Michael Horn stellt sich nach Unfall seiner Krankheit „Ich habe mich nicht um mich gekümmert“

„Ich habe es nicht geglaubt, wollte es nicht glauben“
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Der Neurologe braucht nur wenige Minuten, um es herauszufinden. Michael Horn hat Parkinson. „Ich habe es nicht geglaubt, wollte es nicht glauben“, sagt der 62-Jährige. Doch die nächste Untersuchung bestätigt die Diagnose. Seine linke Gehirnhälfte wird dunkel angezeigt. Darin mangelt es an dem Botenstoff Dopamin, der sich auf die Muskelfunktion und somit auf Bewegungen auswirkt. Seine rechte Körperhälfte ist betroffen. Der Arm und die Hand sind versteift, seine Gangart schlurfend. Sein erster Gedanke nach der Diagnose im Jahr 2014: „Jetzt bin ich zu nichts mehr zu gebrauchen“.

Versteift ist sein Arm und seine Hand heute immer noch. Bloß beim Tischtennis bewegen sie sich wie von selbst. „Das ist schwer in Worte zu fassen, aber es ist wie ein Reflex.“ Wenn er die Bewegung ohne Ball nachmachen sollte, würde es ihm viel schwerer fallen. Heute hat er keine Schwierigkeiten mehr damit, über seine Krankheit zu sprechen. „Ich versuche, das Beste draus zu machen.“ Aber es war ein langer Weg hierhin.

Heinz-Günter Hiller (rechts) hat als Erster Geschäftsführer des Post SV Castrop-Rauxel die Tore für die Ping-Pong-Parkinson-Gruppe von Michael Horn geöffnet. Hier stehen die beiden Männer mit Schläger in der Hand an einer Tischtennisplatte.
Heinz-Günter Hiller (rechts) hat als Erster Geschäftsführer des Post SV Castrop-Rauxel die Tore für die Ping-Pong-Parkinson-Gruppe von Michael Horn geöffnet. © Tewe Schefer / Ruhr Nachrichten

Mitten im Gespräch eingeschlafen

Schon in den Jahren vor der Diagnose 2014 hatte sich die Krankheit bemerkbar gemacht. „Beim Spazierengehen hat meine Frau mich gefragt, warum ich ihre Hand so einquetsche.“ Das hatte Horn nicht bewusst getan. Seiner Frau sei auch aufgefallen, dass er den Fuß beim Gehen kaum noch anhob.

Nach der Diagnose begannen die Behandlung und die Medikation. Die Nebenwirkungen der Medikamente setzten Horn anfangs richtig zu. Übelkeit und Müdigkeit. „Manchmal saß ich mit meiner Frau und meinen Kindern beim Essen und bin vor Müdigkeit mitten im Gespräch einfach eingeschlafen. Das war mit das Schrecklichste für mich. Nach ein paar Sekunden bin ich dann aufgewacht und habe zusammenhangloses Zeug geredet, wohl weil ich davon geträumt habe.“ Ganz selten könne das immer noch passieren, doch jetzt passe die Medikation besser.

Außerdem habe er mitunter depressive Phasen durchlebt. Der Gedanke, irgendwann „dem Staat auf der Tasche zu liegen“ war ihm zuwider. Selbst seinen Urlaub habe er kaum mehr genießen können. „Ich habe dann angefangen zu joggen wie ein Irrer, weil ich geglaubt habe, dass das hilft.“

„Habe mich nicht um mich gekümmert“

In den ersten Jahren nach der Diagnose arbeitete Michael Horn besonders viel, flüchtete sich praktisch in den Beruf. Allein zwei Stunden pro Tag saß er im Auto und investierte viel Kraft und stellte seine Gesundheit hinten an. „Ich habe mich nicht um mich gekümmert. Ich glaubte, es wäre gut für mich, nicht daran zu denken.“ Außerdem habe man beim Arbeiten manchmal das Gefühl, unersetzlich zu sein. Doch irgendwann holte die Erkrankung ihn ein. „Ich hatte Konzentrationsschwächen und war insgesamt völlig geschlaucht.“

Autounfall als Schlüsselerlebnis

Anfang November 2019 war Horn mit dem Auto auf einer Bundesstraße unterwegs, als auf der Spur vor ihm ein Fahrzeug abbremste. Er wollte links vorbeiziehen, bemerkte dabei nicht den Bus auf der linken Spur. Dieser stieß von hinten gegen Horns Auto. Der Unfall, bei dem er ein leichtes Schleudertrauma davontrug, war für ihn ein „Schlüsselerlebnis“. Dabei könne er nicht einmal sagen, ob der Unfall nicht auch ohne seine Krankheit passiert wäre.

Seine Frau habe vorher schon immer Druck gemacht, dass er sich viel stärker um seine Gesundheit kümmern müsse. „Ich hatte Zeit, darüber nachzudenken, als ich nach dem Unfall krankgeschrieben war. Und dann habe ich selbst entschieden, dass ich andere Schritte gehen muss.“ 2020 begann er eine Reha und beantragte die Erwerbsminderungsrente, die er seither bezieht. Selbst wenn damit im Vergleich zur Regelrente finanzielle Einbußen einhergehen, sei das die Entscheidung gewesen.

Auf solchen Info-Plakaten wirbt Ping Pong Parkinson für die Gruppe in Castrop-Rauxel.
Auf solchen Info-Plakaten wirbt Ping Pong Parkinson für die Gruppe in Castrop-Rauxel. © Tewe Schefer / Ruhr Nachrichten

Tischtennis gegen Parkinson

Heute geht Horn regelmäßig zur Physio- und zur Ergotherapie, nimmt weiterhin Medikamente und bleibt aktiv. „Vor allem meine Familie hält mich ziemlich auf Trab.“ Wie es ihm gehe, komme auch auf die Tagesform an.

In seiner Jugend und bis zum Alter von ungefähr 30 Jahren hat Michael Horn Tischtennis beim Post SV Castrop-Rauxel gespielt. Nachdem er den Schläger für drei Jahrzehnte beiseite gelegt hatte, geht er jetzt wieder regelmäßig zum Training. Die Idee ist ihm beim Anschauen einer Dokumentation zum Thema Tischtennis gegen Parkinson gekommen. „Viele wissenschaftliche Studien haben inzwischen gezeigt, dass Tischtennis spielen einen positiven Effekt auf Parkinson-Patienten haben kann“, sagt er.

Bei seinem alten Verein sei er mit offenen Armen empfangen worden. Einige Wochen nachdem er ins Training eingestiegen war, bemerkte sein Ergotherapeut eine klare Verbesserung auf. „Der knetet immer an meiner Hand herum. Dabei ist ihm aufgefallen, dass die Hand und der Unterarm etwas lockerer waren.“ Im September hat Horn beim Post SV eine Tischtennis-Gruppe für Parkinson-Patienten gegründet. „Bisher sind wir insgesamt um die sieben Leute“, sagt er. Eine Art Selbsthilfegruppe in Bewegung. „Oft sieht man, dass Leute nach wenigen Minuten die Schläger beiseitelegen und sich über Ärzte, Medikamente oder Reha-Möglichkeiten austauschen.“

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 10. November 2024.

Hier finden Sie unseren Artikel über ein Tischtennisturnier für Parkinson-Teams in Dorsten.