Hebesätze in Castrop-Rauxel noch ungewiss Kämmerei kritisiert Grundsteuer-Reform des Landes

Kämmerei kritisiert Grundsteuer-Reform des Landes: Hebesätze noch offen
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Der nordrhein-westfälische Landtag hat am 4. Juli die Grundsteuer-Reform verabschiedet. In dem Gesetz stellt das Land den Kommunen frei, den Hebesatz für die Grundsteuer B aufzusplitten. Damit können die Städte die Hebesätze so anpassen, dass Familien, Mieter und Eigentümer von Wohnimmobilien gezielt entlastet werden. Die Hebesätze für Wohnen und Gewerbe können die Kommunen künftig differenzieren.

Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018, das die bisherige Bemessungsgrundlage für verfassungswidrig erklärt hatte. Der Bundestag verabschiedete daraufhin eine Neuregelung, die zum 1. Januar 2025 gilt. Sie hat jedoch eine Öffnungsklausel, die das Land Nordrhein-Westfalen jetzt umgesetzt hat.

Zuvor hatten Berechnungen gezeigt, dass die Werte für Wohngrundstücke in einigen Kommunen ansteigen, während sie für die Nichtwohngrundstücke fallen. Was aber bedeutet das für Castrop-Rauxel? Dazu haben wir Fragen an die Stadt gestellt, die die Kämmerei beantwortet hat.

Es gibt die Empfehlung für die Aufkommensneutralität der Hebesätze. Wird Castrop-Rauxel die nun genauso umsetzen?

Der Umgang mit den sogenannten „aufkommensneutralen Hebesätzen“ wird – wie in jeder anderen NRW-Kommune auch – derzeit geprüft. Belastbare Aussagen sind derzeit noch nicht möglich, da die von der Finanzverwaltung NRW übermittelten Daten noch nicht vollständig und bekanntermaßen zum Teil fehlerbehaftet und zum Teil auch nicht plausibel sind. Daher ist die Beschlussfassung der Landesregierung umso unverständlicher.

Wie bewertet die Stadtverwaltung das Reformgesetz?

Die Reform des Grundsteuerrechts basiert auf einem Urteil des BVerfG. Ziel ist eine insgesamt aufkommensneutrale Reform. Bereits aus dem Urteil des BVerfG ergibt sich aber, dass es individuelle „Gewinner“ und „Verlierer“ innerhalb der verpflichtend vorgegebenen Reform geben wird.

NRW hat sich sehr früh – seinerzeit noch unter der damaligen Regierung von CDU und FDP – für die uneingeschränkte Übernahme des Bundesmodells entschieden. Dies gilt übrigens für die Mehrzahl der Bundesländer, es gibt aber durchaus Länder mit abweichenden Sonderregelungen.

Die Kommunalen Spitzenverbände haben das Land NRW bereits sehr frühzeitig vor den zu erwartenden erheblichen Nachteilen einer 1:1-Übernahme des Bundesmodells „gewarnt“, allerdings vergeblich. Erst sehr spät ist auch dem Land (jetzt unter CDU und Grünen-Regierung) offenkundig bewusst geworden, dass die Entscheidung des Landes zu erheblichen (unerwünschten) „Verschiebungen“ zwischen Wohn- und Nicht-Wohngrundstücken führen wird. Diese Probleme stellen sich übrigens in den Ländern mit landesspezifischen Regelungen in dieser Erheblichkeit nicht.

„Verantwortungsverschiebung“

Einfachste Lösung aus Sicht der Kommunen wäre die gesetzliche Festlegung entsprechend angepasster Grundsteuermesszahlen durch das Land NRW und die Festsetzung entsprechender Messbetragsbescheide (die wiederum Grundlagenbescheide für die Anwendung der kommunalen Hebesätze ist) durch die Finanzverwaltung NRW. Dies lehnt das Land aber ab.

Vielmehr versucht man mit dem jetzt beschlossenen Grundsteuerhebesatzgesetz NRW eine Risiken- und Verantwortungsverschiebung „im großen Stil“ auf die kommunale Ebene vorzunehmen, was von dieser nachdrücklich abgelehnt wird. Von daher wird das jetzt beschlossene Gesetz in seiner Wirkung nicht nur für die Stadt Castrop-Rauxel, sondern für alle nordrhein-westfälischen Kommunen grundsätzlich als negativ bewertet.

Es sei angemerkt, dass das Land NRW erst vor wenigen Wochen noch den Bund aufgefordert hat, eine Regelung, wie sie jetzt für NRW beschlossen wurde, bundesweit einzuführen, was dieser aber unter anderem unter Hinweis auf die nicht mehr ausreichende Zeitschiene zur Umsetzung einer solchen Regelung durch die Kommunen abgelehnt hat.

Wohn- und Geschäftshaus an der Münsterstraße in Castrop-Rauxel.
Die Grundsteuer-Reform erlaubt den Kommunen, den Hebesatz für Wohn- und Gewerbeimmobilien zu differenzieren. © Luca Füllgraf

Was heißt das aktuell für die Stadtverwaltung?

Gemeinsam mit der Gemeinsamen Kommunalen Datenzentrale (GKD) Recklinghausen, den Programmherstellern und allen anderen Städten heißt es zunächst, die IT Voraussetzungen für eine Abrechnung der neuen Grundsteuer zu ermöglichen. Bisher kann kein Anbieter dies zusagen.

Wie ist der weitere Fahrplan in Castrop-Rauxel?

Die weitere Auswertung der vorliegenden Daten und Berechnung/Betrachtung von Folgewirkungen erfolgt in den nächsten Wochen. Für die nächste Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses im September ist eine umfassende Berichterstattung und Information der Politik und Öffentlichkeit durch die Verwaltung beabsichtigt.

Werden Hebesätze steigen?

Zur zukünftigen Höhe der Hebesätze ab 2025 ist aktuell noch keine Aussage möglich. Wie auf allen Ebenen hat auch der Rat der Stadt die grundsätzliche Aufkommensneutralität beschlossen, was nicht ausschließt, dass der eine zukünftig mehr und der andere zukünftig weniger Grundsteuer zu entrichten hat.

Wie wird die Stadt mit einer Flut an zu erwartenden Widersprüchen/Einsprüchen umgehen?

Hier liegt das operative Geschäft beim EUV Stadtbetrieb. Dieser wird bei Widersprüchen/Klagen entsprechend der gesetzlich festgelegten verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften agieren.

Hierzu noch eine Einschätzung von Bürgermeister Rajko Kravanja: „Um der ,Flut‘ an Anträgen Herr zu werden, müsste der EUV wahrscheinlich mehr Personal einstellen, und es würden wahrscheinlich auch erhöhte externe Anwaltskosten anfallen. Diese Mehrkosten von Personal und Externen würde wiederum der Steuerzahler in Castrop-Rauxel tragen müssen. Das ist nicht im Sinne der Kommune!“