Dass Castrop-Rauxel eine hochverschuldete Stadt ist, ist nichts Neues. Aber dass sie im nächsten Jahr vielleicht einen Haushalt vorlegen muss, der bei einem Etat von 270 Millionen Euro ein Minus von rund 40 Millionen Euro ausweist, ist schon happig. Wäre die Stadt ein Unternehmen, wäre sie pleite.
Nicht zu vergessen: Die Europastadt schleppt schon eine Schuldenlast aus früheren Jahren und Jahrzehnten mit sich herum. Laut Kämmerer Stefan Brenk und dem Beigeordneten für Finanzen, Michael Eckhardt, liegen die Schulden im Bereich der Liquiditätskredite – das sind die Kredite ohne die Investitions-Darlehen – schon bei über 130 Millionen Euro. Das Schlimme: Wenn nichts mehr passieren sollte, kämen allein 2024 40 Millionen Euro hinzu. Und das wäre nicht das Ende: Die Stadt ist wie viele andere Kommunen restlos unterfinanziert.
In einem Gespräch mit unserer Redaktion erläuterten Brenk und Eckhardt die eigentliche Dramatik dieser Zahlen am Montag (25.9.2023). Ein paar Tage nach dem Haupt- und Finanzausschuss von vergangenem Donnerstag, ein paar Tage vor der Ratssitzung, bei der Bürgermeister Kravanja und Eckhardt sich erneut zum Haushalt einlassen werden.
Ein leidiges Thema in Castrop-Rauxel. Seit Jahrzehnten schon. Aber in den vergangenen Jahren war es durch den Stärkungspakt Stadtfinanzen ruhiger geworden. Die Stadt profitierte von Finanzhilfen vom Land, musste als Gegenleistung aber auch einiges an Ausgaben kürzen und ihre Kommunal-Steuern zwangsläufig erhöhen.
Corona-Deckel und Energiekrise
Dann aber kam die Corona-Pandemie. Es liefen hohe Extra-Kosten für die Städte auf. Und als die Pandemie weitgehend abgearbeitet war, begann der Angriffskrieg auf die Ukraine, durch den die Russen unter anderem einen neuen Flüchtlingszustrom, eine Energiekrise heraufbeschworen und auch eine weltweite Wirtschaftskrise „begünstigte“. Die Zinsen steigen deutlich. Das ist für Verschuldete auf Dauer vor allem mit höheren Kosten für den Schuldendienst verbunden.
Es gab die Möglichkeit, diese Sonder-Kosten über einen „Corona-Deckel“ zu „isolieren“. Im Prinzip schuf man damit also einen Haushalt, der ausgeglichen sein konnte unter Ausklammerung der Zahlungen für das Auffangen der Corona-Pandemie. Rund 25 Millionen Euro nahm die Kämmerei so vollkommen rechtmäßig aus der Berechnung heraus.

Der Taschenspieler-Trick dabei: Die Zusatzkosten sollten von 2024 an über 50 Jahre bilanziell abgestottert werden. Aber da sich an die Pandemie die Energiekrise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine anschloss, mit ähnlich hohen Kosten für Kommunen verbunden, ging es gleich so weiter. Aus den regierenden Fraktionen von CDU und Grünen im Land erhielt die Kämmerei im Sommer die Info, dass man dieses Prinzip so nicht fortführen werde. „Dadurch verschlechtert sich der Haushalt maßlos“, sagt nun Kämmerer Stefan Brenk.
Bis hierher waren es laut dem Beigeordneten Michael Eckhardt „ja Kassenkredite praktisch zu Nullkonditionen“ für die Städte. Das hat sich aber vor allem durch die drastisch gestiegenen Zinsen von quasi 0 auf mittlerweile über 4 Prozent erheblich verändert. Die erstrittenen und beschlossenen Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst kommen noch hinzu. Ebenfalls ein Millionenbetrag an zusätzlichen Lohnkosten für die Stadt.
„Nur mit Bilanztricks“
Was also tun? Man brauche eine Altschuldenregelung, im Prinzip einen echten Schuldenschnitt. Aber selbst der helfe nicht, weil der Haushalt bilanziell so unterfinanziert sei wie zuletzt vor rund 20 Jahren in der tiefsten Struktur-Krise des Ruhrgebiets. So wären nach ein paar Jahren wieder Schulden in dreistelliger Millionenhöhe aufgetürmt.
Michael Eckhardt sagt klar: „Das einzige was hilft, ist, dass das Land mehr Geld ins System gibt. Wir haben uns nach den Einschnitten und Hilfen aus dem Stärkungspakt zuletzt dann nur mit Bilanztricks über Wasser gehalten.“ Wie man das auffange, seil in der Diskussion. Aber: „Keiner weiß es so recht. Wir können jedenfalls nicht die Grundsteuer ums vier- oder fünffache erhöhen“, so Eckhardt.

Man müssen sich über den Konnexitätsansatz unterhalten: „Wir erfüllen Aufgaben für Land und Bund wie die Unterbringung von Geflüchteten, aber werden dafür nicht entschädigt. Das fällt uns auf die Füße.“ Auch die Eingliederungshilfe für Behinderte und für von Behinderungen bedrohte Menschen, eine Aufgabe des Landschaftsverbandes, sei inzwischen ein großer Aufwandsposten.
Am Donnerstag (28.9., ab 17 Uhr öffentlich im Ratssaal oder in der Live-Übertragung im Internet) wird darüber wieder zu sprechen sein.
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