Rund 48,5 Millionen Euro Minus plant die Kämmerei der Stadt Castrop-Rauxel für den Haushalt 2025 ein. Weitere 49,5 Millionen Euro Minus kommen 2026 zum Schuldenberg dazu. Und in der Projektion auf die nächsten zehn Jahre betrachtet nimmt die Defizit-Tendenz noch zu. Bürgermeister Rajko Kravanja (SPD) bewertete die Veröffentlichung dieser Horror-Zahlen am Donnerstag (12.12.2024) in der Ratssitzung mit diesen Worten:
„Wenn wir zehn Jahre vorausschauen und uns die Liquiditätskredite anschauen, dann wären wir im Jahr 2036 bei einer Summe von 988 Millionen Euro. Eine Milliarde Euro Liquiditätskredite. Eine Milliarde in zehn Jahren. Das ist unfassbar. Das hätte ich nie gedacht, dass wir diese Zahl jemals in den Mund nehmen werden.

Das ist keine Frage mehr von Altschuldenlösungen. Die muss kommen, das soll aber gar nicht das Thema sein. Selbst wenn wir die Schulden heute runternehmen, reden wir immer noch über einen Riesenberg, der hinzukommt. Was machen wir dann? Jedes Jahr eine neue Altschuldenlösung? Das kann doch nicht sein! Wir müssen eine strukturelle Finanzierung von Kommunen hinbekommen.
Eine Zeitbombe, die uns erdrückt, sind die Wiedereingliederungshilfen. Das fängt aktuell noch der Kreis Recklinghausen mit seinen Rücklagen auf. Das Haushaltsloch wäre sonst noch größer. Immer mehr Kommunen bekommen Schlüsselzuweisungen aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz. Selbst wenn der Kuchen größer wird, bekommen wir nicht mehr heraus.
„Sie sagen: ‚Ihr habt sie nicht alle auf dem Zaun!‘“
Wir brauchen eine Altschuldenlösung mit einer strukturellen Klärung. Was passiert, wenn das nicht der Fall ist? Wen sollen wir noch begeistern in der Kommune für Politik? Wer macht das noch wie Uli Werkle 40 Jahre lang, wenn er nur verwalten darf und nur drüber redet, wo gespart werden kann, aber nicht mehr, wo ich gestalten kann? Das ist vorbei!
Das betrifft nicht nur den Stadtrat, sondern auch alle Bürgerinnen und Bürger. Wir alle wollen gestalten. Wenn wir mit den Menschen reden, da muss ein Fußgängerweg hin, da eine Brücke – was sollen wir denen denn sagen? Nur „geht nicht“, nur „können wir nicht“ – das kann man ein Jahr machen oder zwei. Wenn wir denen aber sagen, dass in den nächsten zehn Jahren gar nichts mehr geht, was sollen die Leute denn dann von uns als Politiker halten? Sie sagen: „Ihr habt sie nicht alle auf dem Zaun!“ So kann Politik, so kann eine Stadt nicht funktionieren.
Vom Bund beschlossen: „Er hat uns aber das Geld nicht gegeben“
Wir können wir nur noch rechtsverbindliche Dinge tun. Stichwort OGS: Der Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Offenen Ganztagsschule für Eltern ist richtig. Das hat der Bund beschlossen. Er hat uns aber das Geld dafür nicht gegeben. Wir haben 4,3 Millionen Euro einmaligen Investitionszuschuss für den Ausbau von Räumen bekommen. Das werden wir an drei Schulen machen. Allein im Haushalt 2025/26 haben wir für diese drei Schulen 5 Millionen Euro Investitionen geplant. Wir müssen es tun. Wir nehmen auch dafür Kredite auf. Wir bauen auch noch eine Mensa am Alten Garten. Würden wir das auch noch reinrechnen, wären wir bei 6,3 Millionen Euro.
Wir brauchen eine neue Rettungs- und Feuerwache. Aber wie mit 1 Milliarde Euro neuen Schulden bis 2036? Das EBG bekommt einen Anbau mit 6,1 Millionen Euro. Und dürfen wir überhaupt noch Fördermittel beantragen zum Beispiel für den Bau von Fahrradstraßen? Wir müssen wir ja zehn Prozent Eigenanteil beisteuern. Wir sind inzwischen so weit, dass wir das kaum noch können. Damit sind wir handlungsunfähig.

Am Fuhrparkgelände haben wir den Abriss mit 1,2 Millionen Euro im Haushalt vorgesehen, um endlich diesen Schandfleck zu beseitigen. Und es gibt viele andere Dinge, die wir gern machen würden, weil sie sinnvoll sind, vielleicht sogar notwendig.
Wenn ich bei Wikipedia in die Definition von Demokratie schaue, dann weiß ich nicht, ob wir in diesem Sinne überhaupt noch eine Demokratie in Castrop-Rauxel haben. Dort heißt es, es gehe um Teilhabe und Partizipation aller an der politischen Willensbildung. Was sollen wir den Menschen denn sagen, wo sie Teilhabe haben am Leben in dieser Stadt?
„Der Pleitegeier ist schon verrottet“
Den Pleitegeier, den ich vergangenes Jahr dabei hatte, habe ich diesmal extra nicht mitgebracht. Der ist schon verrottet. Es geht um die Frage, ob wir noch gestalten können, oder nur noch verwalten und kaputtsparen.
Unsere Akzente, die wir bei all dem noch setzen, sind Investitionen in Schulbauten. Die sind uns so wichtig, das müssen wir hinkriegen. Wir schaffen an eins, zwei Stellen Infrastrukturprojekte – aber auch nur mit angezogener Handbremse.“
Eine Aussprache der Politik zum Doppelhaushalt 2025/26 gibt es in einer Sonderratssitzung im Februar 2025. Dann wird auch darüber abgestimmt und der Haushalt mitsamt dem Stellenplan verabschiedet. Danach muss er von der Aufsichtsbehörde genehmigt werden. Ein solch defizitärer Haushalt ist nicht genehmigungsfähig. Aber selbst erhebliche Einsparungen würden ihn nicht ausgleichen.
Schulden wachsen jährlich um über 50 Millionen Euro: Castrop-Rauxels Finanzlage immer dramatischer
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