Genossenschaften sind zurzeit in aller Munde. So hat der hoch verschuldete Revierclub FC Schalke 04 kürzlich Fans aufgerufen, sich über eine solche an der vereinseigenen Veltins-Arena zu beteiligen. Neu ist die Idee freilich nicht: In der Bürger-Energie-Genossenschaft eG (BEG-58) können Menschen etwa in den Umwelt- und Klimaschutz investieren – und das sogar mit guten Renditechancen.
Sie entstand 2010 in Hagen, hat ihren Sitz aber im benachbarten Sprockhövel. „Die 58 in unserem Namen erinnert noch an den Beginn: Es war die alte Hagener Postleitzahl“, erklärt Sprecher Josef Quanz, der wie alle Verantwortlichen ehrenamtlich tätig ist.
Als Investor und Betreiber von Bürgerkraftwerken deckte die BEG-58 zunächst Hagen, Bochum sowie den Ennepe-Ruhr-und Märkischen Kreis ab. Doch längst expandiert die Genossenschaft. Auch in den Kreis Recklinghausen: Dort habe man mit der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Westliches Westfalen einen idealen Partner gefunden. Die erste Kooperation im Hertener Wally-Windhausen-Seniorenzentrum wurde jetzt abgeschlossen, eine weitere im Wilhelm-Kauermann-Seniorenzentrum in Castrop-Rauxel ist in der Umsetzung.

Josef Quanz nennt die Vorteile für beide Seiten: „Seniorenzentren sind als Standort für unsere Photovoltaik-Anlagen ideal. Im Gegensatz etwa zu Kindertagesstätten, die nur werktags und dann auch nur tagsüber betrieben werden, wird dort an 365 Tagen im Jahr immer 24 Stunden lang Strom benötigt, den wir umweltfreundlich und kostengünstig auf Gebäuden mit dafür geeigneten Flachdächern erzeugen können.“
Hertener Seniorenzentrum senkt CO2-Ausstoß
Ein solches besitzt das Wally-Windhausen-Haus. Und auch der Strombedarf sei enorm, erläutert Leiter Björn Przybysz: „Glücklicherweise haben wir durch die Teilnahme am Projekt ‚Klima-Freundlich-Pflegen‘ schon viele Stromfresser eliminieren und eine deutliche Einsparung an CO2-Ausstoß in allen Arbeitsbereichen erreichen können. Es wurde die komplette Beleuchtung auf ein LED-Konzept umgestellt. Die Fahrradgarage inklusive Ladestation für E-Bikes wird ebenfalls gut genutzt. Außerdem haben wir unseren Speiseplan angepasst und den Fleischkonsum um 35 Prozent reduziert, weil wir statt zwei nur noch ein Fleischgericht am Tag anbieten, ohne dass es den Bewohnern negativ auffällt.“
Die BEG-Photovoltaikanlage, die von Kevin Kühling und seinen Kollegen vom Dortmunder Betrieb „Der Solateur“ fachgerecht auf den Dächern installiert wurde, sei der letzte Mosaikstein im erfolgreich absolvierten Energiepuzzle gewesen: „Damit produzieren wir nun auch den entsprechenden Strom selbst. Allerdings müssen wir trotzdem noch zukaufen.“ Roland Schmidtke von der AWO-Immobilien GmbH erklärt, woran das liegt: „Der letzte Schritt, um völlig unabhängig zu werden, wären Stromspeicher. Doch deren Erwerb ist derzeit noch zu kostspielig.“

Apropos Geld: Auch interessierte Hertenerinnen und Herten können die Bürger-Energie-Genossenschaft und ihre Ziele finanziell unterstützen und über den Kauf von Anteilen dort Mitglied werden – so wie bisher schon mehr als 800 andere Menschen. Die Mindesteinlage liegt bei 500 Euro. „Bis zu 25 Anteile können pro Person erworben werden. Im letzten Jahr lag die Dividende, die von der Generalversammlung beschlossen wird, bei 3,5 Prozent“, sagt Josef Quanz.
Gleichzeitig verdeutlicht er, wen die BEG nicht in ihren Reihen haben möchte: „Leute, die einfach nur Summen bei uns parken, in der Hoffnung auf viel Gewinn.“ Wer aber wirklich hinter der Klimaschutz-Idee steht, für den richtet die Initiative sogar regelmäßige Info-Treffen aus: „Aus Herten könnten die Leute zum Beispiel nach Bochum kommen, dort findet im März die nächste Veranstaltung statt.“
Bisher 145 Anlagen im Ruhrgebiet realisiert
Die Hertener Photovoltaik-Anlage hat eine Gesamtleistung von 130 Kilowatt-Peak (kWp) und kann ca. 110.000 Kilowattstunden (kWh) Strom jährlich erzeugen. Das ist viel fürs Wally-Windhausen-Seniorenzentrum, aber wenig im Vergleich zum bisher ambitioniertesten Vorhaben, so Josef Quanz: „In Kierspe haben wir eine Anlage mit 1,7 Megawatt realisiert.“ Insgesamt zeichnet die BEG mittlerweile für 145 Anlagen mit einer Gesamtleistung von weit mehr als 5000 kWp verantwortlich. Damit werden jährlich ca. 4500 Megawattstunden Strom erzeugt – ausreichend für etwa 1500 Haushalte.
Private Hauseigentümer können sich von der Genossenschaft allerdings keine Photovoltaik-Anlage aufs Dach setzen lassen: „Der Aufwand, bei einem eventuellen Besitzerwechsel einen Rückbau machen zu müssen, wäre in diesen Fällen für uns zu hoch“, sagt Josef Quanz.
Auch Kooperationen mit großen Wohnungsunternehmen wären schwierig, weil „Mieterstrom“ in Deutschland stark reglementiert sei. „Es gibt dabei viele rechtliche Regeln und wirtschaftliche Bestimmungen für Wechselmöglichkeiten zu beachten. Wenn nur ein Mieter im Haus ausschert und keinen Solarstrom von uns beziehen will, wird das Ganze so kompliziert, dass wir die ehrenamtlichen Arbeitsstunden, die wir da reinstecken müssten, lieber in eine Anlage wie zum Beispiel hier in Herten stecken.“

Wer steckt hinter der BEG-58?
Sie ist eine eingetragene Energie-Genossenschaft, von Bürgern für Bürger. 67 unentgeltlich tätige Aktive arbeiten in fünf Gruppen unter dem Motto „Klimafreundlich, regional, rentabel“. Stand September 2024 gab es 770 Mitglieder mit einer Einlagesumme von 2.583.500 Euro. Mittlerweile ist die Zahl schon auf über 800 angewachsen. Weitere Informationen zur Mitgliedschaft unter www.beg-58.de