Weil er Steuern in Höhe von knapp 650.000 Euro hinterzogen hat, sitzt Jakub K. (Name v. d. Red. geändert) seit dem 8. Januar 2024 in der JVA Meisenhof in Castrop-Rauxel ein. Nachdem er bereits sieben Monate lang in Untersuchungshaft war, verbüßt der 33-Jährige aus Hattingen dort nun den Rest seiner verhängten Freiheitsstrafe. Verurteilt wurde er in dem Fall insgesamt zu einem Jahr und drei Monaten.
Die JVA Meisenhof ist eine Einrichtung des offenen Vollzuges in NRW. Das heißt: Die dort Inhaftierten haben im Idealfall die Möglichkeit, die Anstalt auch mal zu verlassen. Unter anderem, wenn sie einer geregelten Arbeit nachgehen. Im Fall von Jakub heißt das: Er befindet sich im sogenannten „Freien Beschäftigungsverhältnis“ (kurz Modell FB) und darf in diesem Rahmen seit dem 17. Januar sechsmal die Woche zu genau festgelegten Zeiten zu seiner Arbeit in einem Restaurant ausrücken. Dort war der 33-Jährige auch vor seiner Inhaftierung schon als Koch und Servicekraft tätig.
Castrop-Rauxel und Hattingen
Außerdem hat er mittlerweile zehn Stunden pro Woche „Wahlausgang“. Das ist so etwas wie Freizeit. Die nutzt er in der Regel, um seine sechs Jahre alte Tochter sehen zu können. Oder aber andere Familienmitglieder wie seine Eltern.
Das alles, sowohl Jakubs Job als auch seine Freizeit, spielt sich in Hattingen ab. Knapp 45 Kilometer, etwa eine Stunde Fahrzeit, mit seinem Auto nimmt der 33-Jährige für jede Strecke von Castrop-Rauxel aus (und zurück) in Kauf. Das sei es ihm wert, sagt Jakub. Schließlich wolle er schnellstmöglich wieder zurück in das „normale“ Leben. Doch über eine Tatsache ärgert er sich.
„Das ist doch absurd“
Denn: Wenn Jakub Feierabend macht im Restaurant, würde er seine „Freizeit-Stunden“ gerne direkt im Anschluss nehmen. Sowohl das Zuhause seiner Tochter, als auch das seiner Eltern liegen in unmittelbarer, sogar fußläufiger Entfernung des Restaurants. Da allerdings hat die JVA etwas gegen. Sie fordert: Fahren Sie zurück ins Gefängnis. Und nicht direkt zum unweit gelegenen Ziel.
„Das ist doch absurd“, findet Jakub. Und erklärt: „Ich muss an diesen Tagen 45 Kilometer von Hattingen aus nach Castrop-Rauxel fahren, um dann an der Pforte der JVA kurz ‚Hallo‘ zu sagen und wieder 45 Kilometer nach Hattingen zurückfahren zu dürfen.“ Das fresse nicht nur Zeit und Sprit, so der Inhaftierte, dessen Tacho in seiner Mercedes E-Klasse innerhalb von sechs Wochen rund 5000 Kilometer mehr gesammelt hat, sondern: „Es belastet auch die Umwelt mit Schadstoffen – und das vollkommen unnötig.“ Schließlich sei er lange nicht der einzige Häftling, der so vorgehen müsse. Sondern mit ihm rund 70 weitere JVA-Insassen, die teils noch längere Strecken zurücklegten.
„Mit gutem Beispiel vorangehen“
Mithilfe seines Anwalts hat Jakub bereits versucht, die JVA auf diese „unnötige Fahrerei“ aufmerksam zu machen. Der Schriftverkehr zwischen beiden Parteien liegt unserer Redaktion vor. Gebracht hat das aber nichts. Deswegen ist er nun auch an die Politik und die Öffentlichkeit herangetreten und hofft, dass so Bewegung in die Sache kommt.
„Mir geht es auch einfach ums Prinzip“, sagt Jakub. „Es gibt so viele Missstände in Behörden. Und gerade eine JVA hat ja auch zum Ziel, zu resozialisieren. Dann sollte diese Behörde doch aber auch mit gutem Beispiel vorangehen.“
JVA: „Sehr privilegierte Lage“
Unsere Redaktion hat mit der JVA Castrop-Rauxel über den Fall gesprochen. Deren Pressesprecherin Andrea Bögge sagt: „Herr K. verkennt ein wenig seine Situation. Er ist schon jetzt in einer sehr, sehr privilegierten Lage.“ Sie verweist auf seinen Vollzugsplan. Dieser wurde etwa eine Woche nach Jakubs Haftantritt in seinem Beisein erstellt und listet auf vier Seiten unter anderem genau auf, welche vollzugsöffnenden Maßnahmen ab wann gewährt werden. Ein Vollzugsplan ist grundsätzlich nicht in Stein gemeißelt, sondern kann gegebenenfalls auf Entwicklungen angepasst werden.

„Je nach Delikt wird auch versucht, die darin erhaltenen Weisungen spezifisch zu gestalten“, erklärt Bögge allgemein. Wichtig sei aber eben auch: „Es gibt Regeln. Dazu zählen unter anderem die pünktliche und alkoholnüchterne Rückkehr.“ Stehe ein Häftling während seines Ausgangs beispielsweise im Stau und verspäte sich deshalb, dann werde erwartet, dass er zeitig in der JVA Bescheid gebe. „Schließlich geht es uns auch um Zuverlässigkeit“, sagt Andrea Bögge.
Schnell im FB Modell gelandet
Jakub K. sei nach 14 Tagen und damit sowieso schon recht schnell in das „Freie Beschäftigungsverhältnis“ gekommen. „Weil er ein unbefristetes und gutes Arbeitsverhältnis in der Gastronomie vorweisen konnte, das auch zuvor schon bestand“, erklärt die Sprecherin. Da er aber immer noch recht neu im Meisenhof sei, gelte es nach wie vor, ihn näher kennenzulernen und Vertrauen aufzubauen. „Wir müssen schließlich verantworten, dass es vertretbar ist, dass er raus darf“, sagt Bögge.
Die von Jakub K. angesprochenen Umwelt- und Zeitaspekte seien dabei „nicht unsere vorrangigen Kriterien. Sondern wir müssen bewerten, was wir zulassen.“ Weitere Lockerungen seien im Verlauf seiner Haftstrafe aber durchaus möglich.
Jakub will Anwalt dabei haben
JVA-Sprecherin Andrea Bögge weist außerdem darauf hin, dass Inhaftierte im Meisenhof jederzeit die Möglichkeit hätten, für ihre Belange einzutreten und sie bei einer Vollzugskonferenz darzulegen. Dabei kommen der Häftling und JVA-Bedienstete unterschiedlicher Bereiche zusammen. Diese hatte Jakub schon angestrebt. Stattgefunden hat sie bislang jedoch nicht. Weil der 33-Jährige darauf beharrt, dass sein Anwalt ebenfalls daran teilnehmen darf. „Sonst sitze ich da nachher alleine und dann könnte im Nachhinein ja alles behauptet werden und ich könnte aber nichts nachweisen“, begründet er das.
JVA-Sprecherin Bögge erklärt auf unsere Nachfrage, dass es sich bei einer Vollzugskonferenz grundsätzlich um eine „interne Konferenz“ handele. Zwar könnten laut dem entsprechenden Paragrafen 10 Absatz 3 im Strafvollzugsgesetz NRW auch „Personen und Stellen außerhalb des Vollzuges, die an der Behandlung, der Entlassungsvorbereitung sowie der Eingliederung der Gefangenen mitwirken“ beteiligt werden. Damit seien aber keine Rechtsanwälte gemeint.
Das sehen Jakub und sein Anwalt Rupert Koch anders. Sie erwägen deshalb nun, einen Eilantrag bei der zuständigen Strafvollstreckungskammer zu stellen.