
© Fleischerei Bols
Letzter Tag der Fleischerei Bols: „Für meine Mutter ist es am härtesten“
Fleischerei
Die Fleischerei Bols öffnet am 31. Dezember zum allerletzten Mal. Dass es mit dem Castrop-Rauxeler Traditions-Unternehmen zu Ende geht, kann Willi Bols noch nicht wirklich glauben.
Ein „Ende auf dem Höhepunkt“ nennt Willi Bols die Schließung seiner Fleischerei an der Bochumer Straße in Obercastrop. Am 31. Dezember bis 13 Uhr wird hier zum letzten Mal Fleisch unter dem Namen Bols verkauft. „Dieser Dezember war der erfolgreichste, den wir im Laden je hatten“, sagt Bols am Tag vor der Schließung. „Was kann man da mehr wollen?“
124 Jahre lang gab es in Castrop-Rauxel eine Fleischerei Bols. „Und ich habe auch keinen Verwandten, der nicht selbstständiger Fleischer war“, sagt Willi Bols. Großeltern, Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen - der Beruf ist Familientradition. „An dem Tag, an dem wir die Schließung beschlossen haben, bin ich zum Grab meines Vaters gegangen und habe mich bei ihm entschuldigt“, erzählt Willi Bols.
Er gibt das Geschäft aus gesundheitlichen Gründen auf. Über Schaufenster und Tür hängt seit Heiligabend ein großes weißes Banner, auf dem in dicker roter Schrift „Danke!“ steht. Eine Botschaft der Familie an ihre Kunden. „Sie sollen wissen, dass uns bewusst ist, wer uns das alles die vielen Jahre lang ermöglicht hat“, sagt Bols.
Jeden Morgen um fünf Uhr
Auf die Frage, was das Ende seines Familienunternehmens emotional für ihn bedeutet, antwortet er kaum 24 Stunden vor der Schließung, er könne es noch nicht festmachen. „Es kommt noch nicht an, wir haben heute Morgen noch frische Mettwurst gemacht. Ich werde wohl erst an Silvester richtig verstehen, dass wir zumachen.“
Er überlegt kurz, dann: „Ich glaube, dass es für meine Mutter am härtesten ist.“ 70 Jahre lang hat Finchen Bols, heute 82 Jahre alt, in der Fleischerei gearbeitet. Lange stand sie hinter der Theke, später saß sie im Büro. Auch an den letzten Tagen telefoniert sie noch mit ihren Stammkunden und nimmt Bestellungen entgegen. „Hinter der Theke stehen, das kann ich nicht mehr“, sagt sie selbst. Jeden Morgen um 5 Uhr am Schreibtisch sitzen, während in der Küche die Wurst gemacht wird, das gehe aber noch, sagt ihr Sohn.

Finchen Bols (82) arbeitet seit 70 Jahren im Familienunternehmen mit. © Rebekka Wölky
„Meine Mutter ist durch und durch Geschäftsfrau. Und mein Fels in der Brandung, schon mein Leben lang. Ich habe nie gesehen, dass sie wegen irgendwas geschluchzt oder geweint hätte.“ Aber Heiligabend, als sie das Team verabschiedet habe, da sei ihr die Stimme weggeblieben.
Andere Fleischerei kommt nach Obercastrop
Im Januar übernimmt die Firma Kranefoer aus Waltrop den Betrieb samt Mitarbeitern. Auch ein Familienunternehmen, in fünfter Generation. Mit der Fleischertradition an sich ist es in Obercastrop also nicht zu Ende. Besonders im Hinblick auf die Lebensqualität im Stadtteil beruhigt Willi Bols das.

Willi Bols in der Küche der Fleischerei. Silvester öffnet er letztmals. © Nora Varga (Archiv)
„Also, jetzt mal ganz ohne Scheiß: Grundsätzlich überwiegt die Freude, dass es weitergeht“, sagt er. Und: „Der Laden ist zwar weg, aber ich bleibe hier.“ Auch in Zukunft wird man ihn und seine Familie also weiterhin in Obercastrop sehen. Und mit Blick in die Vergangenheit sagen Mutter und Sohn: Die positiven Erinnerungen überlagern alles Negative. Schlechtes falle ihnen so auf Anhieb gar nicht ein.
Eine große Verabschiedung am Schließungstag gibt es wegen der Corona-Situation nicht. Die Fleischerei Kranefoer eröffnet am 10. Januar. In der Küche wird aber die ganze Zeit über weitergearbeitet, Essen auf Rädern liefern Kranefoers schon am 3. Januar wieder an die Kunden aus.
In einer ersten Version des Textes hatten wir irrtümlicherweise berichtet, die Fleischerei Kranefoer komme aus Recklinghausen. Das haben wir korrigiert.
1997 in Dortmund geboren. Dort seit 2017 für die Ruhr Nachrichten im Einsatz. Habe die Stadt dabei neu kennen und lieben gelernt. Mag die großen und kleinen Geschichten um mich herum, Bücher, schreiben und fotografieren.
