Fynn Born hat Krebs. Er wird sterben, das steht seit fast einem Jahr fest. Die Ärzte gaben ihm bis Weihnachten. Er lebt heute noch und brachte ein Projekt zu Ende: ein Buch über sein Leben mit dem Tumor. © Tobias Weckenbrock
Hirntumor
Fynn Born (13): Sein Krebs, sein Kampf und sein Buch darüber
Er ist nicht mehr der schmale blonde Junge von früher, der vom Buch-Cover lächelt. Fynn Born lebt noch – aber der 13-Jährige weiß, dass er sterben wird. Er hat darüber ein Buch geschrieben.
Als Fynn Born im Sommer 2018 vor dem begrünten Baum steht, seine linke Hand auf der Schulter liegt, sein strohblondes Haar auf dem Kopf strubbelt, als er in die Kamera lächelt und dieses Foto entsteht: Da weiß er noch nichts.
Als Fynn Born im Mai 2021 auf dem Sofa der Oma liegt, sein Gesicht füllig, blaue Flecken am Körper von einem leichten Sturz, sein Rollstuhl daneben, als er die Augen nicht mehr richtig öffnen kann, um durch die Brille zu sehen, als er aber kichert, weil er spürt, wie seine Mama ihm an den Füßen kitzelt, da weiß er es: Er wird sterben.
Sie sehen aus wie zwei verschiedene Jungen. Das dünne weiße Buch liegt auf dem Glastisch vor dem Sofa. Auf dem Cover ist das Foto des Fynn von 2018. Daneben auf der Couch liegt der Fynn von 2021. Dass er hier, bei Gabriele Meyer-Born in der Wohnung auf Schwerin oder in Dorf Rauxel oder irgendwo dazwischen lebend liegt, ist ohnehin ein Wunder. Eigentlich wäre er jetzt schon bei Opa Ralf im Himmel.
Fynn Born ist kraftlos geworden, auch wenn er heute doppelt so viel wiegt wie am Tiefpunkt einer seiner vielen Chemo-Therapien. Sein Smartphone ist für ihn die letzte Möglichkeit, zu verstehen, was um ihn herum geschieht. © Tobias Weckenbrock
Doch Fynn Born kämpft, als es zu Weihnachten 2020 ganz schlecht aussieht. Denn er steckt da noch mitten in einem Projekt. Einem Projekt seines Herzens. Dieses Buch! „Wie ich mich ins Leben zurück gekämpft habe“ heißt es. „Von Fynn Born“, steht unten auf dem Cover. Das ist dieser Kampf: Nach dem Jahreswechsel kommt er wieder halbwegs auf die Beine. Er ist noch nicht fertig mit seinem Leben. Er schreibt das Buch am Laptop zu Ende. Jetzt hat es 58 Seiten, wurde 500-fach gedruckt und ist in der Castroper Leselust oder als eBook zu bekommen.
Am Dienstag (4.5.) übergab Fynn Born aus dem Castrop-Rauxeler Ortsteil Merklinde in der Kinder-Onkologie des Klinikums Dortmund einen Scheck in Höhe von 7000 Euro. Den Fachleuten, den Mitarbeitern, den Menschen dort ist die Familie zutiefst dankbar. Er spendet das Geld, das er mit seinem Buch eingenommen hat, für diese ihre Arbeit mit krebskranken Kindern. Und er hat schon weiteres Geld eingenommen, das er bald auch noch verteilen möchte.
Wie alles begann
Sein Buch beginnt da, wo sein Leben die schlimmste Wendung nimmt, die Eltern sich für ihre Kinder vorstellen können. Als er zehn Jahre alt ist. „Mein Traum ist es, irgendwann einmal in den Weltraum zu fliegen oder, nach dieser ganzen Geschichte, Onkologe zu werden und etwas gegen diesen Krebs zu finden.“ Das schreibt er in seinem Vorwort. Und dann beschreibt er eine Nacht im November 2018. „Wie alles begann“, lautet die Überschrift des Kapitels.
Fynn Born, ein ganz normaler zehnjähriger Junge aus Castrop-Rauxel. 2018 erkrankte er schwer. © Familie Born
Kurz erzählt: Er hat Kopfschmerzen. Er muss sich manchmal übergeben. Seine Mutter sagt, er solle vielleicht mehr trinken. Kurz vorher ist er mit seinen Großeltern, seiner liebsten Oma Gaby und ihrem Mann, im Spanien-Urlaub gewesen. Da war er schon ruhiger, als man ihn kannte, sagt die Oma mit dem Wissen von heute. Dann kommt eine grausame Nacht. „Es war so schlimm wie niemals zuvor“, schreibt Fynn, der heute kaum noch sprechen kann.
Der erste Arzt attestiert ihm verstopfte Nasennebenhöhlen. Beim zweiten Besuch schickt er ihn weiter zu einem Neurologen. Der Termin: in Monaten. Als es aber am nächsten Tag wieder sehr schlimm ist, fahren die Borns zur Kinderklinik. Nur weil die Mama, Altenpflegerin Heike Born, so tough ist, kommen sie dran. „Wenn Mama nicht gewonnen hätte, gäbe es mich wahrscheinlich gar nicht mehr“, schreibt Fynn.
Simon Schröder, Stiefvater von Fynn und Vater seines Halbbruders Lian, half Fynn beim Layouten des Buches mit den vielen Fotos aus seinem Kampf gegen den Krebs. © Tobias Weckenbrock
Fynn bleibt in der Klinik, wird komplett untersucht, ehe Prof. Dr. Dominik Schneider, Leiter der Kinderklinik, die Mutter, die seit Jahren von seinem Vater Felix geschieden ist, ins Zimmer bittet. Als Heike Born eintritt und sieht, dass dort noch ein Arzt sitzt und eine Psychologin, weiß sie: Das ist kein gutes Zeichen. Schneider stellt die Ergebnisse aus dem Magnetresonanztomographen (MRT) vor: ein Hirntumor, ein sogenannter Keimzelltumor. Zu 80 Prozent heilbar, heißt es, aber sonderbar platziert, da er sonst eher Eierstöcke oder Hoden befällt, nicht das Gehirn.
Tumor, so groß wie ein Tischtennisball
Damit ist die Kopfschmerz-Frage gelöst. Die Schmerzen entstanden durch den Hirndruck, den der etwa Tischtennisball-große Tumor ausgelöst hat. Er muss operiert werden. Station K41 in der Dortmunder Kinderklinik wird Fynn Borns vorübergehendes Zuhause.
Fynn nach einer seiner Hammer-Therapien. Der Lebensmut steckt tief in ihm drin. © Familie Born
Dann beginnt eine Chemo-Therapie, die in Blöcken abläuft: fünf Tage Chemo, dann Pause, und das in vier Abschnitten. Dazu 30 Mal Bestrahlung. Dann sollte alles gut sein. „Am 4. Dezember war der Tag“, schreibt Fynn im Buch. „Ich weiß es deshalb so genau, weil der BVB da war und ich mit den Spielern sprechen konnte.“ Es entstanden Fotos mit Marco Reus, Mario Götze, Lukas Piszczek, Trainer Lucien Favre – und mit Oma Gaby, einer glühenden Borussin.
Fynn Born mit einem seiner BVB-Idole: Nationalspieler Marco Reus. © Familie Born
Fynn fallen die Haare aus. Die Männer in der Familie, die Arbeitskollegen vom Arnsberger Rettungsdienst, wo sein Papa Felix arbeitet – sie lassen sich eine Glatze rasieren. Ende Januar 2019 kommt die gute Nachricht: Der Tumor ist sehr klein geworden. Jetzt noch eine Operation, eine Chemo und eine Bestrahlung – „und dann endlich geschafft“, schreibt Fynn in seinem Buch.
Die OP dauert Stunden
Die OP steht Mitte Februar an. Sie dauert Stunden, aber sie verläuft gut. Wochen vergehen, immer ist jemand bei Fynn im Krankenhaus. Die Oma kocht ihm Rührei mit Bacon. Er selbst schildert die Zeit als eine, in der alles immer besser wurde – bis auf den fiesen Blasenkatheter nach der OP... Die ganze Station sang ein Lied von Mark Forster ein, das zum Youtube-Hit wurde.
Fynn kommt wieder auf die Beine. Er macht Ausflüge wie den ins Römermuseum nach Xanten im April. Und dann kommt der 26. Mai 2019, der Tag der letzten Bestrahlung. Er muss zum letzten Mal in „sein Krankenhaus“. „Es hieß, wir hätten es geschafft“, erzählt die Mama, Heike Born. „Im MRT war nichts mehr zu sehen, nur noch eine kleine Narbe. Fynn durfte auf der K41 die Glocke läuten. Das darf ein Kind, wenn es geheilt ist vom Krebs. Wir haben uns so gefreut, die ganze Angst war weg.“
Doch die positive Prognose, sie stimmt nicht.
Die Kopfschmerzen sind zurück
Nach wenigen Tagen, ein, zwei Wochen, erinnert sich die Mutter, kommen die Kopfschmerzen zurück. Sofort schrillen ihre Alarmglocken, doch die Fachleute meinen, das könnte nicht der Tumor sein, denn die Bestrahlung wirke noch mindestens sechs Wochen nach. Aber sie ziehen zur Vorsicht die nächste Untersuchung vor.
Am 21. Juni 2019 entdecken die Ärzte bei diesem Kontroll-MRT ein Rezidiv. Der Tumor ist wieder da. Oder besser gesagt: Es sind fünf, an unterschiedlichen Stellen im Kopf. Sie erfahren es am Telefon. Sie weinen. „Ich sagte nur: ‚NEIN, NEIN, NEIN, nicht nochmal. NEIN!!!‘ Da saßen wir, alle 3 auf dem Boden in meinem Zimmer. Da war sie wieder, die Angst, die Unsicherheit. Jeder mit seinen eigenen Gedanken, jeder mit seinen Tränen.“
„Da ging alles von vorne los“, sagt Heike Born heute. Noch schlimmer und mit einer viel schlechteren Prognose als vorher: Die Ärzte geben ihrem Kind nur noch 20 Prozent Heilungs-Chance. „Nein!“, schreibt Fynn in seinem Buch. „Ich hatte das verdammte Ding schon einmal besiegt, also schaffe ich das auch noch einmal! Ich sagte das meiner Mutter und Simon. Mama nickte und sagte, dass wir sofort ins Krankenhaus müssten.“
Ab dem 2. Juli bekommt Fynn eine Spezial-Chemo. Er muss schnell auf die Intensivstation. Eine Ärztin nimmt die Mutter zur Seite: „Ich bin selber Mutter und möchte, dass man immer ehrlich zu mir ist“, sagt sie. „Ich würde Ihnen raten, den Jungen ins Koma zu versetzen, damit man ihm die Schmerzen erspart.“ Er braucht Sauerstoff.
Seine Schwester kommt zur Welt, als er um sein Leben ringt
In dieser Nacht wird seine Schwester Carlotta in der Klinik nebenan geboren, die Tochter seines Vaters und dessen neuer Frau Majbrit. Papa Felix Born läuft rüber vom Kreißsaal durch die unterirdischen Gänge zu seinem Sohn und wieder zurück. Fynn soll seine Schwester noch sehen. Doch der linke Lungenflügel steht vor dem Kollaps. Die Lungenentzündung ist schon zu stark, die er sich eingefangen hatte.
Eine Spedition fährt mit der Fynn-Zugmaschine über die Straßen Europas. © Familie Born
Fynn wird ins Koma versetzt, bekommt Probleme mit dem Herzschlag. Die Herzmuskelentzündung wird nach drei Tagen diagnostiziert. Die Krebs-Behandlung muss zurückstehen, die Ärzte kämpfen um sein Leben. Zehn Tage lang, in denen der Krebs sich ungehindert ausbreiten kann. Aber es geht eben nicht anders. „Immer war jemand bei mir“, schreibt Fynn. „Sie haben mit mir gesprochen, mich gewaschen, mir vorgelesen. Ich weiß davon nichts mehr, sondern habe es mir später von meiner Familie erzählen lassen.“
Nach zehn Tagen wecken ihn die Ärzte, beginnen sofort mit einer Liquorchemo, bei der die Chemo direkt in das Hirnwasser geleitet wird. Er kann wieder selbst atmen, er kann zum ersten Mal seine Schwester Carlotta sehen. Aber er kann nicht sprechen.
„Klar, feiern die schon wieder Party...“
Bei einem MRT stellen die Ärzte am 12. Juli 2019 Tumore („Oder Kackmore, wie ich sie nenne“) und Metastasen im Hirn und an der Wirbelsäule fest. Fynn Born hat überall Schmerzen, eine Magensonde, über die er Flüssignahrung bekommt, Entzündungen am ganzen Körper.
Er wiegt noch 26 Kilo, bei 1,50 Meter Körpergröße. Erst, als Oma Gaby bei ihm ist, isst er wieder selbst. Rührei mit Speck zum Frühstück. Und Grießbrei. Meistens nachts. Die Nachtschwester sagt damals: „Klar, feiern die schon wieder Party...“ Seine Großmutter Gabriele Born-Meyer kommt jede Nacht.
Fynn hat das Sprechen verlernt
Tage vergehen, es gibt Physiotherapie, es geht bergauf. Doch Fynn spricht nicht. Er kann es nicht. Als seine Mutter im Schwesternzimmer die Blutwerte erfragt, denn sie wollen endlich mal wieder gemeinsam für eine Weile nach Hause, da weint sie. Die Werte reichen nicht aus. Sie setzt sich zu ihm aufs Bett. „Ich weiß nicht warum, aber ich sprach: ‚Mama, warum weinst du?‘ Sie sah mich an, als hätte sie einen Geist gesehen. Sie riss mich in die Arme und wir weinten und lachten gleichzeitig.“ Auch Wunderstürmer Erling Haaland hat Fynn schon persönlich getroffen.
© Familie Born
In der Folge braucht Fynn Born eine Stammzellentherapie. Mit eigenen Stammzellen. Die werden ihm in einer Dialyse aus dem Blut entnommen und vervielfältigt. Die Therapie setzt sich in Essen in der Uniklinik und später auch im niederländischen Utrecht fort, weil in Essen ein Gerät explodiert, das man dazu braucht. Anfang Oktober jedenfalls ist im MRT kein Tumor mehr zu sehen.
Nach längerer und intensiverer Bestrahlung als beim letzten Mal kommt Mitte März 2020 der Tag, der wie ein Déjà-Vu ist: Fynn darf wieder die Glocke läuten, diesmal in Essen. „Zum zweiten und hoffentlich zum letzten Mal den Tumor besiegt“, schreibt Fynn in seinem Buch. „Wir dachten wieder: Er hat es wirklich geschafft“, sagt Mama Heike Born.
Ab April wird Fynn Teil einer Medikamenten-Studie. Das neue Mittel soll das Tumorwachstum stoppen. Aber es wird erst erprobt. Nach acht Wochen brechen die Ärzte den Versuch ab. Ein MRT im Juni 2020 ergibt, dass die gewünschte Wirkung nicht einsetzt. Der Tumor ist zurück.
„Oma, ich muss sterben“
Fynn erfährt davon im Beisein seiner Eltern. Aber Oma Gaby will er es selbst sagen. Sie fahren nach Castrop-Rauxel. „Ich weiß noch, wie er hier die Einfahrt runter kam. Dann hat Fynn gesagt: ‚Oma, ich muss sterben“, erzählt Gabriele Meyer-Born.
Sie nehmen die Liquorchemo noch mal auf, auch wenn es irgendwie aussichtslos ist. Sie machen Ausflüge, lassen sich nassmachen in der Wildwasserbahn des Phantasialandes, bekommen von der Organisation „Herzenswünsche“ eine Reise nach Paris geschenkt.
Fynn Borns Kampf gegen den Krebs: ein Auf und Ab seit drei Jahren. Hier geht es ihm mal wieder gut. Seinen Bruder Lian liebt er über alles. © Familie Born
Eigentlich möchte Fynn lieber nach Ägypten zu den Pyramiden. Oder zur Chinesischen Mauer. Beides geht nicht, wegen Corona. Mama Heike, ihr Partner Simon, Fynn und sein Bruder Lian (4) besuchen den Louvre, wo er zumindest die Schriften von Alexandria bewundern kann, Disneyland, sind auf dem Eiffelturm, stehen am Grab von Napoleon. Fynn erfüllt sich einen weiteren Traum und singt auf den Champs-Elysées „Je ne parle pas francais“ in Mamas Smartphone.
Er soll Deutsch-Pop-Star Mark Forster treffen. Doch das scheitert an Corona. Immerhin schickt er ein Video. Im Juli nehmen sie noch eine Reha auf („Das beste Geburtstagsgeschenk für Mama, glaube ich“). Eigentlich aber steht fest: Es geht nicht mehr. Man kann ihn nicht heilen. „Wir könnten nur weitermachen mit der Liquorchemo, aber niemand wusste, wie lange ich das vertrage und wie lange das den Tumor in Schach halten würde. Es war klar: Irgendwann wächst der Tumor wieder.“Zu der Zeit haben Fynn und seine Familie schon das Palliativteam aus Datteln kennengelernt. „Das war schrecklich“, sagt Oma Gabriele Meyer-Born heute. „Für mich war bis dahin immer klar: Er schafft das.“ Mutter Heike Born sagt heute: „Sie meinten es nur gut. Sie wollten Vertrauen aufbauen, bevor man die Nachricht bekommt.“
Austherapiert. Denken sie. Ehe ein Anruf kommt, man könne an einer neuen Palliativstudie teilnehmen. Noch mal neue Hoffnung? Fynn will es sofort. Aber er hat Durchfälle und Fieber. „Wir wollten nicht, dass er länger lebt, aber nichts mehr von seinem Leben mitbekommt“, sagt die Mama. Sie brechen nach wenigen Wochen ab. Fortan bekommt er Cortison.
Einen Kurzurlaub im August im Sauerland mit Oma und ihrem Mann muss er abbrechen. Fynn hat extreme Magenkrämpfe und Durchfall. Seine Mutter und ihr Lebensgefährte Simon Schröder heiraten am 18. September. Das war ein dringender Wunsch von Fynn. Er will, dass immer jemand für seinen Bruder Lian, Mamas und Simons gemeinsames Kind, da ist. Die Hochzeit findet klein und unter Corona-Bedingungen statt. Fynn geht es an dem Tag superdreckig.
Im Oktober beginnt eine Hippotherapie in Dortmund-Somborn bei Michelle Bartel. Fynn ist da nicht mehr der Alte. Die Medikamente haben ihn schwer und die Haut schlechter gemacht. Er darf auf Tippex reiten. „Schade, dass Tippex schon so alt ist, aber ich bin mir sicher, dass er mich noch so vier bis fünf Jahre tragen wird“, schreibt Fynn in seinem Buch.
Sein Papa Felix organisiert für den 10. Oktober 2020 einen Rundflug über Arnsberg mit ihm, da also, wo Felix Born wohnt. Fynn baut jetzt stark ab, wird immer dicker wegen der Medikamente und dem starken Hunger, den er verspürt.
Ein Buch über Krebs lesen? Nein, ich schreibe selbst eins
Zu Weihnachten scheint es, als ginge sein Leben zu Ende. Der tapfere Kämpfer, er verliert die Lust am harten Gefecht mit dem Krebs. Aber da ist noch etwas, das ihn abhält, zu gehen: das Buch. „Er hat vom Palliativteam ganz zu Anfang von deren Begleitung ein Buch bekommen, da ging es um einen Jungen, der von seiner Krebserkrankung erzählt“, sagt die Mutter. Er wolle das nicht lesen, hat er nach ein paar Seiten gesagt. Sondern ein eigenes Buch schreiben.
Oma Gabriele Meyer-Born und Mama Heike Born mit Fynn. Sie kommunizieren mit ihm fast nur noch über ihre Smartphones per WhatsApp. © Tobias Weckenbrock
Stiefpapa Simon hat ihm im Herbst schon einen eigenen Laptop besorgt, auf dem er schreibt. Wenn er die Abläufe nicht mehr ganz genau weiß, fragt er seine Mutter oder seine Oma oder das Tagebuch, das er in seinem Handy führt. Das Buch ist zum Jahreswechsel halb fertig. Fynn gewinnt wieder an Kraft. Seine Oma ist sich sicher, dass das an dem Buch liegt. Der Junge mit dem starken Willen, niemals würde er so ein Projekt nicht zu Ende bringen, sagt sie.
Seit drei Monaten kann Fynn nicht mehr hören, trotz der Hörgeräte. Der Tumor wächst und greift sein Gehirn und andere Teile des Körpers an. Sehen kann er auch kaum noch, die Augen gehen nur noch ein bisschen auf. Aber er kann noch auf seinem Handy lesen und tippen. Darum kommuniziert Fynn Born heute mit seinen Leuten über WhatsApp. Manchmal spricht er auch einen oder zwei Sätze.
Die Reittherapie macht Michelle Bartel montags einmal in der Woche weiter für ihn. „Das Buch ist unfassbar toll“, sagt sie. „Wenn man die Chance hat, diesen jungen Menschen noch kennenzulernen, sollte man das tun. Er ist so positiv, man kann so viel von ihm mitnehmen.“
Ja, das Buch: Es hat 58 Seiten. Oma und Mama haben 1000 Euro in die Hand genommen, um es zunächst im Eigenverlag zu drucken. Erst 100 Exemplare, die sie verschenkten und dabei Spenden für die Kinderkrebsklinik Dortmund erbaten. Inzwischen ist die Auflage bei 500, man kann nun aber bei einem Verlag Bestellungen aufgeben. So viele Menschen wollten dieses Buch haben. Seit dieser Woche ist es bei der Castroper Leselust in der Castroper Altstadt (Münsterstraße) zu haben. Der Erlös fließt in weitere Spenden.
Fynn Born überreicht in der Kinder-Krebsstation des Dortmunder Klinikums einen Spendenscheck: 7000 Euro Erlös aus seinem eigenen Buch. © Familie Born
7000 Euro hat Fynn Born am Dienstag an den Chef und die Mitarbeiter der Kinderklinik per Scheck verschenkt. Als Dank. Als Anerkennung. Als Auftrag, für andere Kinder genauso dazu zu sein wie für Fynn. Weitere 3000 Euro sind schon auf dem Spendenkonto eingegangen. Das Palliativteam Datteln und die Hippotherapie sollen die nächsten Empfänger sein. So lange es noch geht.
Mit Oma kann Fynn am besten übers Sterben sprechen. Oft nachts. Er sagt, er habe Angst davor. Er möchte eingeäschert und in Merklinde begraben werden. Opa Ralf, der Vater seines Papas Felix, wird ihn im Himmel abholen, sagt ihm seine Oma. Der ist schon dort, starb vor etwa fünf Jahren. Manchmal sagt Fynn, er habe den Opa schon gesehen; wie er auf ihn wartet.
Er wird die Glocke im Himmel schlagen
„Die letzten 2,5 Jahre waren schwer und traurig und voller Rückschläge, aber auch Überraschungen und mit guten Zeiten und wunderschönen Momenten“, schreibt Fynn auf einer der letzten Seiten seines Buches. „In all der Zeit habe ich meinen Mut nie ganz verloren. Auch wenn es mal wieder eine schlechte Nachricht gab oder es mir sehr schlecht ging, habe ich mich danach immer wieder zurück gekämpft und war noch stärker wie zuvor. Immer ein bisschen mehr.“
Dieses Foto entstand im Sommer 2018. Dem Sommer vor der Diagnose Krebs. © Tobias Weckenbrock
Fynn wird sterben. Er weiß noch nicht wann. Mit Opa Ralf möchte er im Himmel die Glocke zum dritten Mal schlagen. Er schreibt: „So wie Ihr mich nicht vergessen werdet, werde ich Euch auch nicht vergessen. DANKE“
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