Die Lange Straße hat ihren Charme der frühen 1980er-Jahre verloren. Der Stadtteil hat allerdings einige Qualitäten, die die Probleme der ehemaligen Flaniermeile vergessen machen.
Marcel und Kathrin Vollbrecht wohnen an der Hugostraße. Das ist eine Stichstraße der Langen Straße, die in der Castrop-Rauxeler Bevölkerung keinen guten Ruf genießt. Kathrin Vollbrecht (39) meint: „So schlimm, wie einige sagen, ist es auf der Langen Straße aber nicht. Sie hat nur leider den Charme unserer Jugendzeit verloren.“
Marcel Vollbrecht (41) erinnert sich an die Zeit bis Anfang der 1980er-Jahre und sagt: „Damals gab es jede Menge verschiedener Geschäfte, die die gesamte Nahversorgung abgedeckt haben. Die Leute kamen sogar aus anderen Stadtteilen hierhin zum Einkaufen. Sonntags kamen die Menschen sogar auch vorn Fern, um Kuchen zu Essen oder mit nach Hause zu nehmen.“
Die Lange Straße oder „Kronprinzenstraße“, wie sie einst hieß, war die Flaniermeile von Habinghorst. Zum einen, weil sich dort alle notwendigen Geschäfte befanden, aber auch Cafés, vielfältige Gastronomie, Kinos (u.a. Deli, Roxy, Casino) – und nicht zu vergessen die berühmte Eisdiele und Konditorei Golombeck.
Ihre Einkäufe erledigt Kathrin Vollbrecht heutzutage überwiegend in den Geschäften an der nicht weit entfernten Siemensstraße. Ihr Ehemann meint: „Wenn man ein Auto hat, ist das kein Problem. Anders sieht es da bestimmt für Senioren aus, die nicht so mobil sind wie wir.“
Auf der Langen Straße geht die Familie selten bummeln. Kathrin Vollbrecht: „Man muss hier wahrlich keine Angst haben, denn man kennt ja viele der Leute hier – und einige der Imbissläden sind wirklich zu empfehlen.“ Wie etwa das Lumbini. Die Polizei-Präsenz sei angemessen – und sei allen Unkenrufen zum Trotz nicht kleiner geworden.
Die Lange Straße steht allerdings nicht für den gesamten Stadtteil Habinghorst, betont Marcel Vollbrecht. Der Berufsschul-Lehrer findet gut, dass durch die Skater-Anlage an der Wartburgstraße ein attraktives Angebot für Jugendliche geschaffen wurde. Er erklärt: „Das wird gut angenommen. Wenn ich vorbeifahre, ist dort stets etwas los.“
Die Kinderspielplätze seien nicht zu empfehlen, so Marcel Vollbrecht: „Am Habinghorster Markt gab es mal einen richtig guten. Der ist im Zuge der Neubebauung aber jetzt komplett verschwunden.“ Seine Frau Kathrin ergänzt: „Und der Bolzplatz sowie der Spielplatz auf dem Nordlager sind ein Hundeklo geworden – und ansonsten auch nicht wirklich schön.“
Beim Stichwort Hund kommt aber Kathrin Vollbrecht ins Schwärmen: Es gebe in Habinghorst viele Grünflächen zum Spazierengehen, die allesamt schnell erreichbar seien. Sie vermisst allerdings auf den Wegen südlich der Langen Straße Mülleimer, in denen Hundekotbeutel entsorgt werden können. Mit diesem Anliegen war sie auch bei den Verantwortlichen des im Jahr 2017 ausgelaufenen Landesprojekts „Soziale Stadt Habinghorst“ im Stadtteilbüro vorstellig geworden – ohne Erfolg.
Ein Lob haben Marcel und Kathrin Vollbrecht für Heike Wichmann parat, die seit 2009 Leiterin der Erich-Kästner-Grundschule ist: „Sie und ihre Mitstreiter setzen sich vorbildlich für alle Kinder ein. Alle Kinder werden hier gefördert. Gute Schüler werden hier noch besser. Das sollte einmal vom Bürgermeister Rajko Kravanja gewürdigt werden.“
Das wurde positiv bewertet
Verkehrsanbindung: Hier bekommt Habinghorst 9 von 10 möglichen Punkten. Das Ergebnis liegt knapp über dem stadtweiten Mittelwert (8). Marcel Vollbrecht sagt dazu: „Ich würde hier sogar volle zehn Punkte geben. Denn von hier aus ist man über die nahe A2 oder A42 ganz schnell überall – in Dortmund, Bochum oder Essen.“ Im Studium habe er Freunde aus dem Münsterland gehabt, die über eine Stunde lang fahren mussten, um eine Autobahn zu erreichen.
Nahversorgung: 9 von 10 Punkten. Das Industriegebiet an der Siemensstraße ergänzt und vervollständigt das Angebot an der Langen Straße. Axel Bleck vom Stadtteilverein Habinghorst sagte, dass er im Zweifelsfall allerdings nach Ickern zum Einkaufen fahren würde: „Ich bin kein Freund der großen Filialisten. Beim Einzelhändler kann man auch sehr gute Preise bekommen. Manchmal kommt man hier durch Handeln sogar noch besser weg.“
Radfahren/Grünflächen: In diesem Punkt liegt Habinghorst mit jeweils 7 Punkten genau im stadtweiten Mittel. Ein Leser meint: „Ich finde es in Habinghorst sehr schön, weil man hier schnell im Wald ist und auch schnell zu Fuß oder mit dem Fahrrad am Rhein-Herne-Kanal.“ Es gibt aber auch Kritiker beim Thema Radfahren: Fahrradwege und -Ampeln sollten überdacht werden. Einige Fahrradwege auf den Bürgersteigen müssten renoviert werden. Bus- und Autofahrer kommen an einigen Stellen oft in Konflikt mit Fahrradfahrern.
Das wurde negativ bewertet
Sauberkeit: Hier vergaben die Befragten nur 4 Punkte, das stadtweite Mittel liegt bei 7 Zählern. Hier beziehen sich einige der Befragten auf die Lange Straße. Eine Aussage lautet: „Die Straße ist sehr dreckig und nicht nur deshalb der Schandfleck des ganzen Stadtteils…“ Im gesamten Stadtteilgebiet seien die unschönen Plakatwände und Litfasssäulen „eine Schande“, ebenso die alten, nicht entfernten Zirkusreklame-Schilder. Axel Bleck meint: „Die Leute vergessen, dass der Stadtteil einst von Bergmannssiedlungen geprägt war, die sich in den vergangenen Jahren schön herausgeputzt haben.“
Sicherheit: Nur 5 von 10 möglichen Punkten sprechen eine deutliche Sprache. Leser berichten von Rasern und Pöbeleien auf der Langen Straße – und: „Regelmäßigere Polizeistreifen wären wünschenswert“. Ein Befragter bemängelt hier zudem die „schwache Beleuchtung“, die „unheimlich“ sei. Nach Eintritt der Dunkelheit vermeide die Person dort Einkäufe.
Grundsätzliche Benachteiligung: Einige Teilnehmer unserer Umfrage beklagten, dass Habinghorst seit geraumer Zeit eine Entwicklung nehme, die an die Dortmunder Nordstadt erinnere. Wie etwa im Haus an der Langen Straße 107, wo eine Parallelgesellschaft entstanden sei. Im Bereich der Hinterhöfe an der Langen Straße soll es zudem Drogenhandel geben.
Marcel und Kathrin Vollbrecht möchten unter keinen Umständen aus Habinghorst wegziehen. In dem Häuschen mit Garten, in dem sie wohnen, lebten bereits die Großeltern von Marcel Vollbrecht. Er betont: „Das ist unsere Heimat.“
Man solle den alten Zeiten nicht nachtrauern, sondern mit den Begebenheiten und Mankos klarkommen. Dennoch erinnern sie sich gerne an die Zeit, als es noch den Obst- und Gemüsehändler Berhorst als festen Versorger des Stadtteils gab. Dieser lag zwischen dem Kaufhaus Schmedding und der Polsterecke (damals „Möbel Wetterkamp“). Die „Nordsee“ und später das „Fischhaus Kasper“ waren dort. Und es gab auch einen Spielwarenladen. Fahrräder, Kinderwagen, Waschmaschinen mit Wassermotor kaufte man bei Ransig. Goldfische und Vogelfutter gab es zwei Türen weiter in der Zoohandlung.
Früher und heute
Die Habinghorster wollten nicht zu Castrop-Rauxel gehören
Habinghorst ist dem Alter nach wohl die jüngste der 13 ehemaligen Gemeinden, die das heutige Stadtgebiet ausfüllen.
Die erste urkundliche Erwähnung von Habinghorst stammt wohl aus dem 14. Jahrhundert. Im Dortmunder Urkundenbuch gibt es einen Hinweis auf einen Ruthger van Havekorst.
Im Jahr 1926 fiel Habinghorst an die Stadt Castrop-Rauxel. Dagegen hatten sich die Habinghorster heftig gewehrt.
Ein Journalist macht sich aus Prinzip keine Sache zu eigen, nicht einmal eine gute (dieses Prinzip ist auch das Motto des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises).