„Wir wollen selbst entscheiden. Nicht Paderborn“ Katholische Kirche plant die Gebäude-Zukunft

„Wir wollen entscheiden. Nicht Paderborn“: Gemeinde stellt Gebäude-Plan auf
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Verwaltungs-Chefin Tabea Trojan und Pastor Zbigniew Szarata sind dem Pastoralverbund Castrop-Rauxel Süd mit ihrer Pfarrei Corpus Christi ein paar Schritte voraus. Darum können sie sich glücklich schätzen. Die Fusion der Gemeinden St. Antonius, St. Josef, St. Barbara und Herz Jesu lief schon vor 20 Jahren einigermaßen glatt durch. Sie stehen damit jetzt der nächsten Schrumpf-Pflichtaufgabe. Es geht um die Immobilien.

Pastor Szarata hilft dabei die langjährige Arbeit in der Gemeinde im Castrop-Rauxeler Norden: Er wohnt in St. Josef Habinghorst, weiß aber genau, wie die Menschen in St. Barbara ticken und was es für Herz-Jesu in Rauxel braucht. Und dass St. Antonius Ickern mit der Parabel-Kirche unantastbar ist. Seit 2003 leitet der Pole die Gemeinden. Da war die Fusion schon ausgemacht, um die man in St. Lambertus und den anderen fünf Gemeinden des Südens noch ringt.

2022 führte das Erzbistum Paderborn das Konzept der Immobilienstrategie ein. Es geht um die Frage, welche Kirchen und Gemeindehäuser man in Zukunft noch braucht. Oder anders: wie man sie in Zukunft anders nutzen kann. Kreative Ideen sind gefragt.

„Unsere Kirchen sind in einem guten Zustand“, sagt Szarata in einem Gespräch mit unserer Redaktion. „Nur das Dach von St. Antonius wird noch saniert, mit dem Rest sind wir fertig“, erklärt er. „Aber die Kirchen müssen belebt sein, ein Ort des Glaubens und der Gemeinschaft bleiben.“ Sie seien das noch, „aber nicht mehr so, wie wir es uns wünschen würden“. Die Zahl der Kirchenbesucher, der Nutzergruppen in den Gemeindehäusern: Sie sinkt seit Jahren. Die Kirche ist nicht mehr so tief in der Gesellschaft verankert, wie sie es einst war. Tendenz: weiter abnehmend.

Pfarrer Zbigniew Szarata feierte beim Gemeindefest von St. Josef in Habinghorst im Mai 2022 einen Open-Air-Gottesdienst vor der Kirche. Was wird aus den Gebäuden im Pastoralverbund in Zukunft?
Pfarrer Zbigniew Szarata feierte beim Gemeindefest von St. Josef in Habinghorst im Mai 2022 einen Open-Air-Gottesdienst vor der Kirche. Was wird aus den Gebäuden im Pastoralverbund in Zukunft? © Tobias Weckenbrock (2022)

„Die Grenzen sind fließend“

Das wird nicht abgestritten. Nicht in Castrop-Rauxel, nicht im hohen Dom zu Paderborn. Aber Szarata sagt auch: „Uns geht es gut.“ Er meint das explizit auf die Gemeinde bezogen und vielleicht auch in Abgrenzung zum PV Süd: „Wir haben hier alles ganz nah beisammen. Und die Grenzen sind fließend.“ St. Barbara und St. Antonius seien 800 Meter voneinander entfernt. Klar sei, dass man irgendwann die Daseinsfrage stellen müsse.

Tabea Trojan hat dazu nun die Gremien der Gemeinde und die Öffentlichkeit eingeladen. „Transparenz ist A und O, bei der Fusion und auch jetzt“, sagt Szarata. Man will alle, die mitreden wollen, einbeziehen; nichts von oben herab abschaffen. Und man habe ja auch noch die Zeit dafür: „Wir wollen nichts sofort abschaffen, es ist ein Prozess. Wir wollen schauen, dass sie das selbst einsehen.“ Dennoch sei klar aus Paderborn formuliert: Der Anzug, in dem unsere Kirche steckt, ist heute zu groß.

St. Antonius steht im Herzen von Ickern und ist mit der denkmalgeschützten Kirche absolut vor dem Abriss gefeit.
St. Antonius steht im Herzen von Ickern und ist mit der denkmalgeschützten Kirche absolut vor dem Abriss gefeit. © Tobias Weckenbrock (Archiv)

Was also steht zu Disposition? St. Barbara vielleicht, weil es die kleinere von zwei Kirchen in Ickern ist? „Es ist nicht unsere Absicht, Kirchen abzureißen“, sagt Szarata klipp und klar. Auch auf Nachfrage. Man stecke mitten in einem Analyse-Prozess. Die Gemeinden haben dafür aufgelistet, wie oft die einzelnen Gebäude genutzt werden, und die Größen transparent dargestellt. Am Montag (25.11.2024) gab es das zweite Treffen im Zuge dieses Prozesses. Beim ersten Treffen seien 30 Leute da gewesen.

Tabea Trojan sagt, die Pfarrei habe selbst schon mal genauer hingeguckt, um sich vorzubereiten auf den Prozess, der dann 2025 offiziell starten wird. Dabei werde man dann auch aus Paderborn von Fachleuten des Erzbistums begleitet. Szaratas Diktum ist aber klar: „Wir wollen selbst vor Ort entscheiden, nicht Paderborn.“

Kann man Kirchen umwidmen?

Denn es seien ja mehr als bloße Wände, über die man hier diskutiert: „Es ist Heimat, es sind Emotionen damit verbunden. Hier haben sich über Jahre und Jahrzehnte Menschen ehrenamtlich engagiert“, sagt er. „Unsere treuen Mitarbeiter: Denen müssen wir das einfühlsam nahelegen.“

Tabea Trojan spricht darum über kreative Ideen: Kann man Kirchen umwidmen? Kann man gemeinsame Nutzungsformen finden? Tagsüber als Tagespflegeeinrichtung nutzen vielleicht, nachmittags dann als Gemeinderäume – das sei eine Option. „Es gibt viele Möglichkeiten. Unser Wunsch ist eine gemeinschaftliche Nutzung mit Kooperationspartnern.“

St. Barbara in Ickern gibt es seit über 60 Jahren. Die Kirche wurde erst kürzlich saniert und wird auch verschiedentlich genutzt. Aber hier gäbe es noch Potenzial; davon ist die Gemeindeleitung überzeugt.
St. Barbara in Ickern gibt es seit über 60 Jahren. Die Kirche wurde erst kürzlich saniert und wird auch verschiedentlich genutzt. Aber hier gäbe es noch Potenzial; davon ist die Gemeindeleitung überzeugt. © Tobias Weckenbrock (Archiv)

Jede Kirche sei dabei wichtig für ihren Standort. St. Barbara gebe es seit 60 Jahren, St. Josef seit 100 Jahren, St. Antonius sei als architektonisches Bauwerk denkmalgeschützt. „Die Räume sind ein Glaubenszeugnis. Das wollen wir auch beibehalten; aber nicht als Leerstand, sondern multifunktional“, sagt Pfarrer Szarata. Mit sozialen oder karitativen Diensten. Oder so wie das Gemeindehaus von St. Antonius, das die Marktschule als OGS mitnutzt. Der offene Jugendtreff aus dem nun geschlossenen Christophorusheim in Habinghorst sei hierher umgezogen. St. Barbara sei eine Malteser-Begegnungsstätte, die Barbarahütte Tafel-Ausgabestelle und im Pfarrhaus ein Büro. „Aber auch da ist noch nicht alles komplett ausgelastet. Wir wollen es maximal ausnutzen“, sagt Szarata.

In Herz Jesu sei auch eine Tafel-Ausgabestelle. Es habe auch hier eine Anfrage der Waldschule für die Mitnutzung gegeben. „Wir dürfen keine Last für zukünftige Generationen sein“, habe der Erzbischof Udo Markus Bentz formuliert. „Wir müssen auch bei weniger Ehrenamtlichen und weniger Angestellten alles bewältigen.“

15 Monate bis zum fertigen Konzept

Wenn der Prozess offiziell 2025 beginnt, dauert es 15 Monate, bis das fertige Konzept stehen soll. So wie in Herne: Aus zehn Gemeinden wurde dort eine Großpfarrei. Corpus-Christi-Leute fuhren nach Herne und sprachen mit Gemeindevertretern. Vier Kirchen schließen dort. Drei davon werden oder wurden entwidmet. Heute ist dort Nils Petrat als Priester tätig: Er wurde erst vor kurzem dort als neuer Pfarrer eingeführt. In Corpus Christi kennen sie ihn: Seine Primiz feierte der Ickerner einst in St. Barbara.

8950 Pfarreimitglieder habe man noch im Castrop-Rauxeler Norden. Bei der Fusion vor 20 Jahren seien es noch 11.000. Die Schrumpfung geht weiter: Immer weniger Familien entscheiden sich für die Taufe. Was oben wegstirbt, wächst von unten nicht mehr automatisch nach. 50 bis 60 Taufen stehen 120 Sterbefällen gegenüber, so Szarata. Und Austritte gibt es in den vergangenen zehn Jahren auch mehr denn je. Die Einstellung der Kirche zu Themen wie Homosexualität, Wiederverheiratung und ihr Umgang mit Kindesmissbrauchs-Vorfällen werden heute sehr kritisch gesehen.

Tabea Trojan und Pfarrer Szarata: Auch Corpus Christi wird sich Gedanken machen müssen, wie man die Kirchen erhält oder anderweitig nutzen kann.
Tabea Trojan und Pfarrer Szarata: Auch Corpus Christi wird sich Gedanken machen müssen, wie man die Kirchen erhält oder anderweitig nutzen kann. © Corpus Christi

Aber das Schrumpfen müsse nicht mit Schmerzen verbunden sein, findet Tabea Trojan, die ebenfalls selbst aus der Gemeinde stammt und erst kürzlich als hauptamtliche Gemeindeverwalterin angefangen hat: „Es ist doch schön, wenn man seine Gebäude wieder belebt. Ich versuche, darin eine positive Veränderung zu erkennen, was zu machen für die Gemeinde, damit vor Ort mehr los ist“, sagt sie. „Was soll man mit einem Haus, das leersteht?“

Und man habe auch Visionen, meint Szarata: „Wir haben in Ickern viele Familien, gerade auch durch das Beerenbruchviertel. Wir haben diese schöne Parabelkirche. Wenn wir sie multifunktional machen könnten, wäre das doch optimal. Sie ist zentral, ist gut erreichbar.“ In St. Josef Habinghorst sei seine Vision, noch mehr Angebote in der Seniorenarbeit zu machen, die Wohnmöglichkeiten im Altenheim Josefshaus zu optimieren, sodass die Leute gerne an diesem Ort ihr Leben zu Ende bringen.

Tabea Trojan: „Offen für Ideen“

Tabea Trojan sagt aber auch, dass sie offen für Ideen der Menschen vor Ort sei. „Ich möchte hören, was die Leute sich wünschen. Manchmal kommt man selbst gar nicht auf Ideen, die aus der Gemeinde kommen. Gern will ich mich von den Leuten inspirieren lassen.“

Zwei Pastöre und eine Gemeindereferentin sind für die Zukunft als Stellen in der Gemeinde neben der Verwaltungs-Chefin vorgesehen. Dazu arbeitet noch Reinhard Hörmann als Subsidiar mit. Pfarrer Zbigniew Szarata ist 63 Jahre alt. Bis 70 wird er definitiv bleiben, sagt er. Bis 75 dürfen Priester in der geistlichen Pfarreileitung weiter machen. Er wird also die Veränderungen noch selbst miterleben.

Pfarrer Zbigniew Szarata feierte beim Gemeindefest von St. Josef in Habinghorst im Mai 2022 einen Open-Air-Gottesdienst vor der Kirche.
Pfarrer Zbigniew Szarata feierte beim Gemeindefest von St. Josef in Habinghorst im Mai 2022 einen Open-Air-Gottesdienst vor der Kirche. © Tobias Weckenbrock