„Theo soll nicht im Suppentopf enden“ Gymnasium in Castrop-Rauxel bietet kranker Taube Zuflucht

Taubenfund am EBG: Besitzer von „Theo“ noch nicht gefunden
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Es kommt vermutlich nicht oft vor, dass eine Taube im Büro der stellvertretenden Schulleiterin des Ernst-Barlach-Gymnasiums umherflattert. „Theo“, so wurde der Vogel getauft, lässt sich auf dem Schreibtisch nieder und hinterlässt Spuren seiner letzten Mahlzeit. Silja Senge stört das wenig. Sie nahm das Tier vor einem Monat in die Obhut der Schule. Von einer Infektion geplagt lag „Theo“ im Innenhof des Gymnasiums, wo ihn die Konrektorin fand. Innerhalb kurzer Zeit mauserte er sich zu einem Liebling von Schülern und Lehrkräften. Dementsprechend groß ist dort das Interesse an seinem Verbleib. Ein Taubenschutzverein übernahm die Pflege.

Anfang Februar 2023 ging Silja Senge einen Flur entlang, als sie durch ein Fenster im Innenhof etwas beobachtete. „Es sah erst aus wie ein Handschuh, oder eine Mütze“, erinnert sie sich. Bei genauerem Hinsehen entpuppte sich das vermeintliche Kleidungsstück als aufgeplusterte Taube. Das Tier habe nicht mehr fliegen können und zutraulich gewirkt. Deshalb entschied sich Senge zu handeln. In einem leeren Mülleimer nahm sie den geschwächten Vogel mit nach Hause.

Am nächsten Schultag kam die Taube wieder mit. Die Konrektorin hatte zwar keine Voliere, fand aber einen Hamsterkäfig. Wenig später erhielt das Tier seinen derzeitigen Namen, „Theo“. Er ließ es sich gut gehen: In den Pausen ermöglichten ihm Helfer aus dem Sekretariat Auslauf an der frischen Luft. Silja Senge verhalf „Theo“ währenddessen zu Publicity. Im schulinternen Netz schaltete sie einen Spendenaufruf, denn tierärztliche Hilfe benötigte die Taube nach wie vor. Auch auf Instagram postete sie Fotos. „Wir haben das Licht für Theo angelassen und ihm Musik vorgespielt“, erzählt sie.

Bei den Flugversuchen in dem kleinen Raum fiel Manches zu Boden.
Im Büro der stellvertretenden Schulleiterin fühlte sich "Theo" sichtlich wohl. © Silja Senge

Hilfe von Experten

Zehn Tage verbrachte „Theo“ so im Sekretariat des Ernst-Barlach-Gymnasiums, zwischendurch an der frischen Luft, sonst im Hamsterkäfig. Am 15. Februar wurde der Verein „Ruhrpottmöwen“ auf den Fund der Schule aufmerksam. Taubenschützerin Jana P. fuhr nach Castrop-Rauxel, um „Theo“ abzuholen. Ihr fiel schnell auf, dass er krank ist. In einer Pflegestelle des Vereins angekommen, fraß das Tier zunächst nicht selbst.

Bereits am nächsten Tag begann deshalb die medizinische Untersuchung. Die Diagnose lautete: „Trichomonaden“. Viele Tauben haben die Tierschützer schon an diese Infektionskrankheit verloren, erklärt Jana P. „Theo“ hingegen sei wieder gesund geworden. Zweimal täglich habe er ein Medikament bekommen und nach einem Tag wieder angefangen, selbst zu fressen.

Besitzer gesucht!

Jetzt, wo „Theo“ wieder wohlauf ist, gilt es, den Halter zu finden. Denn er ist kein Wildtier. Ein Ring am Fuß verrät, dass er einem Züchter entflogen sein muss. Zusätzlich gebe er Informationen über den Herkunftsort, sagt Jana P. von den „Ruhrpottmöwen“. „Wie ein Personalausweis.“ Die Ringnummer deute darauf hin, dass der Vogel im Irak geschlüpft sei. Es sei also möglich, dass der Züchter viel Geld für „Theo“ bezahlt hat. Ihn einfach zu behalten, das komme nicht infrage. „Das wäre Unterschlagung“, schildert die Taubenexpertin.

Der Besuch erfolgte nicht ohne "Hinterlassenschaften".
"Theo" begutachtet den Schreibtisch der Konrektorin. © Silja Senge

Bis jetzt habe sich niemand gemeldet. Das sorgt bei Silja Senge und Jana P. für Verunsicherung. Sie wünschen sich für „Theo“ ein artgerechtes Zuhause. An eine solche Stelle könne man das Tier jedoch erst vermitteln, wenn der Besitzer auf die Rücknahme verzichtet. Da noch kein Ansprechpartner ausfindig gemacht wurde, heißt es vorerst: Abwarten. Anfragen bei Taubenzuchtverbänden blieben bisher ohne Erfolg, auch über Facebook ließ sich kein Halter feststellen.

Tierschutz aus Datteln

Circa 25 aktive Mitglieder des „Ruhrpottmöwen Tierschutzprojekt e.V.“ kümmern sich um Tauben in Recklinghausen, Castrop-Rauxel, Herten, Oer-Erkenschwick und Datteln, wo der Verein eingetragen ist. Zum Tagesgeschäft gehört natürlich die Versorgung von verletzten oder kranken Tauben wie „Theo“. Die Tätigkeiten der 2019 gegründeten Initiative gehen aber noch weit darüber hinaus. So wurden die freiwilligen Helfer vielerorts mit der Kontrolle der Taubenpopulation betraut.

Mit dieser Lösung bekamen die Tierschützer das Problem der Verschmutzung in den Griff.
Steffi Hasler von den "Ruhrpottmöwen" steht im Taubenschlag am EVK. Sie hält ein Gipsei in der Hand, welches den Tauben als Ersatz für die eigene Brut gegeben wird. © Patricia Böcking

In Castrop-Rauxel beispielsweise errichteten sie, auf dem Gelände des Evangelischen Krankenhauses einen Taubenschlag. Das ist eine Art Station, an die sich die Tiere zum Schlafen und Brüten zurückziehen. Alle dort gelegten Eier werden durch „Doubles“ aus Gips ersetzt. Auf diese Weise löste der Verein das Problem der Überpopulation vor Ort.

Was tun bei Taubenfund?

Wer in eine flugunfähige Taube findet, solle diese möglichst schnell einfangen, informiert Jana P. In der Zeit, bis die Tierschützer eintreffen, könne das Tier sonst wieder Kräfte sammeln und entwischen. Ein Schal eigne sich gut zum Einwickeln. Angst vor Berührungen müsse man dabei nicht haben. Normale Hygiene durch Händewaschen reiche völlig aus, versichert die Expertin. Danach rate sie, Kontakt zu einer entsprechenden Organisation aufzunehmen, zum Beispiel auf Facebook.

Vermutlich aufgrund der Erkrankung plusterte sich die Taube auf.
Bis er von den Helfern der "Ruhrpottmöwen" versorgt wurde, hatte "Theo" einen Hamsterkäfig im Sekretariat. © Silja Senge

Selbstverständlich seien die „Ruhrpottmöwen“ ebenfalls Ansprechpartner im Bereich Datteln und Umgebung. Aktuell gebe es einen Aufnahmestopp, Auskunft und Unterstützung könne der Verein trotzdem leisten. Finder werden gebeten, sich per Mail an info@ruhrpottmoewen.de zu wenden.

Nun bleibt abzuwarten, ob „Theos“ Züchter gefunden wird. Bis dahin bleibe er in der Obhut des Vereins. Alle Beteiligten hoffen, dass es eine angemessene Bleibe für das Tier gibt. Der Helferin Jana P., aber auch den Schülern, Lehrern und Angestellten des Gymnasiums ist die Taube offensichtlich ans Herz gewachsen. „Theo soll nicht im Suppentopf landen“, das ist der humoristische Konsens.

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