„Da habe ich die Kameras komplett ausgeblendet“ Michelle über ihre Hochzeit auf den ersten Blick

Michelle (32): „Da habe ich die Kameras komplett ausgeblendet“
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Seit drei Wochen ist Michelle (32) aus Castrop-Rauxel eine Fernseh-Größe. Vor einem Millionen-Publikum heiratete die Hörgeräte-Akustik-Meisterin Fabian in der Sendung „Hochzeit auf den ersten Blick“. Braut und Bräutigam wurden dabei zusammen-gecastet. Vor der Eheschließung auf Schloss Proschwitz in Meissen sahen sich die Brautleute kein einziges Mal.

Wie war das für Michelle? Und wie ist es, in der Öffentlichkeit zu stehen? Über kritische Kommentare, viel Zuspruch und besondere Momente sprachen wir mit ihr, und über das Gefühl von einer einzigartigen „Klassenfahrt“ und warum die Bayern die besseren Menschen sind.

Die 32-jährige Michelle aus Castrop-Rauxel heiratet bei dem Sat.1-Format "Hochzeit auf den ersten Blick".
Die 32-jährige Michelle aus Castrop-Rauxel heiratet bei dem Sat.1-Format "Hochzeit auf den ersten Blick". © Joyn/Christoph Assmann

Heißt du eigentlich wirklich Michelle, oder nur im Fernsehen?

Das ist mein richtiger Name. Nur mein Nachname bleibt geheim in der Sendung.

Warum eigentlich?

Ich denke, damit man nicht überall gefunden werden kann.

Das passt dir auch ganz gut?

Ja.

Wir haben dich trotzdem gefunden. Du arbeitest zwar in Essen, aber wohnst in Castrop-Rauxel. Wo guckst du eigentlich die Sendung, in der du selbst vorkommst?

Ich gucke die ein paar Tage eher bei Joyn+, damit ich mich darauf einstellen kann, was im Fernsehen abgeht. So kann ich das alles Revue passieren lassen. Ich bin ganz froh darum.

Kennst du denn die zusammengeschnittenen Ergebnisse von dem Gedrehten nicht?

Leider nicht. Beim Finale haben wir einen kurzen Ausschnitt gesehen. Aber jene zehn Minuten im Vergleich zu den ganzen Folgen ist natürlich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Wir haben November. Aktuell laufen die Folgen jeden Montag um 20.15 Uhr bei Sat.1 und bei Joyn. Wann wurde eigentlich gedreht?

Die Hochzeiten waren Ende Mai und Anfang Juni.

Wie lange war ein Fernsehteam bei dir und bei deinem neuen Mann?

Vorab waren sie bei uns zu Hause. Das waren ein paar Drehtage. Dann wurde die Hochzeit komplett begleitet. Dabei hat die Kamera immer draufgehalten. Wir hatten eigentlich keine ruhige Minute. Bei der Hochzeitsreise sah das nicht anders aus. Es wurde darauf geachtet, dass man auch Zweisamkeit hat, aber schlussendlich sollte ja eine Dokumentation entstehen. Das Team will alles mit den Kameras einfangen.

Würdest du denn sagen, das Erlebte ist in den Folgen treffend zusammengefasst?

Was ich bis jetzt gesehen habe, ist wirklich so passiert. Ich bin ein emotionaler Mensch, das kommt gut rüber. Es wird aber natürlich extra dramatisch zusammengeschnitten, und die zeitliche Einordnung kommt manchmal nicht so rüber. Dass ein Umbau beim Regen bei der Hochzeit nicht nur fünf Minuten dauert, sondern anderthalb oder zwei Stunden, wurde im Fernsehen nicht unbedingt so dargestellt.

Michelle (32) von „Hochzeit auf den ersten Blick“ im Studio unserer Redaktion am Lambertusplatz.
Michelle (32) von „Hochzeit auf den ersten Blick“ im Studio unserer Redaktion am Lambertusplatz. Wir nahmen dort für unseren Podcast, den „PottCAS“, auf. © Tobias Weckenbrock

Da sind wir beim Thema. Was war los bei eurer Hochzeit?

Im wunderschönen Meissen waren wir. Ich war sehr überrascht, als die Hochzeit wegen starken Regens abgebrochen werden musste. Man steht da und denkt: Jetzt geht es endlich los! Und dann kommt der Abbruch und ich dachte mir: Es ist doch nur Regen. Bis mir dann klar wurde, dass die Trauung draußen stattfinden sollte. Dann sitzt man da in einem leeren Raum, wartet und wartet... Ich hatte keine Uhr, kein Handy, gar keine Vorstellung mehr, wie spät es ist. Und ich musste sehr, sehr lange warten. Aus Berichten weiß ich, dass es anderthalb, zwei Stunden waren.

Familie und Freunde konnten nicht bei dir sein in dieser Phase?

Ich hatte nur meine Freundin Hilke dabei. Die hatte die Familie von meinem Match Fabian noch nicht gesehen und konnte mir also nichts spoilern. Darum durfte sie bei mir bleiben. Die Familien wurden auch voneinander getrennt. Fabian war in der Phase auch allein. Eine romantische Traumhochzeit stellt man sich wirklich anders vor.

Das Blatt hat sich ja zum Glück gewendet. Konntest du die Trauung dann tatsächlich genießen, oder fühlt man sich schon sehr wie in einem Film, in dem alles gescripted ist?

Das Ganze läuft natürlich nach einem Ablaufplan. Die Macher haben eine gewisse Vorstellung von der Hochzeit, natürlich gibt es da irgendwo ein Skript. Aber alles, was da passiert, ist tatsächlich echt. Echte Emotionen. Wir hatten keine Vorgabe, wie wir uns zu verhalten haben. Und ich muss sagen: Bei der Trauung habe ich die Kameras komplett ausgeblendet. Ich war wie im Tunnel und habe gar nicht wahrgenommen, dass da überhaupt Kameras um uns herum waren. Obwohl es die ganze Zeit vier, fünf, sechs Kameras waren.

Weil du dir das vorgenommen hast oder weil das automatisch so gekommen ist?

Das ist einfach passiert. Ich habe mich auf Fabian konzentriert.

Das heißt, die Hochzeit, wenn man jetzt vom Regen absieht, war eigentlich schön?

Wenn man von perfekt spricht, klingt das immer ein bisschen komisch. Aber die Trauung an sich war wirklich sehr, sehr schön. Die Sonne kam ja auch wieder raus. Ein Drehbuch hätte es nicht schöner schreiben können. Die Traurede war super. Davon wurde leider im Fernsehen nicht ganz so viel gezeigt. Seine Worte an mich waren ähnlich, wie ich sie gewählt habe. Das war sehr romantisch. Wir haben direkt gemerkt, dass wir tatsächlich auf einer gleichen Welle schwimmen.

Fühlte sich das für dich an wie ein Spiel, ein Fernsehspiel, oder wie deine echte Hochzeit in deinem echten Leben?

Es fühlte sich an wie eine echte Hochzeit. Dadurch, dass man sich ein halbes Jahr darauf vorbereitet, nimmt man das sehr ernst. Es war für mich real. Dieses Verständnis dafür, dass ich jetzt eine Ehefrau bin, hat sich natürlich erst in den Wochen danach eingestellt. Man kommt ja direkt vom Single-Dasein in eine Ehe. Da braucht man ein paar Momente, um das wirklich zu verstehen.

Sinn der Sendung für alle, die sie nicht kennen: Ihr heiratet jemanden, den ihr vorher noch nie gesehen habt…

Genau, einen völlig Unbekannten. Wir kennen keinen Namen, keinen Wohnort, gar nichts. Wir haben diesen Menschen noch nie gesehen und sehen uns da zum ersten Mal, also wirklich eine Hochzeit auf den ersten Blick.

Du kanntest die Sendung, hast sie in den vorigen Staffeln auch geguckt. Du wusstest, worauf du dich einlässt, zumindest von außen betrachtet. Ist es jetzt im Nachhinein so, wie du es dir vorgestellt hast?

Ja, schon. Es ist so, wie man es im Fernsehen tatsächlich sieht. Was man nicht vergessen darf, ist dieser Druck irgendwie, der auf einem lastet, permanent und ständig die Kamera dabei zu haben; und einen Fremden als Mann.

Was heißt das genau? Ist immer jemand im Raum, auf dem Balkon, beim Spaziergang draußen und so?

Ja, man plant ja verschiedene Aktivitäten; und da ist das Kamerateam dann einfach dabei. Wir selbst haben keinen Einfluss darauf, was wir machen. Immer mit Menschen zusammen zu sein, die man eigentlich gar nicht kennt, ist eine ungewohnte Situation.

Jetzt postest du manchmal Schnipsel aus den Dreharbeiten bei Instagram, wie Leute mit dir da so stehen, wo man auch Kameras und Mikroangeln sieht und so. Das wirkt eigentlich so wie eine Klassenfahrt. Stimmt der Eindruck?

Ja, das ist wirklich ein bisschen wie Klassenfahrt. Wir hatten zwei Redakteurinnen dabei, einen Kameramann, einen Tonmann. Die waren vorab fester Bestandteil unseres Teams. Man wächst natürlich zusammen, man hat auch Spaß zusammen. Auch wenn wir Eheleute im Vordergrund stehen: Mit denen hinter der Kamera quatscht man auch mal. Es hat schon ein bisschen Klassenfahrt-Charakter.

Und Abflug: Michelle und Fabian im Flieger vor ihrer Hochzeitsreise nach Singapur.
Und Abflug: Michelle und Fabian im Flieger vor ihrer Hochzeitsreise nach Singapur. © privat

Auf was können wir uns jetzt noch freuen, wenn wir nach vorne blicken?

Leider darf ich nichts verraten. Nach unserer Hochzeitsreise nach Singapur kommen noch weitere spannende Pärchen. Es lohnt sich, sich auch mit denen zu beschäftigen.

Kennt ihr euch denn?

Die Neuerung in dieser elften Staffel ist, dass die Frauen sich vorab kennengelernt haben und die Männer auch. Wir hatten schon während der Dreharbeiten Kontakt, so ein bisschen zumindest. Nicht zu viel, denn es war nicht gewünscht, dass wir uns vorab austauschen über das Ende unserer Reise. Aber wir haben immer noch Kontakt über eine WhatsApp-Gruppe. Wir unterstützen uns auch jetzt während der Ausstrahlung.

Warum?

Das tut einfach gut, Unterstützung von den anderen zu haben.

Wie ist das Feedback bei dir? Was nimmst du für Resonanzen wahr?

Es ist schwierig. Dass wir Hass abbekommen, das war uns fast klar. Darauf wurden wir auch vorbereitet. Dass es mir in diesem Umfang passiert, war mir aber nicht bewusst.

Was ist denn der Umfang?

Die Kommentare auf den Social-Media-Plattformen, zum Beispiel Facebook, sind schon sehr hart. Mich erschreckt immer wieder, dass Leute, die einen gar nicht kennen, einen so beurteilen und verurteilen. Das finde ich irgendwie gemein, weil keiner dieser Menschen jemals persönlich mit mir gesprochen hat. Keiner kennt mich. Es kommen aber sehr, sehr böse Kommentare. Einerseits kann ich sie verstehen aufgrund des Ausstrahlten. Man muss aber vorsichtig sein, solche Sachen im Internet öffentlich zu schreiben.

Wie bist du denn in der Sendung? Wie nimmst du dich selbst wahr? Bist du du oder schon so ein bisschen anders?

Dass ich impulsiv bin, das weiß ich. Das hat ja auch die Expertin in der Sendung schön gesagt. Ich bin emotional und lasse meine Emotionen raus. Ich denke auch nicht darüber nach, ob da jetzt eine Kamera steht, die das einfangen könnte. Das stößt bei vielen an: Ich, die Drama-Queen und Zicke. Da steckt aber nicht ganz so viel Wahrheit drin. Deswegen ist schon ein bisschen verletzend, dass ich das trotzige kleine Kind sein soll.

Du guckst ganz gerne so Reality-Shows wie Dschungelcamp. Da ist oft Teil des Spiels, dass die Zuschauer entscheiden, wer drin bleibt oder wer nach Hause geht. Da ist es in gewisser Weise vielleicht gelernt, dass man sich Urteile bildet über das, was man dann da sieht.

Jeder hat eine Meinung und jeder möchte diese Meinung kundtun. Egal, ob man damit jemanden verletzt. Darüber sollte aber jeder mal nachdenken: Ist das so okay? Es kann sehr, sehr verletzend sein, sowas tagtäglich lesen zu müssen. Darüber machen die Menschen sich aber glaube ich kein Bild.

Ich gucke diese Sendungen gerne. Ich urteile natürlich auch auf dem Sofa und habe meine Meinung. Aber ich würde es nicht öffentlich schreiben.

Wenn du heute vor der Entscheidung stündest, ob du dich bei der Show bewerben solltest, würdest du es denn wieder machen?

Da ich an das Experiment glaube, würde ich mich wieder bewerben. Es ist ein schöner Gedankengang, eine schöne Reise. Und man lernt viel über sich selbst. Da muss man den Hass im Netz vielleicht ein bisschen ausblenden. Das ist das, was ich tagtäglich versuche, um mich auf das Schöne zu fokussieren.

Der spielt sich aber auch nicht in deinem wahren Leben ab, oder? Wenn du ihn ausblenden willst, siehst du ihn auch nicht. Oder wie ist es in der Stadt oder auf deinen privaten Social-Kanälen?

Da bin ich undercover unterwegs. Ich komme noch unerkannt durch die Stadt. Das hat mich auch tatsächlich ein bisschen überrascht. Ich dachte, es geht vielleicht schon los, dass man angesprochen wird.

Wünschst du dir das denn oder würdest du eher sagen: Das ist mir ein bisschen peinlich?

Das weiß ich nicht. Das kann ich nicht einschätzen. Ich fände es glaube ich nicht schlimm, wenn mich Leute ansprechen würden. Ich bin immer für einen kleinen Smalltalk zu haben, damit die Leute mich vielleicht besser verstehen können.

Was sagt deine Familie eigentlich dazu? Zu dieser Ausstrahlung, aber auch zu deiner Reise, die du seit Mai hinter dir hast.

Die Family ist nach wie vor begeistert. Die standen immer hinter mir, und die Bilder berühren alle in meinem Umfeld. Leute, die mich kennen, finden das einfach durchweg schön. Die sehen auch gar nicht so kritisch wie außenstehende Menschen, weil sie wissen, wie ich bin.

Was sind so die schönsten Dinge, die du da hörst?

Dass unsere Hochzeit so super-emotional war. Da wurden wohl einige Tränen vergossen, habe ich gehört. Auch ich musste noch mal ein paar Tränchen wegwischen und hatte Gänsehaut. Freunde und Familie sagen, dass das super-schön war und auch sehr echt.

Echt ist ja dann eigentlich ein richtiges Kompliment.

Ja, das finde ich auch.

Jetzt lebt ja dein Bräutigam nicht in Castrop-Rauxel, sondern in Süddeutschland. Was erfährt er oder hat er erfahren?

Seine Freunde, seine Familie sind auch sehr positiv gestimmt. Er wird sehr häufig von Arbeitskollegen angesprochen. Sie gratulieren herzlich. Aber den Ausgang dürfen wir ja nicht verraten. Deswegen sind natürlich alle ein bisschen zurückhaltend beim Erzählen.

Reagieren sie in Fabians Region positiver als hier?

Er ist einfach ein anderer Typ Mensch. Er stößt in Social-Media nicht so auf Unmut bei den Menschen. Ich glaube, dass die Menschen in Bayern auch vielleicht irgendwie anders eingestellt sind. So ein bisschen harmoniebedürftiger vielleicht. Wir im Ruhrgebiet sagen ja schon immer, was wir denken; was ja eigentlich auch gut ist.

Genau, das lebst du in der Sendung dann ja offensichtlich auch vor. Michelle, wir sind ganz gespannt, wie es weitergeht und würden uns einfach freuen, wenn wir in Kontakt bleiben. Glückauf.

Danke. Das machen wir. Glückauf.