Gastronomie in der Krise „Wenn nichts passiert, wird die Hälfte aufgeben“

Gastronomie in der Krise: „Wenn nichts passiert, wird die Hälfte aufgeben“
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Januar und Februar sind in der Gastronomie laue Monate. Jetzt füllen sich in Castrop-Rauxel langsam die Restaurants wieder. Das Menükarussell wurde deshalb bewusst in diese Zeit gelegt. Parkbad Süd und Trattoria Puglia sind zwei der drei Restaurants, die in Castrop-Rauxel bei der Aktion mitmachen. Sie bringt neue Gäste, sagen die Gastronomen. Aber generell ist die Lage schwierig. Und sie könnte dramatisch werden.

„Wenn sich nichts tut, wird es schwerer“, sagt Nunzio Marcucci, Chef der Trattoria Puglia an der Thomasstraße. „In ein, zwei Jahren wird es noch die Hälfte der Gastronomen geben“. Er schweigt kurz: „Und ich würde mich selbst dazuzählen.“

Es sind viele Faktoren, die zu der Krise in der Gastronomie beitragen. Da sind auf der einen Seite die hohen Kosten. Für Energie. Für Personal. Viel Zeit frisst die Bürokratie. Marcucci berichtet von der Lieferkettenverfolgung, von Stundennachweisen für die Mitarbeiter, Reinigungsplänen, die minutiös festgehalten werden müssen. Viele Aktenordner Papier. Und wer kontrolliert das? Der Gastronom stutzt kurz: „Niemand“, sagt er und lacht.

Auf der anderen Seite reagieren viele Menschen auf die schwächelnde Konjunktur. Ein Restaurantbesuch wird zunehmend zum Luxus. Die Preise an die Ausgaben anzupassen, gehe nicht, sagt Nunzio Marcucci. Das würden viele Gäste nicht mitmachen. „Das ist nicht so wie beim Döner, der doppelt so teuer geworden ist.“

Marlen Kempf ist Inhaberin der Gastronomie Parkbad Süd. Hier bietet sie ihre Crossover-Küche an.
Marlen Kempf ist Inhaberin der Gastronomie Parkbad Süd. Hier bietet sie ihre Crossover-Küche an. © Ronny von Wangenheim

„Wir müssen alle kämpfen, um unsere Gäste zu behalten“, sagt der Gastronom, der in seiner Trattoria Puglia gutbürgerliche, authentische italienische Küche anbietet. Er hat gerade sein Konzept angepasst, ist vom Fine Dining zurückgekehrt zu den Wurzeln. Damit verbunden ist, dass er einige Preise gesenkt hat. Hauptgrund für die Kehrtwende war zwar, dass der für das Fine Dining zuständige Küchenchef die Trattoria verließ. Jetzt steht Nunzio Marcucci wieder in der Küche. Aber die Konsequenzen passen in die Zeit. Die neue alte Küche und die niedrigeren Preise kommen offenbar gut an: „Alte Gäste kommen wieder“, sagt er.

Essengehen ist Luxus

Marlen Kempf, Chefin im Parkbad Süd, sieht es ähnlich wie ihr Kollege. Auch sie kämpft damit, wirtschaftlich zu sein. „Das Risiko liegt beim Unternehmer“, sagt sie, „man trägt die ganze Verantwortung als Selbstständiger und ist am Ende nicht besser dran als ein Angestellter.“ Angesichts steigender Belastungen frage man sich, wie man Rücklagen bilden könne. Sie beispielsweise musste in der Vergangenheit einen neuen Herd anschaffen. Und da gehe es immerhin um einen fünfstelligen Betrag.

Essengehen sei ein Luxus geworden, auch das sagt sie. 60 oder 70 Euro für einen Restaurantbesuch zu zweit auszugeben, sei nicht mehr selbstverständlich. Und auch sie sieht, dass in der Gastronomie viel wegbrechen könnte in Zukunft.

Bundesweite Zahlen bestätigen die Einschätzungen der Gastronomen aus Castrop-Rauxel. Laut Creditreform ist die Zahl der Insolvenzen in der Gastronomie im vergangenen Jahr um 27 Prozent gestiegen. Der Bundesverband Dehoga informiert, dass der Umsatz 2024 gegenüber dem Vorjahr um 3,8 Prozent zurückging, im Dezember waren es sogar 6,1 Prozent. Die Mehrwertsteueranhebung zum 1. Januar 2024 habe die Stimmung deutlich eingetrübt.

Einheitliche Besteuerung für Essen

Hoffnung setzt nicht nur Marlen Kempf deshalb auf eine neue Regierung. „Die Steuer muss wieder von 19 auf 7 Prozent gesenkt werden“, sagt sie und ist sich da mit Nunzio Marcucci einig. Es ist eine Forderung, die auch der Bundesverband Dehoga erhebt. „Nur eine einheitliche Besteuerung von Essen mit 7 Prozent ist fair und gerecht“, ist einer von sechs Punkten, die der Verband als wichtigste Handlungsfelder nennt. „Neue Bürokratie stoppen“ und „Mehr Netto vom Brutto“ sind zwei weitere Dehoga-Punkte, die Marlen Kempf und Nunzio Marcucci sofort unterschreiben. Friedrich Merz hatte sich vor der Bundestagswahl auch schon für eine Senkung der Steuer auf 7 Prozent ausgesprochen. Darauf setzen die beiden Gastronomen nun.