihung der alten Kirche und Abriss sowie Neubau auf dem Gelände. Wann die Kita erweitern kann, hänge auch vom Träger, der Kita östliches Ruhrgebiet gGmbH aus Dortmund, ab. Der Platzbedarf ist mit dem Jugendamt abgestimmt.

Planungen laufen schrittweise

Planender Architekt ist Reinhard Nimz aus dem Architekturbüro Leder-Nimz, ein Schweriner Urgestein. Er sagt: „Die Franziskushöfe entstehen schrittweise. Die Kirche und das Pfarrhaus sind der erste Bauabschnitt. Daneben auf dem Parkplatzgrundstück könnte der zweite Bauabschnitt entstehen, wenn der erste gut angenommen wird. Dann könnten zu den 26 noch weitere 14 Wohneinheiten entstehen.“

Das Motto ist „Aktiv Wohnen im Seniorenalter“: Es wird kein Pflegeheim, sondern Wohnen mit optionalen Pflege-Dienstleistungen.

„Im Ortsteil Schwerin gibt es das noch nicht“, sagt Winfried Grohsmann. Dabei sei das wichtig für viele Menschen: „Schweriner bleiben gerne auf Schwerin.“

So soll der Kirchraum aussehen: rund 60 Stühle statt Bänke, bunte Kirchenfenster und eine Öffnung durch eine Doppelflügeltür in den hinteren Gemeindesaal.

So soll der Kirchraum aussehen: rund 60 Stühle statt Bänke, bunte Kirchenfenster und eine Öffnung durch eine Doppelflügeltür in den hinteren Gemeindesaal. © Reinhard Nimz

Die Rückmeldungen seien bisher positiv ausgefallen, sagen Nimz, der Kirchenvorstand Hans-Theo Müller und der Pfarrer. „Es bedeutet Veränderung und neues Leben im alten Zentrum“, sagt Müller.

Der wehmütige Gedanke, dass man die alte Kirche abreiße, sei auch da. „Die alte Holzkirche, später die Holzkirche auf dem Friedhof, die Franziskuskirche an der Frohlinder Straße, nun die neue auf dem Friedhof: Es wird dann meine vierte Kirche sein“, sagt der „Poahlbürger“ Müller, der als für das Gemeindevermögen zuständig ist und alles plant.

Eine Frau (94), erzählt Pastor Grohsmann, habe ihm gesagt: „Mein Herz hängt an der Kirche. Aber mein Verstand sagt, dass sich hier etwas zum Guten entwickelt.“ Er selbst sagt: „Es ist ein Sozialprojekt. Vielleicht auch ein Signal für eine Quartiersentwicklung“, so Grohsmann. Die Stadt setze gerade Schwerpunkte in anderen Quartieren.