Diese Mitarbeiter aus der unternehmenseigenen Instandhaltung, ergänzt durch Leute von Fremdfirmen, mussten am Donnerstag an einer Teerdestillationsanlage Hand anlegen. Sie war ausgefallen, weil an unterschiedlichen Stellen Probleme auftraten.

© Tobias Weckenbrock

Großunternehmen stellen Arbeit teilweise ein – Rütgers hat einen anderen Coronavirus-Plan

rnPandemieplan

Rütgers ist mit rund 500 Mitarbeitern der letzte große Industriebetrieb in Castrop-Rauxel. Das Unternehmen hat sich schon früh auf das Coronavirus eingestellt. Die Produktion läuft weiter.

Castrop-Rauxel

, 20.03.2020, 16:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Volkswagen stellt die Produktion ein: Seit Donnerstagabend stehen die Bänder für möglicherweise mehr als eine Woche still. Das Coronavirus hat die Industrie erreicht. Bei Rütgers Germany mit seinen Chemiewerken in Rauxel und Duisburg geht es weiter. Aber unter strikten Auflagen.

Seit dem 12. März, als in Castrop-Rauxel der erste Infektionsfall gemeldet wurde, gelten strenge Regeln: Auf keinen Fall will man riskieren, dass die Produktion im Chemiewerk still stehen muss - und darum reduziert man dort vor allem die persönlichen Kontakte.

Video-Konferenz mit 800 Teilnehmern

Zunächst arbeiten kaum noch Mitarbeiter aus dem Bürotrakt in Rauxel auf dem Werksgelände. Sie sind weitgehend im Home Office, haben Notebooks und können ihre Aufgaben von außerhalb erledigen. Das ist zwar etwas komplizierter, aber die Technik und das Internet machen es möglich: Geschäftsführer Dr. Günther Weymans nahm zum Beispiel am Mittwoch an einer Video-Schaltkonferenz des Mutterkonzerns Rain Carbon mit 800 Mitarbeitern aus den Standorten von den USA bis Indien teil - fast die Hälfte der insgesamt 1820 Angestellten.

Dr. Günter Weymans (62), Geschäftsführer von Rütgers Germany, in seinem Büro in Rauxel

Dr. Günter Weymans (62), Geschäftsführer von Rütgers Germany, in seinem Büro in Rauxel © Tobias Weckenbrock

Die Konferenz lief über das Microsoft-Programm Teams - und so eine große Konferenz hat es bei Rain Carbon bisher nicht gegeben. Es gab auch Probleme bei der Übertragung, der Präsident Gerard Sweeney sei erst schwierig zu sehen gewesen, weil er über ein Tablet in der Schalte war. Weymans sagt: „Er hat ganz schön gesprochen, aber man hat gemerkt, dass der Umgang mit Corona in den USA schon ein anderer ist als in Deutschland.“

Kantine seit Donnerstag geschlossen

Am Donnerstag vergangener Woche schloss Rütgers in Rauxel seine Unternehmenskantine. In Duisburg, wo man sich die Kantine mit dem Unternehmen Hexion teile, ließ sich eine Schließung gegen den Willen des Partnerunternehmens nicht durchsetzen. „Aber wir haben verordnet, dass unsere Mitarbeiter die Kantine dort nicht besuchen“, so Weymans.

Edgar Machoczek ist Wachabteilungsleiter der Werkfeuerwehr bei Rütgers. Er zeigt uns das Isolierzimmer: "Man muss auf alles vorbereitet sein", sagt er. Seit einer Woche ist das Isolierzimmer eingerichtet, aber noch nicht belegt gewesen.

Edgar Machoczek ist Wachabteilungsleiter der Werkfeuerwehr bei Rütgers. Er zeigt uns das Isolierzimmer: "Man muss auf alles vorbereitet sein", sagt er. Seit einer Woche ist das Isolierzimmer eingerichtet, aber noch nicht belegt gewesen. © Tobias Weckenbrock

Rütgers richtete direkt vor den Werkstoren in einem Wohngebäude eine Isolierstation ein. „Darum kümmert sich die Werk-Feuerwehr“, so Weymans. Falls ein Fall aufträte. „Stand Donnerstagmorgen: Wir haben noch keinen Mitarbeiter mit Corona-Infektion“, sagt Weymans, „aber bei 1820 Mitarbeitern weltweit gibt es natürlich auch bei uns Verdachtsfälle“. Mitarbeiter, die aus Südtirol zurück kamen, weil sie dort im Skiurlaub waren, habe man jedenfalls vorerst nicht ins Werk gelassen.

Edgar Machoczek ist Wachabteilungsleiter der Werkfeuerwehr bei Rütgers. Er zeigt uns das Isolierzimmer.

Edgar Machoczek ist Wachabteilungsleiter der Werkfeuerwehr bei Rütgers. Er zeigt uns das Isolierzimmer: "Man muss auf alles vorbereitet sein", sagt er. Seit einer Woche ist das Isolierzimmer eingerichtet, aber noch nicht belegt gewesen. © Tobias Weckenbrock

Rütgers hat Schutzpakete für Mitarbeiter ausgegeben: Es lägen noch Masken bereit. „Wir haben aber auch Tausende weitere bestellt“, so Bram D‘hondt.

Selbst bei Mitarbeitern, die in einem Haus wohnen, in dem ein Nachbar mit dem Coronavirus infiziert ist, heißt es derzeit: Quarantäne.

Keine Konferenzen und Meetings mehr

Es gibt keine größeren Meetings mehr. Alle Veranstaltungen, alle Dienstreisen, alle Konferenzteilnahmen außerhalb sind abgesagt. „Man kann alles digital und von zu Hause aus regeln“, sagt Weymans. „Das haben wir vor zwei Wochen begonnen, als das noch nicht allgemein üblich war.“ Man stelle sich stets die Frage: Welche Fremdfirma muss wirklich noch rein?

Bram D'hondt ist Teil der Geschäftsführung von Rütgers Germany. Er arbeitet in Rauxel.

Bram D'hondt ist Teil der Geschäftsführung von Rütgers Germany. Er arbeitet in Rauxel. © Tobias Weckenbrock

Es gibt die üblichen Hygiene- und Abstandsregeln. Zudem eine transparente Kommunikation: Jeden Tag verschicke die Geschäftsführung aktuell eine Mail an die Mitarbeiter zum Stand der Dinge und auch im Unternehmens-Intranet. Dazu hat Rütgers eine interne Telefon-Hotline geschaltet: „Wenn Kollegen Fragen haben, können sie sich dort melden“, erklärt Bram D‘hondt. „Die Fragen werden dann gesammelt, die Fragen und Antworten werden auch im Intranet veröffentlicht.“

Schichtenplan umgestellt

Auch den Schichtplan hat man umgestellt, um aus dem Sechs-Schichten-System ein Fünfer-System mit einer Reserveschicht zu bilden: Die 24 Stunden von Montag bis Donnerstag teilen sich drei Schichten auf. Am Wochenende (Freitag bis Sonntag) arbeiten zwei 12-Stunden-Schichten. Die sechste bleibt zu Hause und kann bei einem Coronafall im Zweifel sofort einspringen. Ein Überlappen der Schichten, das sonst üblich ist, gibt es nun nicht mehr. Das senkt auch die Zahl der gegenseitigen Kontakte.

Über das Bord hinten an der Wand kann man sehen, welche Maschine gerade wie läuft. Die genauen Messwerte werden angezeigt. Eigentlich arbeiten hier einige Mitarbeiter - aber zurzeit ist auch hier nicht viel los. Zum Schutz der Mitarbeiter.

Über das Bord hinten an der Wand kann man sehen, welche Maschine gerade wie läuft. Die genauen Messwerte werden angezeigt. Eigentlich arbeiten hier einige Mitarbeiter - aber zurzeit ist auch hier nicht viel los. Zum Schutz der Mitarbeiter. © Tobias Weckenbrock

Das gilt besonders für die beiden Messwarten: „Sie sind gesperrt, denn dort sitzen die wichtigsten Leute“, sagt Bram D‘hondt. „Sie fahren die Anlage.“ Die Sozialraum-Funktion der Warten falle dadurch weg. „Nur eine Person pendelt zwischen der Messwarte und dem Instandsetzungs-Team“, erklärt D‘hondt. Und die Messwarte Nord und Süd haben man auch anders als sonst komplett voneinander separiert.

Eine der zwei Messwarten der Rütgers-Teerdestillation mit ihren markanten Türmen: Hier gelten sehr strenge Hygiene-Regeln. Der diensthabende Mitarbeiter soll kaum in Kontakt treten zu Kollegen, denn wenn er ausfällt, steht die ganze Anlage still.

Eine der zwei Messwarten der Rütgers-Teerdestillation mit ihren markanten Türmen: Hier gelten sehr strenge Hygiene-Regeln. Der diensthabende Mitarbeiter soll kaum in Kontakt treten zu Kollegen, denn wenn er ausfällt, steht die ganze Anlage still. © Tobias Weckenbrock

„Die Firmenphilosophie ist: In der Krise muss man zusammenhalten, auch wenn das jetzt auf Distanz geschieht“, sagt Günther Weymans. „Wir müssen dann an unsere Firma, an unsere Mitarbeiter zuerst denken.“ Er erklärt auch: „Wenn unsere Mitarbeiter sich an die Regeln nicht halten, können wir hier dicht machen. Ich kann aber mit etwas Stolz sagen: Sie machen das.“

In der Schublade lag der Pandemie-Plan nicht. Günter Weymans sagt, er wurde innerhalb von drei Tagen entwickelt.