Mit 21 Jahren erfährt Jens Junker in einem Streit, dass sein Vater wahrscheinlich nicht sein leiblicher Vater ist. Jahre später begibt er sich auf die Suche nach der Familienwahrheit. Die Spur führt ihn von München über Castrop-Rauxel in den Libanon. Die Suche nach seinem richtigen Vater treibt ihn voran. Das zeigt der gebürtige Castrop-Rauxeler in seinem Film „Alias“. Heute lebt Jens Junker in München, seine Wurzeln in Castrop-Rauxel hat er jedoch nicht aufgegeben.
Nachdem Jens Junker von der Möglichkeit eines anderen Vaters erfahren hatte, trug er diesen Gedanken zehn Jahre mit sich herum – bis er beschloss, dem Familiengeheimnis auf den Grund zu gehen. Er spricht mit Eltern und Familienangehörigen, die bisher versucht haben, das Thema zur Seite zu schieben. Die Erkenntnisse hält er in seinem Dokumentarfilm fest. Ein Projekt, das sich zu einem langen und sehr persönlichen Werk entwickeln sollte.

Film ist eine Gratwanderung
Im Jahr 2006 macht sich Jens Junker daran, den Film zu drehen. Die meisten Szenen spielen in Castrop-Rauxel, seiner Heimatstadt. Mit dem Einverständnis seiner Familie spricht er in den Aufnahmen über das Verhältnis seiner Eltern, über seine Kindheit und Erziehung und über Religion. Alles Dinge, für die es viel Courage braucht, um damit an die Öffentlichkeit zu gehen.
„Der Film ist für mich gewissermaßen eine Gratwanderung“, sagt Jens Junker. „Auf der einen Seite ist die private Aufarbeitung, die ich für mich gemacht habe, auf der anderen Seite ein persönlicher Film, an den die Zuschauer anknüpfen können und der mehr erzählt als nur das private Erleben. Mich freut es sehr, dass diese Gratwanderung scheinbar aufgegangen ist und der Film auch heute noch Menschen erreicht und bewegt.“ Als eine Abrechnung mit der Familie fasse er den Film auf keinen Fall auf, eher als eine Annäherung.
„Suche nach einem selbst“
Hinter dem Film liegt besonders ein emotionaler Wert für Jens Junker. „Es steckt natürlich eine intensive Arbeit dahinter. Aus insgesamt 120 Stunden Filmmaterial sind am Ende 84 Minuten zum Film geworden. Das ist einerseits die Arbeit als Regisseur zusammen mit einem wunderbaren Team im Schnittraum, andererseits ist es auch ein wenig die Suche nach einem selbst.“ Was ist eigentlich die eigene Identität? Wo gehört man wirklich hin?
Jens Junker hebt in seinem Film auch die Rolle der Kirche hervor, die großen Einfluss auf seine Erziehung hatte. „Religion ist, meiner Meinung nach, eher eine Art ‚Verhinderer‘. Man muss sich an einen Überbau an Regeln halten, die alle einen Druck aufbauen.“ Das behandelt er auch in seinem Film. Die religiöse Familie spricht lieber mit dem Seelsorger, statt miteinander oder einem Therapeuten, wenn ein Problem herrscht. „Ich möchte nicht sagen, dass Kirche und Religion grundsätzlich schaden. Bei mir haben sie aber sicherlich dazu beigetragen, dass die ganze Angelegenheit unter den Teppich gekehrt wurde.“

Trotz Wandel immer noch aktuell
Auch wenn „Alias“ bereits 15 Jahre ist, sorgt der Film immer noch für Gesprächsstoff und Diskussionen mit dem Publikum. Das freut Jens Junker. „Man muss es sich mal vorstellen: In den letzten 15 Jahren hat es ja schon einen ziemlichen Wandel gegeben, mit Social Media und TikTok und so weiter. Bildsprache und Schnittrhythmus von heute und damals unterscheidet sich deutlich voneinander. Und wenn Schüler auch heute noch eine Relevanz für sich in diesem Film sehen und sich über solche Themen austauschen, dann bin ich sehr dankbar dafür.“
Dass Schülerinnen und Schüler zu diesen ernsten Themen eine Meinung haben, zeigt sich immer wieder. Am Freitag, 3. Mai, war Jens Junker zu Besuch beim Berufskolleg Castrop-Rauxel und hat mit mehreren Klassen über seinen Film und dessen Botschaft gesprochen. In der Diskussionsrunde um den Film sprachen auch einige der Schüler ähnliche Situationen an, die sie wiedererkannten.
Für Michael Trockel, Pfarrer und Lehrer am Berufskolleg Castrop-Rauxel, steht der Film ganz oben auf seiner Liste. „Jens Junker spricht in ‚Alias‘ Themen an, die auch heute noch aktuell sind.“ Obwohl der Film bereits 15 Jahre alt ist, beleuchtet er Themen, die auf jeden anders wirken und unterschiedliche Gefühle auslösen. „Das sehe ich immer wieder bei meinen Schülerinnen und Schülern“, sagt Michael Trockel.

Jens Junker hat heute andere Projekte
Die Premiere von „Alias“ fand im Jahr 2009 auf dem Max-Ophüls-Filmfestival in Saarbrücken, auf dem der Film den Preis für den besten Dokumentarfilm erhielt.
Neben seiner Arbeit als Regisseur widmet Jens Junker heutzutage seine Zeit dem von ihm gegründeten Projekt „GoSingChoir“, Münchens offener Popchor. Eine Veranstaltung, bei der Interessierte zusammen einen Popsong in nur zwei Stunden als Chor mehrstimmig lernen. „Dabei spielt es keine Rolle, welche Kenntnisse oder Erfahrungen man hat“, sagt Jens Junker. „Im Vordergrund steht der Spaß am Singen.“ Während der Coronapandemie entstand das Programm „Stay Sing Chor“, bei dem die Teilnehmenden von zu Hause aus zusammen singen konnten. Momentan ist geplant, den Popchor auch im Ruhrgebiet Fuß fassen zu lassen.