„Ich verstehe Ihre Unternehmenspolitik nicht.“ Mit diesem Satz spricht ein Stadtwerke-Kunde offenbar einigen Menschen aus der Seele. Das erste Mal an diesem Abend (22.11.) in der Stadthalle von Castrop-Rauxel gibt es Applaus.
Applaus von den Gas- und Stromkunden mit Preisgarantie, die von ihren Stadtwerken urplötzlich ein Kündigungsschreiben bekommen haben, und die der Einladung zum Informationsabend gefolgt sind. Das erste Mal spontanen Applaus, nachdem Stadtwerke-Chef Jens Langensiepen und Bürgermeister Rajko Kravanja gesprochen haben.
„Traurig, wütend, fassungslos bin ich“, sagt eine Stadtwerke-Kundin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Deshalb sei sie hier. Sie will Erklärungen hören. Der Preis der Stadtwerke für ihre Kunden steigt sonst von rund 8 auf 21 Cent je Kilowattstunde, bei Strom von 25 auf 70 Cent. Zum Vergleich: Grundversorger Eon verlangt für eine Kilowattstunde Strom in Castrop-Rauxel derzeit knapp 31 Cent.

Es ist vor allem die Vollmacht, die die Anwesenden umtreibt. Die Vollmacht, mit der Kunden die Stadtwerke beauftragen können, sie wieder aufzunehmen, sobald deren Preise wieder unter denen des Grundversorgers Eon liegen.
Soll man die Vollmacht also unterschreiben oder nicht? Das fragt sich auch Elvira Besser. Sureskumar Ragunathan meint: „Ich finde das mit der Vollmacht ganz interessant. Will mir das aber erstmal anhören.“ Er ist schon lange Kunde bei den Stadtwerken, obwohl die regelmäßig teurer waren als manch anderer Anbieter am Markt.
Jens Langensiepen spricht von einer Eskalation der Energiepreise. Zeitweise habe der Einkaufspreis je Kilowattstunde Strom bei 1 Euro gelegen. Der Stadtwerke-Chef holt weit aus an diesem Abend. Er will den Anwesenden erklären, warum die Kündigungen zwar keine gute Lösung, aber die beste Lösung seien, die man habe finden können. Ein Satz, den er mehrfach an diesem Abend wiederholt.
Die Kunden sind vor allem sauer darüber, dass die Stadtwerke nicht vorher angekündigt haben, zu solchen Maßnahmen zu greifen. „Wieso nicht vorher eine Informationsveranstaltung, bevor die Verträge gekündigt werden?“, fragt eine Teilnehmerin im Plenum. Wieder Applaus.
„Ja, das stimmt. Den Schuh muss ich mir anziehen“, sagt Rajko Kravanja.
Was ist mit der Strom- und Gaspreisbremse? Auch das ein Thema, das die Menschen in der Stadthalle umtreibt. In Planung war die Entlastung doch schon lange. Wieso haben die Stadtwerke trotzdem gekündigt? „Wir mussten. Wir waren gesetzlich verpflichtet, sechs Wochen vor Ende des Jahres zu reagieren“, erklärt Jens Langensiepen.
„Wir hätten Ihnen mit dem Wissen von heute ein anderes Schreiben geschickt“, sagt der Bürgermeister. Trotzdem gebe es noch viele Unbekannte. Das Gesetz sei noch gar nicht beschlossen. So oder so sei die Bundespolitik zu langsam gewesen.
Sauer über Kündigung
Viele Teilnehmer verunsichert auch, was die Verbraucherzentrale zu der Vollmacht sagt. Sie rät nämlich davon ab, diese zu unterschreiben. „Das wundert mich nicht, dass die das sagen. Die empfehlen ja auch, dass man als Verbraucher jedes Jahr den Anbieter wechselt“, sagt Langensiepen.
Kravanja dazu: „Die Verbraucherzentrale darf nicht parteiisch sein.“ Was er gut finde. So sei auch die Empfehlung zu verstehen, die besage: „Entscheiden Sie selbst.“ Und das wollen offenbar auch die Noch-Stadtwerke-Kunden.
Viele bedanken sich, dass Langensiepen und Kravanja sich in der großen Runde den kritischen Fragen stellen. „Wir gehen hier nicht eher raus, bis alle Ihre Fragen beantwortet sind“, gelobt der Stadtwerke-Chef zu Beginn der Infoveranstaltung. In der Stadthalle und im Foyer haben die Kunden die Möglichkeit, ihre Fragen loszuwerden.
„Ich werde einen neuen Vertrag bei den Stadtwerken abschließen“, sagt Detlef Reduth, nachdem er sich alles angehört hat. Bei seinen Abschlagszahlungen würde die Strom- und Gaspreisbremse wohl um die 20 Euro Unterschied machen. Das habe er sich schon ausgerechnet. Da bleibe er lieber bei seinen Stadtwerken.
„Ich war erstmal kritisch vor der Veranstaltung“, gibt er zu. „Aber es war gut. Ich gehe zufrieden raus.“
Wie die Kunden die Infoveranstaltung bewerten, sehen Sie unter rn.de/castrop
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