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„Frechheit!“ Castrop-Rauxeler Verein will keine Jerusalema-Gebühr zahlen
Jerusalema Dance Challenge
Warner Music fordert Lizenzgebühren von Organisationen, die ein Tanz-Video zur „Jerusalema Dance Challenge“ ins Internet gestellt haben. Das Tierheim in Castrop-Rauxel sagt: Wir zahlen nicht!
Die „Jerusalema Dance Challenge“ war in den vergangenen Wochen der virale Hit im Internet und machte quasi über Nacht einen recht unspektakulären Popsong des Künstlers Master KG bekannt.
Gedacht als Durchhalteparole und musikalische Grußbotschaft in Zeiten der Corona-Pandemie, drehten Rettungskräfte, Unternehmen, Vereine und Institutionen kleine Videos, in denen zum Pop-Song getanzt wurde, und stellten sie ins Netz.
Deutschlandweit schwoften Polizeibeamte, wedelten Krankenschwestern fröhlich zum Takt mit den Armen und präsentierten Verwaltungsangestellte ihre Choreografien. Viele von ihnen dürften sich in diesen Tagen über unerwartete Post des Unternehmens Warner Music ärgern.
Rechte nicht vorher eingeholt
Denn Warner vertritt die Rechte des südafrikanischen Musikers Master KG – und der sieht offenbar im Wildwuchs der verbreiteten Tanzvideos einen Missbrauch des geistigen Eigentums. Weil die Initiatoren der „Jerusalema Dance Challenge“-Videos vorab nicht die kostenpflichtigen Nutzungsrechte für die Originalmusik eingeholt hatten, sollen sie jetzt Geld zahlen.
Das betrifft auch das Tierheim Castrop-Rauxel, dessen Mitarbeiter im Dezember 2020 ein „Jerusalema“-Video veröffentlicht hatten. Wenn es nach Warner geht, soll der Trägerverein des Tierheims nun eine vierstellige Summe zahlen.
Johannes Beisenherz, Ex-Bürgermeister und Vorsitzender des Vereins, hält die Forderungen von Warner Music für eine Frechheit. „Schließlich muss man auch bedenken, dass Tanzvideos wie unseres überhaupt erst zur Bekanntheit des Liedes beigetragen haben. Das war sozusagen kostenlose Werbung für das Stück. Es ist unverschämt, dafür jetzt auch noch Geld zu verlangen“, erklärt Beisenherz.
Forderung nicht nachvollziehbar
Warner Music würde sich mit den nun verschickten Abmahnungen an gemeinnützigen Vereinen versündigen. So etwas sei nicht nachvollziehbar, findet Johannes Beisenherz. Er sagt: „Wir werden weder das Video löschen, noch solche Forderungen begleichen.“
Der Verein hätte bis jetzt noch keine unerfreuliche Post von Warner Music erhalten. Aber man habe selbst umgehend den Kontakt zum Rechteinhaber gesucht und dort angerufen. Wider Erwarten hätte sich die Ansprechpartnerin bei Warner Music verständnisvoll gegeben, wie Beisenherz erklärt. Zwar sei die Sache noch nicht vom Tisch, aber Warner habe den Verein um eine schriftliche Stellungnahme gebeten.
Thema bei der Arbeitsgruppe
„Nach gegenwärtigem Sachstand sieht es so aus, als wenn Warner einlenkt, wir aufgrund unserer Gemeinnützigkeit doch nichts zahlen müssen. Aber wir werden sehen, was daraus wird“, sagt Beisenherz. Auf jeden Fall werde die Sache in nächster Zeit die Arbeitsgruppe des Tierheims beschäftigen.
Das Tierheim kann nur auf die Kulanz des Lizenzinhabers hoffen, denn streng genommen ist Warner Music rechtlich auf der sicheren Seite. Weder der gemeinnützige Status des Vereins noch die Unwissenheit über die Musikrechte-Thematik entbinden den Verein davon, den Forderungen des Unternehmens nachzukommen.
Unter den Castrop-Rauxeler Akteuren, die zuletzt ihre selbst gedrehten „Jerusalema"-Videos auf Youtube und anderen Social-Media-Plattformen veröffentlicht hatten, war auch die Belegschaft des Evangelischen Krankenhauses. Deren Video ist nicht mehr im Internet verfügbar.
Der Song ist seit Mitte August in den deutschen Single-Charts (Top 100). Seit Ende September hält er sich in den Top 20. Anfang Januar belegte er sogar Platz 3.
Fabian Paffendorf, Jahrgang 1978, kam 2003 zum Journalismus. Ursprünglich als Berichterstatter im Bereich Film und Fernsehen unterwegs, drehte er kleinere Dokumentationen und Making-Of-Berichte für DVD-Firmen. In diesem Zusammenhang erschienen seine Kritiken, Interviews und Berichte in verschiedenen Fachmagazinen und bei Online-Filmseiten. Seit 2004 ist der gebürtige Sauerländer im Lokaljournalismus unterwegs. Für die Ruhr Nachrichten schreibt er seit Herbst 2013.