Katrin Lasser-Moryson, Chefin des Frauenhauses warnt: „Man muss vorsichtig sein, wie lange man solche Einschränkungen durchzieht, sonst wird der soziale Schaden zu hoch.“ © Schlehenkamp

Häusliche Gewalt

Gefahr häuslicher Gewalt in Corona-Zeiten deutlich höher, aber: das Frauenhaus ist voll

Das Castrop-Rauxeler Frauenhaus ist voll. Jetzt, wo die Menschen zu Hause bleiben sollen, ist die Gefahr von häuslicher Gewalt aber ungleich höher. Ausweichmöglichkeiten müssen daher her.

von Iris Müller, dpa

Castrop-Rauxel

, 24.03.2020 / Lesedauer: 3 min

Im Frauenhaus Castrop-Rauxel leben derzeit sechs Frauen und sieben Kinder. Damit ist es voll. Die Situation ist prekär: Eine der Frauen ist hochschwanger, drei weitere wollten bald ausziehen. All das ist zu Corona-Zeiten schwierig.

Auch im Frauenhaus wurden die Hygieneregeln verschärft, am Eingang hängt ein Desinfektionsspender, die Bürotür ist nicht wie sonst offen, sondern man muss anklingeln und darf nur einzeln eintreten. Mit den Bewohnerinnen wurde das richtige Händewaschen geübt und erklärt, was zurzeit los ist. „Einige hatten die Ernsthaftigkeit noch nicht erkannt“, erklärt Katrin Lasser-Moryson, Leiterin der Einrichtung, die froh ist, dass derzeit alle komplett gesund sind.

Kaum freie Plätze in NRW

Eventuell bleibt die Truppe so zusammen, bis sich die Lage beruhigt hat. Das ist gut für die Frauen und Kinder, aber ungünstig für die, die dringend einen Platz brauchen. Nicht nur das Frauenhaus in Castrop-Rauxel ist voll, auch die anderen Einrichtungen in NRW platzen aus allen Nähten.

„Wenn man viel drin sitzt, wird es zu Konflikten kommen“, denkt Katrin Lasser-Moryson. Und genau das tun gerade alle. Schlimmer noch: „Manche müssen um die Existenz ihrer Unternehmen fürchten, müssen in Kurzarbei gehen und sind komplett verunsichert“, so Lasser-Moryson.

Gleichzeitig könne man in Zeiten von Corona schlecht ausweichen. Es werde in manchen Familien viel Stress geben und die Kinder sitzen mittendrin und werden der Gewalt mit ausgeliefert. Katrin Lasser-Moryson fürchtet auch, dass mehr Alkohol getrunken wird, um die schwierige Situation zu kompensieren. Sie rechnet in den kommenden Tagen und Wochen mit deutlich mehr Anfragen.

Wird die Polizei zu einem Einsatz mit dem Stichwort „häusliche Gewalt“ gerufen, wird normalerweise auch das Team des Frauenhauses benachrichtigt und fährt direkt mit raus, um ein Beratungsgespräch zu führen. Das sei derzeit aufgrund des Coronavirus nicht möglich.

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„Wir müssen damit rechnen, dass die Zahlen der Fälle von Gewalt gegen Frauen steigen werden“, sagt auch Claudia Fritsche von der Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser NRW.

Politikerinnen von SPD und Grünen im NRW-Landtag wollen das Thema am Dienstag auf die politische Agenda setzen. Die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Anja Butschkau, betont: „Überwiegend fallen Frauen dieser Gewalt zum Opfer. Aufgrund der angespannten Platzsituation in den Frauenhäusern gibt es aber keine Möglichkeit, die Frauen aus der häuslichen Umgebung zu holen.“

Hotelbetten anmieten

Die SPD-Politikerin will, dass die Landesregierung für mehr Kapazitäten sorgt, „indem zum Beispiel Hotels für Schutzräume angemietet werden“. Katrin Lasser-Moryson unterstützt diese Idee. Die Hotels würden Geld für die Unterkunft bekommen, das Land müsste allerdings noch Personalkapazitäten schaffen. Denn die Frauen, die in den Hotels unterkommen könnten, müssten schließlich auch betreut werden.

Katrin Lasser-Moryson ist in Hinblick auf die Corona-Krise nachdenklich: „Man muss vorsichtig sein, wie lange man solche Einschränkungen durchzieht, sonst wird der soziale Schaden zu hoch.“ Irgendwann würden sich die Leute gegenseitig umbringen.

Hilfen für Betroffene

Die Frauenhaus-Chefin betont aber auch, dass man immer im Frauenhaus anrufen kann, um sich beraten zu lassen: Tel. (02305) 41793. Auch das bundesweite Hilfstelefon ist Tag und Nacht erreichbar unter Tel. (08000) 116 016. Wenn Nachbarn etwa lautes Geschrei hören und sich Sorgen machen, können sie auch immer das Jugendamt oder die Polizei anrufen.

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