Freiflächen-Photovoltaik in Castrop-Rauxel Warum Jens Wilk den innovativen Plan kritisiert

Freiflächen-Photovoltaik-Pläne für Bladenhorst stoßen auf erste Kritik
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Er habe nichts gegen Ökostrom, aber...: Jens Wilk, einfacher Bürger aus dem Stadtteil Rauxel, hat erste Kritik vorgebracht gegen die Pläne, eine große Photovoltaikanlage auf dem Gestüt Forstwald in Bladenhorst zu errichten. Er tat sie in einer Einwohner-Fragestunde im Ausschuss für Klima- und Umweltschutz kund und bekam indirekt Unterstützung durch einen Vertreter des BUND und der Grünen.

Die Pläne der Eigentümer-Familie Holtschneider, schon im Groben vorbesprochen und wohl auch unterstützt von den Stadtwerken und dem EUV Stadtbetrieb, werden jetzt erstmals Teil der politischen Beratungen. Denn dazu muss der Flächennutzungsplan geändert und ein Bebauungsplan aufgestellt werden. Erstmals stand das Thema darum auf der Tagesordnung, zunächst Dienstag (31.1.) im Umweltausschuss, am Donnerstag (2.2., 17 Uhr) nun im Betriebsausschuss 3, in 14 Tagen im Stadtrat.

Auf dem großen Gelände des Gestüts Forstwald, dessen Zufahrt vom Westring aus direkt am Schloss Bladenhorst liegt, soll im hinteren Bereich eine Wiesen- und Weidenfläche mit einer PV-Anlage überbaut werden. Es wäre die erste Freiflächen-Solaranlage in Castrop-Rauxel, bisherige PV-Anlagen befinden sich fast ausschließlich auf Dächern von öffentlichen oder privaten Gebäuden.

Die Leistung soll bei jährlich rund 7 Gigawattstunden erzeugten elektrischen Stroms liegen. Solarpanels sollen 4 bis 6 Hektar des Grünlands überspannen, so die noch nicht ganz spezifizierten Pläne. Zudem plant die Eigentümer-Familie den Bau der dann neunten Windkraftanlage der Stadt, die noch mal 15 Gigawattstunden im Jahr liefern soll.

Einstimmig pro Planverfahren

Daran gab es auch kein kritisches Wort in der Debatte. An deren Ende stand auch unterm Strich eine einstimmige Einigung darauf, dass man in ein Planverfahren einsteigen könne. Aber über die Freiflächen-PV-Anlage wird wohl noch zu diskutieren sein. Denn Jens Wilk war mit seiner Kritik eben nicht allein. Der Rauxeler brachte vor, dass es sich hier um ein Landschaftsschutzgebiet handle, ein Naturschutzgebiet und ein Teich in der Nähe lägen – und tarnte das dann als Frage: Warum werde das mit keinem Wort „in der Expertise“, so Wilk, erwähnt?

Philipp Röhnert, Leiter des Bereichs Stadtplanung und Bauen im Rathaus, erläuterte, dass es sich hier nur um einen ersten formalen Beschluss handle. Den brauche es als Grundlage dafür, all diese Fragen erst erörtern zu können. „Wenn wir den Auftrag von der Politik nicht bekommen, dann können wir keine Untersuchungen im Detail anstellen“, erklärte Röhnert.

Der Ausschussvorsitzende Jonas Ehm (CDU / in Vertretung von Timo Eismann (Grüne) Sitzungsleiter) sagte, dass es nicht darum gehe, „hier alles zuzupflastern. Wir müssen uns Gedanken machen, wie unsere Energiewende vonstattengeht. Die Verwaltung wird Ihre Sorgen mit aufnehmen. Aber noch ist der falsche Zeitpunkt dafür.“

Die große grüne Fläche ist als Landschaftsschutzgebiet klassifiziert. Dazu zählt auch der Planbereich für die Freiflächen-PV-Anlage. Die braunen Flächen sind Naturschutzgebiet. Links unten befindet sich das Herner Industriegebiet Friedrich der Große.
Die große grüne Fläche ist als Landschaftsschutzgebiet klassifiziert. Dazu zählt auch der Planbereich für die Freiflächen-PV-Anlage. Die braunen Flächen sind Naturschutzgebiet. Links unten befindet sich das Herner Industriegebiet Friedrich der Große. © Regioplaner
Ist hier ein guter Platz für eine Freiflächen-PV-Anlage?
Ist hier ein guter Platz für eine Freiflächen-PV-Anlage? © RVR 2021

Es gab aber auch fachliche Kritik von BUND-Landesvorstand und Grünen Thomas Krämerkämper. Der Henrichenburger, bekannt für seinen Kampf für Arten-, Biotop-, Wald und Gewässerschutz auf verschiedenen Schauplätzen, argumentiere in zwei Richtungen: Einerseits sehe er noch so viel Potenzial in der Belegung von Dachflächen, dass eine Überbauung von Wiesen und Weiden noch nicht notwendig sei. „96 Prozent der geeigneten Dächer sind noch nicht belegt“, so seine Analyse. Man solle erstmal da anfangen.

Das Gegenargument von Jonas Ehm (CDU): Es handle sich dabei weitgehend um private Dächer, die sich dem Einflussbereich der Öffentlichkeit entzögen. Da müsse die Ampelkoalition im Bund endlich mit einer angemessenen Förderung aufwarten, aber das dauere ja noch Jahre. Krämerkämper konterte: „Die Wiesen sind auch Privatflächen. Da gibt es keine Unterschiede.“ Er habe zudem auf Luftbildern nachgesehen: Das Gestüt Forstwald habe Ställe und Scheunen, Reithallen und weitere Gebäude. Aber nicht auf einem einzigen Dach sei Photovoltaik.

BUND: So wenig wie möglich

Sein Fazit: „Ich finde die Position für eine Freiflächen-PV nicht besonders glücklich. Es sind hier relativ hochwertige Flächen, feuchte Wälder. Der BUND findet nicht, dass man keine Anlagen dieser Art zulassen sollte, aber unsere Devise ist, es sollten so wenige wie möglich sein.“ Allein mit den Dachflächen-PV und Windkraftanlagen könne man bilanziell die ganze Stadt mit regenerativer Energie versorgen.

Allein Autobahnen nähmen im Stadtgebiet 60 Hektar Fläche ein. Auch hier oder über neu geschaffenen Parkplätzen könne man Photovoltaikanlagen bauen.

Bei einem Blick in den Regioplaner wird deutlich, dass das Gelände des Gestüts, das Anfang der 90er-Jahre auf landwirtschaftlich genutzter Fläche errichtet wurde, Landschaftsschutzgebiet ist. Rund ein Viertel des Bundesgebiets ist als LSG ausgewiesen. Es unterscheidet sich von den deutlich stärker reglementierten Naturschutzgebieten: NSG zielen darauf ab, eine möglichst unberührte Naturlandschaft zu erhalten. LSG dienen auch dem Schutz von Flächen, die von menschlichen Einflüssen geprägt sind.

Ob ein Eingriff in Form einer Freiflächen-PV-Anlage erlaubt ist, ist künftig in Gutachten zu klären. Die Anforderungen der Energiewende kratzen gerade bundesweit an den engen Reglementierungen für Genehmigungen von PV und Windkraft. Vorteil der Flächen auch: In direkter Nachbarschaft befinden sich eine Bahntrasse, ein Herner Industriegebiet und der Rhein-Herne-Kanal.

Unter PV-Anlagen neuer Art können sich aber auch artenreiche Wiesen entwickeln und sogar Schafe grasen.