Von Häuslicher Gewalt bis Missbrauch Zahl der Misshandlungen von Kindern in Castrop-Rauxel steigt

Misshandlung von Kindern in Castrop-Rauxel: Zahl der Fälle steigt
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Häusliche Gewalt, körperliche und psychische Misshandlung, Vernachlässigung oder auch sexueller Missbrauch: Dinge, die Kinder niemals erleiden sollten. Doch leider sieht es Realität manchmal anders aus. 2022 stieg die deutschlandweite Zahl der Hinweise auf Kindeswohlgefährdungen bei den Jugendämtern auf 203.700 – ein Allzeithoch; so viele Fälle wurden zuvor noch nie gemeldet.

Auch die neusten Zahlen für Castrop-Rauxel zeichnen kein gutes Bild. Im vergangenen Jahr 2023 gab es insgesamt 228 Mitteilungen zu Kindeswohlgefährdungen von 201 Kindern, davon 102 Mädchen und 99 Jungen. Die lokalen Zahlen sind ebenfalls ein neuer Höchstwert. Im Vorjahr wurden insgesamt 204 Fälle gemeldet; 2017 waren es nur 57. Seitdem gab es einen kontinuierlichen Anstieg.

Doch ein Hinweis auf deine Kindeswohlgefährdung ist nicht immer gleich eine tatsächliche Kindeswohlgefährdung. Geht eine Mitteilung ein, werde sie erstmal von einem Sachbearbeiter erfasst und dokumentiert, das erklärte Michael Zemsky, Leiter des Bereichs „Jugend und Familie“ in Castrop-Rauxel. Anschließend beraten sich die Fachkräfte und holen weitere Informationen ein, etwa bei Schulen oder Kitas. Es folgt ein Hausbesuch – „immer zu zweit“, sagt Zemsky. In besonders akuten Fällen, gerade bei Säuglingen oder Kleinkindern, folgt der Hausbesuch unmittelbar; mehr als einige Tage vergehen aber in der Regel in keinem Fall. Danach folgt eine weitere Beratung der Kollegen. In der Folge werden die Fälle eingeordnet.

Häusliche Gewalt häufiger Grund

Von den 228 Hinweisen, die es 2023 in Castrop-Rauxel gab, stellten sich 61 (27 Prozent) als unbegründet heraus. In 52 Fällen (23 Prozent) wurde allerdings eine Kindeswohlgefährdung bzw. eine latente Kindeswohlgefährdung festgestellt. In den 115 restlichen Fällen (50 Prozent) wurde zwar keine Kindeswohlgefährdung, wohl aber ein Hilfe- oder Unterstützungsbedarf festgestellt. Auf die Nachfrage, weshalb in den meisten Fällen keine klare Kindeswohlgefährdung bestehe, antwortete die Pressesprecherin der Stadt: „Weil die entsprechenden gewichtigen Anhaltspunkte nicht vorlagen.“

Dennoch ist es richtig, lieber einmal zu oft als zu selten mögliche Kinderwohngefährdungen zu melden. „Wir sind auf Hinweise angewiesen, denen wir dann nachgehen können“, sagt Zemsky. Denn andersherum gehen Expertinnen und Experten davon aus, dass die Dunkelziffer noch deutlich höher liegt. Laut Dunkelfeld-Studien wird nur jede vierte Kindeswohlgefährdung auch gemeldet. Die meisten Hinweise wurden 2023 übrigens durch Polizei, Gericht und Staatsanwaltschaft gemacht, die für die Statistik zusammengefasst wurden. Die zweitmeisten Hinweise kamen von den Schulen. Auf Rang drei folgen anonyme Meldungen.

Die meisten Meldungen über mögliche Kindeswohlgefährdungen kamen von Polizei, Gericht und Staatsanwaltschaft.
Die meisten Meldungen über mögliche Kindeswohlgefährdungen kamen von Polizei, Gericht und Staatsanwaltschaft. © picture alliance/dpa (Symbolbild)

Die häufigste Art einer Kindeswohlgefährdung in Castrop-Rauxel ist Häusliche Gewalt. Auch körperliche Misshandlungen sind laut Statistik verhältnismäßig häufig Grund dafür, dass das Wohl eines Kindes gefährdet ist. Weniger häufig, aber doch vertreten sind Suchterkrankungen der Eltern, psychische Misshandlungen oder sexueller Missbrauch. Immer wieder kommen auch mehrere Arten zusammen. „Man kann keine Schablone anlegen. Das sind alles sehr unterschiedliche Fälle“, sagt der Bereichsleiter Michael Zemsky. Auch die Bewertung könne bei gleicher Meldung unterschiedlich ausfallen. Wenn ein Kind zum Beispiel allein gelassen wird, macht das Alter einen großen Unterschied oder die Frage, wie häufig das Kind allein gelassen wird. „Das wird manchmal in detektivischer Kleinarbeit eruiert“, so Michael Zemsky.

Wie die Stadt auf Fälle reagiert

Wie der Bereich „Jugend und Familie“ der Stadt auf bestätigte Kindeswohlgefährdungen reagiert? „Eine einvernehmliche Kooperation mit den Familien ist für uns ein Kernelement.“ Man bietet also Hilfen an und finde heraus, inwiefern Eltern bereit sind, mitzuarbeiten. Es könnten Beratungsstellen vermittelt werden, Hilfe zur Erziehung angeboten werden, aber auch stationäre Hilfen.

Eine weitere Möglichkeit sei es, Schutzkonzepte aufzustellen. „Es gibt dann schriftliche Vereinbarungen, was zu tun ist“, beschreibt Michael Zemsky. Das kann sein, dass einfach mal die Wohnung auf Vordermann gebracht werden muss. Oder aber das Kind zu bestimmten Terminen vorgestellt werden muss. Michael Zemsky betont außerdem die Kooperation mit anderen Kommunen und Trägern gerade im Bereich Kinderschutz. „Wir haben ein reiches Präventionsangebot. Dort versuchen wir, dass es erst gar nicht so weit kommt.“