
© Katharina Roß
Kahlschlag rund um die Alte Eiche: Aus einem Biotop wird vorerst Ödnis
Video und Foto
Diese Bilder schmerzen Naturfreunde in Castrop-Rauxel: Ein Säge-Trupp hat mehrere Hundert Bäume gefällt und lässt nur eine alte Eiche stehen. Ein Video und Fotos zeigen Arbeiten und Ergebnis.
Wenn neu gebaut werden soll, muss das Gelände vorher aufbereitet werden. Im Ruhrgebiet muss es vorher auch noch auf Blindgänger untersucht werden. Dafür hat ein Säge-Trupp nun seit Dienstag (23.2.) auf dem Planungsgebiet „Am Emscherufer“ ganze Arbeit geleistet, die viele Naturfreunde in Castrop-Rauxel allerdings schmerzt: Aus einem Biotop, um das viele gekämpft haben, ist nun teilweise kahles Land geworden.
Auf der anderen Seite dürften sich viele Menschen freuen. Denn dort, wo lange eine Brachfläche in guter Wohnlage vor sich hin vegetierte, entsteht nun etwas Neues. 20 Jahre lang wird schon geplant, zerbrechen sich Politiker und Stadtplaner den Kopf, steigen Investoren aus und neue ein, um neues „Wohnen an der Emscher“, die nicht mehr stinkt, zu ermöglichen.

Ein Relikt aus einer Zeit, als sich zum Erhalt der Alten Eiche ein Aktionskreis und ein Verein namens "Rettet die Alte Eiche" gründete: das Hinweisschild, das vom Radweg auf die Fläche weist, die bis Ende Februar noch bewaldet war. © Katharina Roß
Die Nachricht, die inzwischen über allem steht: Die Alte Eiche ist augenscheinlich unbeschädigt aus den ersten Arbeiten auf der Fläche herausgekommen. Dazu hatte man sie vorher extra eingezäunt: So soll vermieden werden, dass sie versehentlich gefällt wird, aber auch, dass schwere Baufahrzeuge zu nah an das lebenswichtige Wurzelwerk kommen, das sich im Boden mindestens so weit ausdehnt wie die mächtige Baumkrone der bekanntesten Stieleiche der Region.
Ortsbesuch am Mittwochnachmittag (24.2.): Im herrlichen vorfrühlingshaften Sonnenschein entdecken wir das Gelände, das nun nicht mehr von lebhafter Natur, sondern von gefällten Bäumen dominiert wird.
Die Sonne glitzert hinter den Nachbarhäusern, von den Bäumen sind nur Stümpfe stehengeblieben. Auf dem Boden liegen Holzstückchen. Der Strommast fällt am meisten auf: Er steht in großer Diskrepanz zu der wenige Meter entfernten alten Eiche. Dazwischen sollen die neuen Häuser entstehen.
Auf dem Gelände haben die Arbeiter schon ganze Arbeit geleistet. Überall liegen gefällte Bäume, diese müssen noch abtransportiert werden.
In Richtung Wartburgstraße wird fleißig weitergefällt - hier geht es Pappeln an den Stamm.
Der Bagger rollt hin und her. Zunächst sägen die Arbeiter die Stämme mit der Kettensäge an. Anschließend reißt der Bagger den Baum um. Er fällt. Einer nach dem anderen tut es ihm gleich. Laut ist es. Immer wieder ertönt die Kettensäge. Zum Glück haben die Holzfäller gute Ohrenschützer.
Einige Passanten beobachten die Szenerie, schauen irritiert zu der Seite, verharren einen kleinen Moment und gehen weiter. Die Arbeiten gehen noch bis in den späten Nachmittag.

Baumstämme liegen nach der Rodung auf dem zukünftigen Baugebiet. © Katharina Roß
Johannes Wilkat, besser bekannt als Baumbesetzer „HambiPotter“, sagt am Donnerstag (25.2.): „Es ist schrecklich und herzzerreißend zu sehen, wie all diese teils Jahrhunderte alten Bäume in so kurzer Zeit umgehauen werden und ein schützenswertes Biotop unwiederbringlich zerstört wird.“
Die Gruppe der Widerständler habe „einen Baum gerettet und 300 Bäume und ein ganzes Ökosystem verloren. Die Alte Eiche wird dort von nun als Mahnmal stehen für all diese Natur, die vernichtet wurde!“
Die Rodungsarbeiten mussten vor dem Beginn der gesetzlichen Schonfrist für Gehölze abgeschlossen werden. Darum drängten die Arbeiten jetzt zeitlich: Sie beginnt am 1. März und endet erst am 30. September. Deshalb rodete parallel auch die Emschergenossenschaft auf der anderen Seite der Wartburgstraße in diesen Tagen, um eine ebenfalls bald zu eröffnende Baustelle für die Riesen-Brücke „Sprung über die Emscher“ vorzubereiten.

Eine Hochspannungsleitung führt über das Gebiet. Direkt darunter wird kein Haus gebaut, aber im Umfeld schon. © Katharina Roß
Nächster Schritt an der Alten Eiche ist eine Sondierung nach Kampfmitteln aus dem 2. Weltkrieg. Vermutet wird Artillerie-Munition. Auch eine kleine archäologische Untersuchung wird sich wohl anschließen. Dann muss der Untergrund bearbeitet und modelliert werden, damit hier die Voraussetzungen geschaffen werden für Doppel- und freistehende Einfamilienhäuser sowie zwei Mehrfamilienhäuser und in Summe rund 70 Wohneinheiten, die laut Investor überaus begehrt sind.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
