Angelika Nowitzki ist modebewusst. Lippenstift und Nagellack gehören für sie dazu. „Ohne Lippenstift gehe ich noch nicht mal zum Mülleimer“, sagt die Castrop-Rauxelerin. Mode war ihr auch schon vor 50 Jahren wichtig. Damals stand sie als Model auf dem Laufsteg – erst in Castrop-Rauxel, dann auf internationalen Modemessen.
Es waren schöne Zeiten, das wird schnell klar im Gespräch mit der 68-Jährigen. Was hält sie heute von dem Rummel um Mode und Models? Am Donnerstag (15.6.) entscheidet sich ja wieder, wer „Germany’s Next Topmodel“ 2023 wird. Angelika Nowitzki kann dazu nichts sagen: „Ich sehe das nicht. Ich mag Heidi Klum nicht.“ Modeln allerdings, das hat sie geliebt.
Wenn man sich die Fotos von damals ansieht, muss man unweigerlich schmunzeln angesichts der Mode und der Frisuren. Ein Foto in Schwarz-Weiß zeigt Angelika Nowitzki zusammen mit ihrer Freundin Anette Klatte auf dem Laufsteg, der in die Gaststätte Koch-Willms in Castrop-Rauxel gebaut war. Heute ist dort das Mythos beheimatet.
Orwat-Ausstellung mit Fotos
Das Foto ist es, das Erinnerungen wieder wachgerufen hat. Ein Freund rief sie an, er habe sie gesehen. Auf einem Foto in der Helmut-Orwat-Ausstellung im Schiffshebewerk Henrichenburg. „Heute siehst Du aber besser aus“, hat er noch gesagt. Das hat ihr gefallen. Genauso wie die Aufmerksamkeit, die das Foto und damit sie bekommen.

Gemeinsam mit Helmut Orwat und Museumsleiter Arnulf Siebeneicker hat sie in der Ausstellung über vergangene Zeiten gesprochen. Unsere Redaktion hat sich gemeldet und vor Kurzem auch eine Dozentin der Technischen Universität Dortmund, die für ein Seminar für Kulturanthropologie des Textilen mit Angelika Nowitzki sprechen will.
Wie war es also damals, für die Modewelt entdeckt zu werden? Junge Frauen konnten nicht per Instagram & Co auf sich aufmerksam machen. Internet sollte es noch viele Jahre nicht geben. Bei Angelika Nowitzki begann die Model-Karriere im Kaufhaus Röhr in der Langen Straße in Castrop-Rauxel. „Ich habe da mal was gekauft, da haben sie gefragt, ob ich Interesse hätte“, erzählt sie. So einfach war das.

Kleidung statt Bezahlung
Modeschauen in der Gaststätte Koch-Willms für das Kaufhaus Röhr und für das Kaufhaus Schulze, das damals am Castroper Markt ansässig war – so begann es für die damals 18-jährige Versicherungsfachangestellte. Die Freundin Anette Klatte machte mit, deren Mann brachte aus seinem Friseursalon auch mal Perücken mit und machte den Conferencier.

„Bezahlung gab es am Anfang keine“, erzählt Angelika Nowitzki. „Wir durften uns dann Teile aus der Kollektion aussuchen, die uns gefallen haben.“ Später waren es dann auch mal 50 Mark. Und Blumensträuße gab es auch für die Mannequins. Fotos zeigen auch Modeschauen des Kaufhaus Schulze in der Stadthalle Castrop-Rauxel. Bademoden, Brautmoden, Abendgarderobe, Alltagskleidung – alles war dabei. „Ich habe ein Hutgesicht und ich habe ein Brillengesicht“, erzählt die Castrop-Rauxelerin.
Der nächste Schritt: „Wir haben uns im Studio Manuela angemeldet.“ Hier im Mannequin-Studio lernen Angelika und Anette, wie man richtig läuft, auch auf High Heels, wie man sich zur Musik bewegt, wie man elegant einen Mantel auszieht, eine Tasche präsentiert und den richtigen Gesichtsausdruck aufsetzt. 450 Mark hat der Kurs damals gekostet, „das war damals viel Geld“.
Modemesse in München
„Uns hat das Spaß gemacht“, erzählt sie: „Wir dachten, vielleicht wird ja was Großes draus.“ Lippstadt, Paderborn, Hannover, das waren Stationen. Weit häufiger als heute präsentierten Modeläden eigene Modenschauen. Und dann: die Igedo in Düsseldorf und die Modemesse in München. Das war schon ein Sprung. Hier trifft Angelika Nowitzki auf viele anderen Models, viele Profis darunter. Sie selbst sieht sich als Semiprofi – für die Modemesse in München nahm sie Urlaub.
„Da bin ich eine ganze Woche für verschiedene Firmen gelaufen“, sagt sie, „manche gibt es heute gar nicht mehr.“ Abends wurde man zum Essen eingeladen, traf andere Models. „Wir durften uns auch Hotels aussuchen, das war schon Luxus“, sagt sie.

Apropos Essen: Musste sie, mussten Models hungern? „Alle waren schlank, ich war schlank“, sagt sie, und das sei sie bis zur Geburt ihres Sohnes geblieben. Hungern war kein Thema damals, sagt sie, „ich habe ganz normal gegessen.“ Mit Konfektionsgröße 36/38 war sie genau richtig. Generell sei alles viel normaler gewesen, als es heute in der Modewelt zu sein scheine.
Etwas Großes ist dann doch nicht draus geworden. Die Liebe kam dazwischen. „Ich habe dann meinen Mann kennengelernt. Er wollte nicht, dass ich so viel weg bin“, sagt sie. Nach vier Jahren im Modegeschäft war Schluss. Bereut habe sie es nicht. „Wir sind 49 Jahre zusammen, 39 Jahre verheiratet“, sagt sie. Für die Familie habe sie eben auf die Karriere verzichtet.
Beim Blättern durch die Fotos werden dann viele Erinnerungen wach. „Wenn mich heute einer fragen würde zu modeln – das könnte ich mir gut vorstellen“, sagt Angeika Nowitzki und lacht. „Laufen kann ich immer noch.“

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